"Seidenstraßen"-Initiative:Das große Rätseln

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Beschreitet China neue Wege? Öffnet das Land seine Wirtschaft für mehr internationalen Handel und ausländische Investoren? Das Foto zeigt Außenminister Wang Yi in Peking. (Foto: Jason Lee/AP)

Chinas "Seidenstraßen"-Initiative soll eine "offene Globalisierung" fördern. Aber noch stuft die OECD den kommunistischen Staat als das restriktivste Industrieland ein. Wie ernst ist es der Volksrepublik also?

Von Christoph Giesen, Peking

Die Globalisierung, der Abbau von Zöllen, der Kampf gegen den Protektionsismus. Hört man die jüngsten Ansprachen von Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping an, könnte man glatt meinen, er wäre ein echter Freihändler. In Davos, auf der Jahreshauptversammlung des Weltkapitals, hielt Xi eine bemerkenswerte Rede. Ein Chef einer kommunistischen Partei forderte dort all das, was man sich vom amerikanischen Präsidenten gewünscht hätte. Doch der schwor seine Anhänger gerade auf "America first" ein.

Jetzt bekennt sich "Freetrade Xi", wie sie ihn in Davos genannt hatten, wieder. Am Montag haben sich die Staats- und Regierungschefs beim Gipfeltreffen für eine "Neuen Seidenstraße" in Peking darauf geeinigt, sich für den freien Handel und den Abbau von Protektionismus einsetzen zu wollen. Ziel sei es "eine offene Wirtschaft zu bauen, freien und inklusiven Handel sicherzustellen" und "alle Formen von Protektionismus" zu bekämpfen. Auf dem Gipfel geht es um Chinas Pläne für die Entwicklung eines modernen Verbindungsnetzes mit Wirtschaftskorridoren entlang der antiken Handelswege der "Seidenstraße".

Für neue Häfen, Straßen, Bahnstrecken und andere Infrastrukturprojekte stellte Xi mehr als 100 Milliarden Euro für Finanzierungen in Aussicht. Die "Seidenstraßen"-Initiative werde eine "offene Globalisierung" fördern, von der alle profitieren sollen. Ein auf Regeln basierender multilateraler Handel müsse gestärkt werden.

Die Zeitungen in China druckten Sonderausgaben und waren voll des Lobes. Doch die Wahrheit ist auch, dass China noch immer eine verschlossene Wirtschaft ist. Ausländischen Firmen ist es etwa untersagt, Medienunternehmen, Telekomkonzerne oder Banken zu übernehmen. Die OECD stuft China als das restriktivste Industrieland ein: Auf Platz 59 von 59 Staaten. Wie ernst ist es China also?

"Es gibt natürlich Differenzen, aber dagegen ist ja gar nichts zu sagen."

Trotz des demonstrativen Bekenntnisses der Staats- und Regierungschefs zum Freihandel wollte Gastgeber China ähnliche Anliegen der EU-Mitglieder nicht in eine gemeinsame Erklärung aufnehmen. Die Folge: Mehrere europäische Staaten, darunter Deutschland, haben sich am Montag auf der Gipfelkonferenz zur "Neuen Seidenstraße" geweigert, eine von China vorbereitete Erklärung zum gemeinsamen Handel zu unterzeichnen. Es fehlten Hinweise zu sozialen und Umweltstandards sowie zur Transparenz öffentlicher Märkte, sagten Diplomaten in Peking. Das von China vorgelegte Dokument sei ein Rückschritt hinter das in den vergangenen Jahren zusammen Erreichte beim Thema Handel. Neben Deutschland hätten sich auch Ungarn und Estland geweigert, das Abschlussdokument abzusegnen. Die Staats- und Regierungschefs in Peking vereinbarten derweil, an einem "stabilen und nachhaltigen" Finanzsystem arbeiten zu wollen. Auch stellten sie sich hinter das Klimaabkommen von Paris. "Wir sind entschlossen, den Planeten vor dem Verfall zu schützen." Deutschland und die EU-Staaten, die keine Staats- und Regierungschefs geschickt hatten, waren nicht an der Abschlusserklärung beteiligt, sondern nur an dem Handelspapier. Nach einem Treffen mit dem chinesischen Handelsminister Zhong Shan am Rande des Gipfels, sprach sich Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD), die as Vertreterin der Bundesregierung an der Konferenz teilgenommen hatte für mehr Marktöffnung und faire Wettbewerbsbedingungen für deutsche Unternehmen in China aus. "Wir würden uns konkrete Schritte der chinesischen Regierung wünschen, was freien Handel und die Zulassung deutscher Unternehmen auf dem chinesischen Markt angeht." Die Wirtschaftsministerin beklagte den Zwang, dass deutsche Unternehmen in bestimmten Branchen wie der Autoindustrie in der Volksrepublik noch immer Gemeinschaftsunternehmen eingehen müssen. "Solche Sachen widersprechen dem freien Handel."

© SZ vom 16.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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