Siemens Start-ups:Kalt in Neuperlach

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Die noch relativ neue Siemens-Zentrale in der Münchner Innenstadt, hier wird es Veränderungen geben. (Foto: Florian Peljak)

Der Hewlett-Packard-Mann Lak Ananth verließ das Silicon Valley, um nun für Siemens Start-ups zu entdecken.

Von Thomas Fromm, München

Lak Ananth sitzt nun auf einem Stoffsessel vor einer Espressobar und erzählt, wie es war, als er vor ein paar Wochen nach München kam. Von Kalifornien nach Bayern, vom Silicon Valley nach Neuperlach, von Hewlett Packard Pathfinder, der Risikokapital-Abteilung des Computer- und Druckerbauers, zu Siemens. Als er landete, hatte er irgendwie die falschen Klamotten dabei und stellte fest: "Es war ziemlich kalt hier." Ja, man muss sich wohl warm anziehen. Für den bayerischen Winter, aber auch für diesen Job: Der gebürtige Inder und US-Bürger leitet bei den Münchnern die neue Start-up-Einheit next47.

Next47 gibt es in München, Shanghai und Berkeley in den USA, und was Ananth, 43, hier demnächst zu erledigen hat, ist um einiges anders als das, was man bei Siemens sonst so gemacht hat bisher. Anders als die Windkraftanlagen, Gasturbinen, Züge und Ultraschallgeräte. Die neue Einheit soll in den nächsten fünf Jahren eine Milliarde Euro in Startups investieren - in Technologien wie künstliche Intelligenz, Roboter - alles also, was die Industrie der Zukunft ausmachen wird. Ananth, der hier heute im blauen Anzug, blaukariertem Hend und braunen Lederslippern sitzt, soll also dafür sorgen, dass dem alten Konzern in den nächsten Jahren nichts durch die Lappen geht, was für die Industrie entscheidend sein könnte. Ob das funktioniert? "Der Beweis wird in den nächsten Jahren kommen", sagt Ananth und spricht von einer "Coalition of the willing". Die "Koalition der Willigen" - im Jahre 2003 nannten die Amerikaner so ihre Staatenallianz, die an der Seite des damaligen US-Präsidenten George W. Bush gegen den Irak in den Krieg ziehen wollte. Heute bezeichnet man also diejenigen so, die für die Digitalisierung eines Unternehmens eintreten.

So ändern sich die Zeiten.

Überhaupt hat jede Epoche bei Siemens ihren ganz eigenen Plot. Vor über zehn Jahren, es war die Ära des Vorstandsvorsitzenden Klaus Kleinfeld, erzählte der Konzern vor allem die Geschichte der Megatrends in urbanen "Megacities", die immer größer werden. Verkehr, Energie, Wasserversorgung - solche Dinge. Jetzt ist die Zeit der ganz großen Digitalisierung.

"Siemens is ready for the digital change" steht auf einer Leinwand, und das ist nun kein Wunder, denn bei diesem Kongress in der Münchner Konzernzentrale geht es ja auch um genau dieses: die digitalen Innovationen der Zukunft und wie Siemens damit umgehen will.

Wenn man jemanden wie Lak Ananth extra aus Kalifornien holt, dann hat man große Pläne: Bis 2020 soll der Umsatz mit dem Geschäft mit Software, Digitaldiensten und Cloud-Plattformen jährlich prozentual zweistellig zulegen, teilte der Konzern am Mittwoch mit. Treiber der Entwicklung: Ein Betriebssystem mit dem Namen "MindSphere", mit der man seine Kunden - also in erster Linie andere Industrieunternehmen - in das sogenannte "Internet der Dinge" holen will. Siemens baut jetzt nicht mehr nur Medizintechnik, Energieanlagen und Industrieautomatisierung - jetzt wird auch alles gleich aus einer Hand vernetzt.

Im vergangenen Geschäftsjahr hatte Siemens mit seinen Digitaldiensten übrigens 4,3 Milliarden Euro umgesetzt - schon dies war eine Steigerung von zwölf Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Damit das weiterhin funktioniert, will Siemens mehr Geld für Forschung und Entwicklung ausgeben: Im Geschäftsjahr 2016/17 will der Konzern 300 Millionen Euro mehr als noch zuletzt in seine Zukunft investieren - es sollen dann fünf Milliarden Euro sein.

Es wird spannend sein, zu sehen, wie das alles zusammengeht: Altes, traditionelles Industriegeschäft, der große Sprung ins Digitale, alte Konzernmanager und neue, junge Start-up-Kräfte rund um Lak Ananth. Es sind unterschiedliche Kulturen, aber, und darum geht es bei diesem Projekt im Grunde, auch um unterschiedliche Geschwindigkeiten. "Man muss in einem Unternehmen verschiedene Geschwindigkeiten erlauben", sagt der Neue aus dem Silicon Valley. Anders würde es wohl auch nicht gehen.

© SZ vom 08.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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