Schwarze Kassen bei Siemens:Was wusste Gerhard Cromme?

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Siemens-Chefaufseher Gerhard Cromme hat stets behauptet, erst im November 2006 vom wahren Ausmaß der schwarzen Kassen erfahren zu haben. Jetzt sind Dokumente aufgetaucht - danach hätten die Verantwortlichen im Münchner Konzern früher alarmiert sein müssen. Von Klaus Ott

Klaus Ott

Eigentlich bedient sich Siemens neuester Techniken, um weltweit modernste Anlagen zu bauen. In der Konzernzentrale in München verkehren die Führungskräfte manchmal aber noch wie in alten Zeiten miteinander.

Im Januar 2006 schickte der damalige Anti-Korruptionsbeauftragte Albrecht Schäfer einen handgeschriebenen Brief in die Chefetage. Es war ein bemerkenswerter Vorgang, nicht nur der feinen Schrift wegen, die aussah wie gemalt - denn womöglich hat die Konzernspitze, einschließlich des heutigen Aufsichtsratschefs Gerhard Cromme, frühzeitige Hinweise auf Schwarzgeldkonten nicht ernst genug genommen.

Schäfer informierte mit Datum vom 23. Januar 2006 den damaligen Finanzvorstand Heinz-Joachim Neubürger, Siemens habe im Dezember 2005 von der Dresdner Bank Unterlagen über auffällige Transaktionen eines griechischen Siemens-Managers in der Schweiz bekommen.

Insgesamt ging es um merkwürdige Zahlungen in Höhe von 37 Milionen Euro. Auch der Prüfungsausschuss des Aufsichtsrats, der auf saubere Geschäfte hinwirken soll, erfuhr vom Vorgang, offenbar ebenfalls von Schäfer.

Die Anti-Korruptionseinheit habe dem Prüfungsausschuss im Januar und April 2006 berichtet, teilte der seinerzeitige Siemens-Finanzvorstand Neubürger jetzt auf Anfrage mit. Geleitet wurde das Gremium damals von Gerhard Cromme.

Cromme dagegen hat bisher immer behauptet, erst später vom wahren Ausmaß der Unregelmäßigkeiten erfahren zu haben. Der Prüfungsausschuss habe vor November 2006 keine Information erhalten, die auf das Ausmaß der dann bekanntgewordenen Verfehlungen hingewiesen hätte, erklärte Cromme im Mai dieses Jahres.

Kurz zuvor hatte er den bisherigen Aufsichtsratschef Heinrich von Pierer abgelöst. Cromme war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen, ein Siemens-Sprecher erklärte: ,,Cromme treibt die Aufklärung voran''.

In seinem Brief an Neubürger fügte Schäfer im Januar 2006 auch die Papiere der Dresdner Bank an. Demnach waren auf Konten in der Schweiz, auf die der griechische Siemens-Manager Zugriff hatte, von Januar 2001 bis August 2005 insgesamt 37 Millionen Euro eingegangen.

Das Geld stammte von Firmen wie Fiberlite LLC und Kelvin Trust aus Dubai. Das Merkwürdige an der Sache: Der Name Siemens tauchte nach Darstellung der Dresdner Bank in den Kontounterlagen und bei den Überweisungen nicht auf.

Der Grieche habe aber, notierte die Bank, "in einem Gespräch mit uns angegeben, dass die auf seine Konten erfolgten Geldeingänge im Wesentlichen von Siemens stammten''.

Mehrere zehn Millionen Euro von Siemens auf fremden, dubiosen Konten in der Schweiz - das hätte Vorstand und Aufsichtsrat im Januar 2006 eigentlich alarmieren müssen.

Gab es da gut gefüllte schwarze Kassen? Und falls ja, für welchen Zweck? Doch erst zehn Monate später, nach einer Großrazzia der Münchner Staatsanwaltschaft im November 2006, besann sich die Konzernspitze darauf, Hinweisen auf Schwarzgeldkonten energisch nachzugehen. Also erst dann, als der Schmiergeldskandal publik geworden war.

Zuvor war die Verantwortung offenbar hin- und hergeschoben oder nicht genügend wahrgenommen worden. Der Prüfungsausschuss soll es nach Angaben aus Konzernkreisen bei zwei Maßgaben belassen haben: Das Geld aus der Schweiz zurückzuholen und zu klären, wie es dorthin gekommen sei.

Das Resultat der internen Untersuchungen lässt sich im Geschäftsbericht 2006 nachlesen, auf den Siemens verweist: Der Konzern verklagte den Manager aus Athen dort auf Rückzahlung mehrerer Millionen Euro - einen Tag vor der Großrazzia im November.

© SZ vom 03.08.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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