Sieg vor Schiedsgericht:Rauchfrei in Uruguay

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Der Tabakkonzern Philip Morris bekämpfte die scharfen Gesetze des Landes - und unterlag. Das Urteil könnte Folgen haben für Deutschland und TTIP.

Philip Morris wollte Uruguays strenge Rauchergesetze aushebeln - und scheiterte. Der Fall wurde im Ringen um die Rolle von privaten Schiedsgerichten bei Freihandelsabkommen wie TTIP zum Politikum.

Tabaré Vázquez setzte sich durch. Der frühere Krebsarzt und Präsident von Uruguay führt einen unerbittlichen Kampf gegen das Rauchen. Zigarettensorten wie "Lights" gelten in dem Land als Verbrauchertäuschung und sind verboten, ebenso Zigarettenwerbung. Dazu gibt es großformatige Warnhinweise auf Packungen und ein sehr strenges Rauchverbot. Philip Morris mit seiner weltweit führenden Marke Marlboro wollte das nicht dulden und zog vor ein umstrittenes Schiedsgericht. Das war 2010, aber Verfahren vor dem bei der Weltbank angesiedelten internationalen Schiedsgerichtshof ICSID sind langwierig und teuer. Nun gab es ein Urteil: Das Gericht habe die Klagepunkte des Konzerns "komplett zurückgewiesen", jubiliert Vázquez in Montevideo. "Es ist nicht zulässig, kommerzielle Aspekte über die Verteidigung der Grundrechte auf Leben und Gesundheit zu stellen."

Das Urteil dürfte auch im Kanzleramt in Berlin studiert werden. Denn der schwedische Konzern Vattenfall hat die Bundesrepublik vor dem hinter verschlossenen Türen tagenden Schiedsgericht zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten auf 4,7 Milliarden Euro Schadenersatz verklagt, wegen des Atomausstiegs. Zwischenzeitlich hieß es, die Klage habe gute Erfolgsaussichten, wegen der abrupten Wende der deutschen Politik und der aus Sicht der Energiekonzerne wackligen Begründung zur sofortigen Stilllegung von acht Atomkraftwerken in Deutschland nach dem Unfall im japanischen Fukushima 2011.

In der Bundesregierung befürchtet man eine Niederlage. Aber es könnte politisch auch der Todesstoß für das Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA sein, da die USA auf private Schiedsgerichte pochen. Die Krux: Drei Richter fällen beim ICSID eine intransparente Entscheidung, ob die Geschäfte von Konzernen durch nationale Gesetze unrechtmäßig eingeschränkt werden. Eine Revision ist nicht möglich. Hätte Uruguay verloren, hätten einige Gesetze wohl entschärft werden müssen. Der Fall zeigt, dass auch das umstrittene ICSID die Rolle des Staates stärken kann - was TTIP-Befürwortern wohl sehr entgegenkommt.

Der Präsident von Uruguay spricht von einem weltweiten Präzedenzfall. Seine harten Gesetze zeigen übrigens Wirkung:Von 2005 bis 2014 ging der Anteil der uruguayischen Raucher von 35 auf 22,4 Prozent zurück.

© SZ vom 11.07.2016 / dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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