Siemens-Skandal:Mehr als eine Milliarde Euro für dunkle Geschäfte

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Interne Ermittler entdecken bei Siemens immer mehr dubiose Zahlungen, es geht um weit mehr als eine Milliarde Euro. "Eine schockierende Summe", heißt es in der Konzernspitze. US-Anwälte wurden in der Kommunikationssparte und im Kraftwerksgeschäft fündig.

Markus Balser und Klaus Ott

Seit Dezember befragen die internen Ermittler bei Siemens hunderte Mitarbeiter und durchforsten tausende E-Mails und Aktenordner, um Schmiergeldzahlungen auf die Spur zu kommen. Doch zuletzt schienen die vom Konzern angeheuerten Anwälte der US-Kanzlei Debevoise & Plimpton auf der Stelle zu treten, es drangen kaum neue Erkenntnisse nach außen.

Musste im Strudel der Siemens-Krise gehen: Der ehemalige Vorstandsvorsitzende Heinrich von Pierer (Foto: Foto: dpa)

Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung sind die amerikanischen Anwälte nun aber erheblich weitergekommen. Bei Geschäften in der Kommunikationssparte und im Kraftwerksgeschäft stießen Fahnder auf dubiose Zahlungen von weit mehr als einer Milliarde Euro. Damit wäre etwa dreimal so viel Geld in dunkle Kanäle geflossen wie bislang bekannt. "Es geht um riesige Summen", heißt es aus der Konzernspitze. Die jüngsten Erkenntnisse seien "schockierend".

Allein in der Kommunikationssparte stießen die Anwälte den Informationen zufolge auf dubiose Zahlungen von fast 900 Millionen Euro. Die Transaktionen reichten bis Anfang der 90er Jahre zurück, hieß es weiter. Bislang hatte Siemens fragwürdige Zahlungen von 420 Millionen Euro eingeräumt, allerdings zuletzt angedeutet, dass die Summe höher ausfallen könnte. Ein Sprecher des Konzerns nahm am Sonntag zu den neuen Angaben keine Stellung: "Zwischenstände der internen Untersuchungen über die Quartalsveröffentlichungen hinaus, kommentieren wir nicht."

Unerklärliche Transfers

Die jüngsten Erkenntnisse legen den Schluss nahe, dass nicht nur die Kommunikationssparte schwarze Kassen in großem Stil betrieben hat. Auch in der Kraftwerkssparte mit Sitz in Erlangen sollen dreistellige Millionenbeträge über ausländische Konten aus dem Konzern geschleust worden sein. Nach Informationen aus dem Unternehmen stießen die Anwälte von Debevoise auf mutmaßliche schwarze Kassen von 250 bis 300 Millionen Euro. Die Transfers sollen bis in die 90er Jahre zurückreichen.

Staatsanwälte in Mailand und Darmstadt hatten bereits 2005 wegen der Bestechung von Managern des italienischen Energiekonzerns Enel ermittelt. Siemens habe daraufhin die Erlanger Kanzlei Bissel und Partner eingeschaltet und eigene Ermittlungen angestoßen, heißt es in Konzernkreisen. Das Landgericht Darmstadt verurteile im Mai zwei Ex-Manager von Siemens zu Freiheitsstrafen auf Bewährung. Der Fall führte die Ermittler offenbar schon 2005 auf weitere Spuren.

Die Prüfer seien auf eine Vielzahl unerklärlicher Transfers über Liechtenstein und andere ausländische Konten gestoßen, darunter aus Abu Dhabi, heißt es heute aus dem Umfeld der internen Ermittler. Es spreche einiges dafür, dass es dabei nicht um saubere Geschäfte gegangen sei. Allerdings müssten nicht alle Zahlungen automatisch Schmiergeld gewesen sein.

Die Sache sei intern nicht weiterverfolgt worden, weil die Vorfälle aus den 90er Jahren strafrechtlich verjährt seien, heißt es im Konzern. Ein Unternehmenssprecher ließ offen, wer im Siemens-Vorstand bereits 2005 über die Erkenntnisse der Prüfer informiert war.

Den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Darmstadt zufolge verfügte die Kraftwerkssparte bis Ende der 90er Jahre über ein System von Scheingesellschaften und Tarnkonten. Im Fall Enel habe Siemens die Gelder zunächst an die Firma Eurocell in Liechtenstein gezahlt. Diese habe sie auf das Konto einer zweiten Tarnfirma in Liechtenstein überwiesen. Dann wurde das Geld bar abgehoben und auf ein drittes Liechtensteiner Konto eingezahlt. Über Konten in den Vereinigten Arabischen Emiraten sollen die Schmiergelder bei Banken der Enel-Manager in Lugano und Monte Carlo gelandet sein.

© SZ vom 13.8.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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