Siemens:Erster Angeklagter aus der ersten Reihe

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Im Affärenstrudel bei Siemens soll Ex-Vorstand Johannes Feldmayer wegen der verdeckten Finanzierung der AUB vor Gericht. Die Klageschrift ist schon fertig.

Klaus Ott und Uwe Ritzer

Für den damaligen Siemens-Vorstand Johannes Feldmayer muss es ein Schock gewesen sein, als ihn die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth Ende März 2007 verhaften ließ. Der Industriekonzern machte zu dieser Zeit mit diversen Skandalen zwar schon monatelang von sich reden, aber dass ein aktiver Vorstand ins Gefängnis kam, das hatte es bis dahin bei Siemens noch nicht gegeben.

Nach einer Woche kam Feldmayer wieder frei und konnte die Feiertage an Ostern statt hinter Gittern im Kreise der Familie verbringen. Nachdem er ausgiebig über seine Verstrickung in die sogenannte AUB-Affäre geplaudert hatte, ließ ihn die Justiz gegen eine Kaution in Millionenhöhe wieder laufen. Den Job bei Siemens allerdings war der gebürtige Augsburger und gelernte Industriekaufmann später los.

Jetzt steht Feldmayer die nächste unangenehme Premiere bevor. Der 51-Jährige soll sich als erster Ex-Vorstand des Industriekonzerns vor Gericht verantworten. Wegen der verdeckten Finanzierung der Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsangehöriger (AUB) durch Siemens will die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth sowohl Feldmayer als auch dem langjährigen AUB-Chef Wilhelm Schelsky den Prozess machen. Die Anklageschrift ist fertig und soll den Anwälten der beiden Beschuldigten bereits vorliegen. Feldmayer und Schelsky werden mehrere Finanzdelikte zur Last gelegt. Das Landgericht Nürnberg-Fürth muss anschließend entscheiden, ob es die Anklage zulässt.

Interesse an der "zweiten Säule"

Die AUB war seit Mitte der achtziger Jahre mit Unterstützung von Siemens als Kampftruppe gegen die IG Metall aufgebaut worden. Der Konzern ließ sich das laut internen Papieren in knapp zwei Jahrzehnten mehr als 50 Millionen Euro kosten. Nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft hat Feldmayer seit 2001 an der heimlichen Finanzierung der AUB mitgewirkt. Auf der Basis eines von ihm unterschriebenen Beratervertrags erhielt Schelsky weiter Honorare in Millionenhöhe, die vor allem der Unterstützung der AUB dienten. Bis Ende 2006 lief das so. Die Ermittlungsergebnisse besagen, Schelsky habe Scheinrechnungen ausgestellt, mit denen der eigentliche Zahlungszweck verschleiert worden sein soll. Auf diese Weise sei Konzernvermögen veruntreut worden, glauben die Strafverfolger. Feldmayer wird der Untreue beschuldigt, Schelsky der Beihilfe dazu. Außerdem sollen durch eine falsche Verbuchung der Mittel sowohl von Schelsky wie auch bei Siemens Steuern hinterzogen worden sein. Schelsky sitzt seit Februar 2007 in Untersuchungshaft.

Als Feldmayer ebenfalls im Gefängnis war, gab er zu, vom eigentlichen Verwendungszweck eines Teils der Millionenhonorare für Schelsky gewusst zu haben. Siemens habe ein Interesse an einer "zweiten Säule" bei der innerbetrieblichen Mitbestimmung neben der IG Metall gehabt, um einen Kräfteausgleich zu schaffen. Dieser Punkt sei aber ein "politisches Problem" gewesen und deshalb bewusst nicht in den Beratervertrag mit Schelsky aufgenommen worden. Man habe bei Siemens keine offizielle Verbindung zur AUB haben wollen, um sich nicht vorwerfen lassen zu müssen, die Arbeitnehmer-Organisation salonfähig zu machen. Schlagzeilen wie "Siemens kauft Gewerkschaft" oder "Siemens schmiert Betriebsräte", wie sie nach der Enthüllung der AUB-Affäre in den Zeitungen standen, habe man vermeiden wollen.

Feldmayers Vernehmung gibt auch Aufschluss darüber, wie eng die Kooperation zwischen dem Konzern und der vermeintlich unabhängigen Arbeitnehmer-Organisation gewesen sein soll. Der damalige Siemens-Vorstand sagte aus, dass AUB-Chef Schelsky mit der Personalabteilung von Siemens über die Betriebsratskandidaten der AUB gesprochen habe. Schelsky habe sich ausgekannt und daher Personen vorschlagen können, die für die Betriebsratsarbeit in Frage gekommen seien.

Es sei darum gegangen, diese Personen zu schulen und zu trainieren. Schließlich hätten die Kandidaten an vielen Stellen Defizite gehabt, sie seien zum Beispiel rhetorisch nicht ausreichend begabt und in den Fachthemen nicht firm gewesen. Die Schulungen hätten natürlich Geld gekostet, das AUB nicht gehabt habe. Man habe geeigneten Leuten die Möglichkeit geben wollen, sich zu ertüchtigen und auf gleicher Augenhöhe mit anderen Kandidaten zu sein.

Antwort weiß die Fachabteilung

Auf die Betriebsratslisten habe Siemens keinen Einfluss genommen, beteuerte Feldmayer bei seiner Vernehmung. Doch das mochten ihm die Ermittler offenbar nicht glauben. Sie hielten Feldmayer vor, es sei doch nicht Sinn der innerbetrieblichen Mitbestimmung, dass sich der Arbeitgeber die Kandidaten aussuche. Und sie fragten ihn, ob ihm bekannt gewesen sei, dass die Finanzierung von Wahlkämpfen strafbar sei. Feldmayer antwortete, mit dieser Frage müsse man sich an eine Fachabteilung bei Siemens wenden. Hier sei Detailwissen notwendig, um das beurteilen zu können. Er habe die organisatorische Unterstützung von AUB als zulässig betrachtet. Schließlich räumte er noch ein, die "Lobbyarbeit" sei erfolgreich gewesen. Die AUB sei am Ende in vielen Betriebsräten vertreten gewesen. Die mögliche Beeinflussung von Betriebsratswahlen soll aber nicht Gegenstand der Anklage sein.

Feldmayers Anwalt und der von Schelsky äußerten sich auf Anfrage der SZ nicht zum Ermittlungsverfahren. Sollte das Landgericht Nürnberg-Fürth die Anklage zulassen, wird es wohl noch viel zu erzählen geben. Dann wird Feldmayer auch seinen neuen Job zeitweise ruhen lassen müssen. Er verdient inzwischen als Unternehmensberater sein Geld.

© SZ vom 03.07.2008/hgn/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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