Siemens:Die Boygroup in der Siemenszentrale

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Siemens-Chef Löscher stellt seine neuen Topmanager vor: In Zeiten, in denen es noch acht Sparten gab, hätte es einen solchen Auftritt aller Bereichschefs wohl kaum gegeben.

Markus Balser und Thomas Fromm

Nach dem Konzernumbau aber gibt es bei dem Münchener Unternehmen nur noch drei große Sektoren mit drei mächtigen Spitzenkräften - und die hat Siemens-Vorstandschef Peter Löscher an diesem Morgen alle mitgebracht. Im Blitzlichtgewitter der Fotografen präsentiert er seine Führungsmannschaft am Donnerstag wie eine Boygroup auf der Bühne des Konferenzraums in der altehrwürdigen Siemens-Zentrale.

Siemens-Vorstand Peter Löscher (l.), posiert mit den Vorstandsmitgliedern Heinrich Hiesinger (v.l.), Wolfgang Dehen und Erich R. Reinhardt. (Foto: Foto: ddp)

Es mag Zufall sein, aber so wie sich die Herren der Körpergröße nach von links nach rechts auf dem Podium aufstellen, entspricht das wohl ihrem künftigen Gewicht im Unternehmen. Löscher, der hochgewachsene Chef, ragt auf der Bühne aus dem Team heraus.

Dann der zweitgrößte Heinrich Hiesinger, künftig Leiter des größten Sektors Industrie- und Infrastruktur. Daneben Wolfgang Dehen, mittelgroß, designierter Leiter des Energiesektors.

Milliardeneinsparungen geplant

Und außen der kleinste: Erich Reinhardt. Sein Medizingeschäft ist zwar das profitabelste bei Siemens - aber mit einem Umsatz von zehn Milliarden Euro auch das kleinste. "Die stehen da, aufgereiht wie die Orgelpfeifen", beschreibt eine Journalistin die Choreographie des neuen Siemens-Quartetts.

Noch etwas verlegen lächeln sie in die Menge: Hiesinger, der Aufsteiger, der noch bis vor einigen Monaten die kleine Gebäudetechniksparte SBT aus der Schweiz leitete. Dehen, der Umsteiger, der früher den ehemaligen Siemens-Autozulieferer VDO führte und nicht viel mit Kraftwerken zu tun hatte. Und Reinhardt, der Platzhirsch. Von allen dreien hat er es am einfachsten. Denn für ihn ändert sich nichts. Seit 13 Jahren steht er an der Spitze der Gesundheitssparte Healthcare. Und da soll er auch bleiben.

Ernst werden die Minen erst, als Löscher über die geplanten Milliardeneinsparungen spricht. Schon seit Wochen halten sich Gerüchte über einen massiven Stellenabbau im Konzern. Um mindestens 1,4 Milliarden Euro sollen bis 2010 die Kosten in Verwaltung und Marketing sinken. Denn drei Sparten brauchen weniger Verwaltung als acht. Wie viele Siemensianer dann gehen müssen?

In den nächsten Monaten erst werde an den Plänen gefeilt, wohl erst im Frühjahr könne der Konzern Details nennen. Löscher will das Thema noch klein halten, doch ihm schwant bereits: "Das wird wohl nicht geräuschlos abgehen."

Die nächsten Wochen werden über Wohl und Wehe des Konzerns entscheiden. Zusammen mit Aufsichtsratschef Gerhard Cromme will Löscher nach Washington zur US-Börsenaufsicht SEC fliegen, um über die Folgen der gewaltigen Korruptionsaffäre zu sprechen. Denn noch immer ist das ganze Ausmaß der Affäre nicht klar. "Aber wir sehen es als positives Signal, dass die SEC unserer Bitte um ein Gespräch nachgekommen ist", sagte Löscher. Trotz Affäre: Eine Verschnaufpause wird es für den Konzern nach dem Umbau nicht geben, macht Löscher am Donnerstag klar.

Siemens solle mit seiner neuen Struktur den deutlich profitableren US-Erzrivalen General Electric überholen. Nicht nur weltweiter Technologieführer, auch "Weltspitze bei der Ertragskraft" müsse die neue Siemens AG werden.

Die Gewinnziele für die drei neuen Großsektoren Energie, Industrie und Medizintechnik sowie die 15 untergeordneten Divisionen würden ehrgeizig ausfallen. "Wir werden die Zielmargen deutlicher an den Wettbewerbern ausrichten und ambitioniert sein", sagt Löscher. Bislang liegt die Rendite von Siemens auf den meisten Feldern hinter GE. In der Medizintechnik strebt Siemens eine Spanne von 14 bis 17 Prozent an, die Ziele für Industrie und Energie sollen im Januar folgen.

Schon vorher will der Konzern die vakanten Führungsposten besetzen. Die neuen Leiter der Divisionen unterhalb der drei Superbereiche würden im Dezember ernannt. Und dabei, so Löscher, solle es auch ein Signal nach innen geben. "Es wird eine Balance zwischen erfahrenen Managern und neuen Gesichtern sein. Wir werden mit weniger Managern führen, aber das werden die besten sein", sagt Löscher.

Schon im Vorstand hatte Löscher bei Personalentscheidungen für manche Überraschung gesorgt. Beispiel: Wolfgang Dehen. Der Ex-Leiter der früheren Siemens-Autozulieferer-Tochter VDO ist in seiner neuen Rolle als Chef der Energiesparte mit 20 Milliarden Euro Umsatz noch ein wenig unsicher. Ober er sich schon in das neue Aufgabenfeld eingearbeitet hat? "Ich weiß heute schon mehr als gestern und morgen weiß ich mehr als heute", sagt Dehen. Nachdem VDO an Conti verkauft wurde, war unklar, was mit ihm geschehen würde. "Auch Trainer sitzen mal auf der Reservebank", sagt Dehen heute.

Schon beim ersten Auftritt der neuen Chefs zeigt sich die neue Kräfteverteilung im Spitzenmanagement. Künftig dürfte das Wort führen, wer auch das größte Geschäft hat. Auf die Frage nach den unterschiedlichen Geschäftsgrößen antwortet Sektorenchef Hiesinger vom mit 40 Milliarden Euro Umsatz künftig größten Feld Industrie gleich für seinen Kollegen mit: "Herr Dehen wird sich bemühen, schnell auf die 30 Milliarden Euro Umsatz zu kommen."

© SZ vom 30.11.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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