Siemens-Affäre: Problem Pierer:Ein Abgang auf Raten

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Die Unterstützung bröckelt: Die Bundesregierung geht auf Distanz zu Merkels Wirtschaftsberater Heinrich von Pierer. Der Ex-Siemens-Chef will davon nichts mitbekommen haben.

N. Bovensiepen, K. Stroh, M. Balser, K. Ott

Heinrich von Pierer, der ehemalige Vorstands- und Aufsichtsratschef der Siemens AG, zählt schon seit langem zu den Gesprächspartnern der deutschen Regierungschefs.

Unter Druck: Heinrich von Pierer (Foto: Foto: AP)

Er hat Helmut Kohl und Gerhard Schröder beraten, und bislang auch Bundeskanzlerin Angela Merkel. Ob das bei Merkel so bleibt, ist mit dem langjährigen Siemens-Chef noch nicht erörtert worden. Pierer teilte der Süddeutschen Zeitung am Dienstag mit, über ein mögliches Ausscheiden aus dem Rat für Innovation und Wachstum sei mit ihm bislang nicht gesprochen worden. Der Rat soll im Auftrag der Bundesregierung Ideen für neue Technologien wecken.

Milberg statt Pierer

Aus Regierungskreisen hatte es am Montag geheißen, wegen des Korruptionsskandals bei Siemens solle eine geplante Umstrukturierung des Innovationsrates dazu genutzt werden, dessen bisherigen Sprecher Pierer Ende April durch den früheren BMW-Chef Joachim Milberg zu ersetzen. Pierer solle dann ausscheiden.

Dazu teilte der ehemalige Siemens-Chef über seinen Anwalt mit, die Kanzlerin habe mit ihm bereits im vergangenen Jahr ein Grundsatzgespräch über die künftige Arbeit des Beratergremiums geführt. Dabei sei es um die Umstrukturierung gegangen. Zur nächsten Sitzung des Innovationsrates Ende April sei er eingeladen.

Der ehemalige Siemens-Chef leitet seit 2006 den Innovationsrat, dem auch Daimler-Chef Dieter Zetsche und Bayer-Chef Werner Wenning angehören. Pierer erklärte weiter, er bleibe Vize-Aufsichtsratschef der Invest in Germany GmbH, die im Auftrag der Regierung ausländische Investoren anlocken soll. Vorsitzender dieses Gremiums ist Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU), der ebenso wie Pierer aus Franken stammt.

Bund geht auf Distanz

Teile der Bundesregierung lassen in diesen Tagen erstmals Distanz zu Pierer erkennen. Offiziell äußert man sich nicht zu den Vorwürfen gegen den Ex-Siemens-Chef, der frühzeitig von schwarzen Kassen bei Siemens gewusst haben soll.

Pierer bestreitet das. Inoffiziell heißt es, die geplante Umstrukturierung des Innovationsrates solle dazu genutzt werden, sich elegant von Pierer zu verabschieden.

Aus Regierungskreisen verlautet, die beste Lösung wäre es, wenn der frühere Konzernchef selbst ein "Gespür" für die Lage entwickele. Pierer wiederum wartet offenbar auf Signale aus Berlin. Es sieht aber nicht so aus, als wolle er sich an diesen Beraterjob klammern.

Pierers möglicher Nachfolger als Chef des Innovationsrates, der Ex-BMW-Chef Milberg, ist Präsident der Deutschen Akademie für Technikwissenschaften (acatech).

Ein Regierungssprecher wollte diese Personalie am Dienstag nicht bestätigen, erklärte aber, es habe ein Telefonat zwischen Milberg und Bundesforschungsministerin Annette Schavan gegeben. Dabei sei es darum gegangen, ob die Akademie die Organisation der Politikberatung im Bereich Innovation übernehmen könne. Über den Vorsitz des Gremiums sei bei diesem Telefonat aber nicht gesprochen worden, so der Sprecher weiter.

Bayerns Kabinett und die Regierungspartei CSU stehen offenbar, anders als Teile der Berliner Politik, weiter zu Pierer. Er ist Parteimitglied und saß für die CSU lange im Stadtrat von Erlangen. Pierers Leistungen seien "unbestritten", sagte ein Regierungsmitglied am Dienstag.

"Man muss auch sehen, was er für den Standort getan hat." Viele empfänden es deshalb als "sehr ungerecht, wie man mit ihm umgeht". Anders als für die Bundesregierung war Pierer nie für die Beraterkommission der bayerischen Staatsregierung, den Wissenschaftlich-technischen Beirat, tätig - trotz seines guten Verhältnisses etwa zu Ex-Ministerpräsident Edmund Stoiber. In dem Gremium waren und sind andere Siemens-Spitzenkräfte vertreten.

Pierer sitzt in den Aufsichtsräten mehrerer deutscher Konzerne, darunter bei beim Stahlunternehmen Thyssen-Krupp und bei der Deutschen Bank. Bei dem Finanzinstitut steht er demnächst zur Wiederwahl ins Kontrollgremium an. Das geht aus der Einladung zur Hauptversammlung am 29. Mai in Frankfurt am Main hervor.

© SZ vom 16.04.2008/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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