Shinkansen:Hoffnung für den Ladenhüter

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Stillstand im Gleis: Nur langsam verkaufen sich die japanischen Schnellzüge Shinkansen. (Foto: Shizuo Kambayashi/AP)

Großer Jubel in Tokio: Indien will den japanischen Schnellzug Shinkansen kaufen - vielleicht.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Der Jubel war groß: Indien wird den Shinkansen kaufen. Ein japanisches Konsortium werde die erste Hochgeschwindigkeitsbahn von Mumbai nach Ahmadabad bauen, so frohlockte die Presse in Tokio am Mittwoch. Premier Shinzo Abe und sein Amtskollege Narendra Modi sollen den 980-Milliarden-Deal (7,1 Milliarden Euro) am Samstag in Neu Dehli besiegeln, hieß es weiter.

Bei solchen Meldungen ist allerdings erst einmal Vorsicht angebracht: Japans Medien haben schon mehrfach Exportaufträge für den Shinkansen gefeiert, die allerdings später platzten. Japan Rail, die ehemaligen Staatsbahnen, kündigten vor sechs Jahren an, sie würden N700-Shinkansen in die USA exportieren. Daraus ist bisher nichts geworden. Im Sommer schien ein Verkauf nach Indonesien unter Dach und Fach, dann entschied Präsident Joko Widodo in Jakarta, das Projekt sei für sein Land zu teuer, er habe andere Prioritäten. Der Mitbewerber aus China reagierte mit einem Finanzplan, der private Unternehmen und chinesische Kredite kombinierte - und erhielt den Auftrag. Überdies versprachen die Chinesen, die Teilstrecke von Jakarta nach Bandung, die ersten 140 von geplanten 730 Kilometer nach Surabaya, in drei Jahren zu bauen.

In Indonesien erhielten die Chinesen den Zuschlag, weil sie die Staatskasse verschonen

Tokio war beleidigt. Sechs Jahre lang hatten japanische Firmen Vorstudien betrieben und japanische Diplomaten die zuständigen Beamten in Jakarta hofiert. "Die Entscheidung läuft gegen den gesunden Menschenverstand", sagte Abes Sprecher Yoshihide Suga. Das japanische Projekt sei besser, sicherer und billiger. Ein indonesischer Minister bestätigte, dass die Finanzierung den Ausschlag gegeben habe: "Unser Ziel war es, für diese Bahnlinie kein Geld aus der Staatskasse auszugeben und auch keine Kredite zu garantieren. Das japanische Angebot verlangte beides."

Japan ist der größte Kreditgeber Indonesiens. Selbst wenn das niemand offen sagt, erwartet Tokio deshalb eine Vorzugsbehandlung, zumal man in Japan von der Überlegenheit der eigenen Technik überzeugt ist. Dies auch heute noch, obwohl Japan mit dieser Haltung zur Zeit ganze Industriezweige, etwa die Fernseher- und Computerherstellung an die Nachbarn verliert. Zudem baut Japans Industrie Beziehungen des Vertrauens auf und feilscht dann nur noch um die Modalitäten. Umso mehr fühlte sich Tokio nach der Absage Jakartas düpiert. In der japanischen Wirtschaftszeitung Nikkei meinte ein anonymer Beamter, Japan müsse seine Angebotsstrategie der Gegenwart anpassen.

Japan war der Pionier der Hochgeschwindigkeitszüge, ein erstes Projekt sollte bereits 1940 gebaut werden, wurde aber vom Zweiten Weltkrieg gestoppt. 1964 weihte Nippon die erste Shinkansen-Strecke von Tokio nach Osaka ein. Seither versucht Japan, die Technologie zu exportieren. Bisher ist das nur nach Taiwan gelungen. In Großbritannien ist Hitachi wenigstens am Bau von Zügen beteiligt, nach China konnte Japan Lizenzen verkaufen. Abe wirbt derzeit auch in Malaysia und Vietnam für den Shinkansen, Thailand hat einen Vorvertrag unterzeichnet. Indien wird er nun besonders vorteilhafte Kredite anbieten, zudem versteht sich der Staatschef bestens mit Narendra Modi, die wie er ein Nationalist ist.

© SZ vom 10.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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