Schwacher Dollar:"Unsere Währung, aber euer Problem"

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Die Talfahrt des Dollars hat sich zuletzt noch beschleunigt und die Erkenntnis ist: Europa muss sich mit dem schwachen Dollar — und dem starken Euro — zunächst einmal abfinden.

Von Nikolaus Piper

Das Leitmotiv der amerikanischen Währungspolitik hat vor über dreißig Jahren John Connally geprägt, der Finanzminister Richard Nixons: "Der Dollar ist unsere Währung, aber euer Problem."

So ist es bis heute geblieben. Amerikas Notenbankchef Alan Greenspan sagte vor gut zwei Wochen in Frankfurt, das Defizit im Außenhandel der Vereinigten Staaten lege einen billigen Dollar nahe - unter Ökonomen eine Selbstverständlichkeit.

Weil der Meister dies aber so unverblümt sagte, signalisierte Greenspan den Spekulanten: Setzt ruhig weiter auf Abwertung, das Geschäft wird die nächste Zeit aufgehen. Seither verfällt der Dollar-Kurs zusehends.

Das Gegenstück zum schwachen Dollar ist der starke Euro: Die Gemeinschaftswährung hat am Dienstag mit 1,3470 Dollar wieder einmal einen Rekord erreicht. Zwar ist sie damit immer noch um gute zehn Cent vom einstigen Höchststand der D-Mark gegenüber dem Dollar entfernt - der hätte einem Euro-Kurs von 1,45 Dollar entsprochen.

Doch das Tempo der Abwertung ist beängstigend: Allein seit Greenspans Frankfurter Rede hat die Währung 3,5 Prozent ihres Wertes verloren. Das klingt bescheiden, ist aber sehr viel für einen deutschen Unternehmer, der seine Waren im Dollar-Raum verkaufen muss.

Die Wirtschaftsverbände führen - zu Recht - bittere Klage, wenn die Arbeitskosten binnen eines Jahres um mehr als drei Prozent steigen. Um wie viel mehr gilt das, wenn die Waren binnen zwei Wochen um so viel teurer werden.

Der Dollar ist zur Belastung für die europäische und besonders die deutsche Wirtschaft geworden. Wann immer in diesen Tagen Konjunkturforscher die Wachstumsprognosen für die Bundesrepublik herabsetzen - gerade waren die Experten der Deutschen Bundesbank an der Reihe -, ist die Hauptursache der schwache Dollar, der die Exporte verteuert und so Wettbewerbsfähigkeit kostet.

Euro-Stärke kostet Wachstum

Wohl wahr: Die Verschiebung der Währungsrelationen hat auch angenehme Seiten. Wäre der Euro nicht so teuer, würden die Deutschen die jüngste Ölpreisexplosion an den Tankstellen und bei der Heizrechnung noch viel stärker spüren, als sie dies ohnehin schon tun. Trotzdem hat der Sachverständigenrat der "Fünf Weisen" ausgerechnet, dass zehn Prozent Dollar-Abwertung ein halbes Prozent Wachstum kosten.

Richtig ist auch, dass sich Porsche, BMW und andere deutsche Exporteure mit den modernen Instrumenten des Kapitalmarkts gut gegen Währungsrisiken versichern können. Nur stoßen diese Instrumente auch an ihre Grenzen, besonders bei einem so hohen Tempo der Veränderung wie zur Zeit.

Was also ist angesichts dieser Risiken im Interesse der deutschen Wirtschaft zu tun?

Die ernüchternde Antwortet lautet: Man kann gar nicht sehr viel tun. Ausgangspunkt des Ungleichgewichts ist der amerikanische Außenhandel.

Der Staatshaushalt in Washington ist hoch defizitär, viele Amerikaner haben ihre Ersparnisse abgebaut, um ihr Konsumniveau zu halten, was einerseits der Weltkonjunktur gut tut, andererseits aber dazu führt, dass derzeit die Vereinigten Staaten rund sechs Prozent mehr konsumieren als produzieren.

Diese Differenz haben in den vergangenen Jahren zu einem erheblichen Teil die chinesische, die japanische und andere asiatische Notenbanken finanziert, indem sie amerikanische Staatspapiere erwarben. Nun gehen sie auf Nummer sicher und schichten ihre Anlagen in Euro-Papiere um - ein entscheidender Faktor bei der Euro-Aufwertung.

Gleichzeitig setzen die Asiaten ihre massiven Interventionen an den Devisenmärkten fort, um so den Aufwertungsdruck auf ihre eigenen Währungen zu bremsen.

Die Europäische Zentralbank (EZB) sollte nicht versuchen, diesen Trend ihrerseits durch massive Dollarkäufe umzudrehen. Schon der Versuch, explizite Wechselkurspolitik zu betreiben, wäre mit erheblichen Risiken behaftet.

Spekulationen die Spitze nehmen

Das größte dieser Risiken läge darin, den Spekulanten zu unterliegen und dadurch dramatisch an Glaubwürdigkeit zu verlieren. Wohl aber sollte die EZB mit dem Instrument der Intervention spielen. Eine Notenbank kann durchaus einmal der Spekulation die Spitze nehmen, indem sie die Spekulanten in Angst versetzt.

Wer auf einen weiter steigenden Euro gewettet hat, kann sehr viel Geld verlieren, wenn die EZB unvermittelt ein paar hundert Millionen Euro auf den Markt wirft. Diese Angst können Notenbanker durch geschickte Wortwahl schüren.

Allerdings scheint es, als übe die EZB auf diesem Feld noch: Erst warnte deren Präsident Jean-Claude Trichet vor "brutalen" Übertreibungen an den Devisenmärkten, dann wurden die Äußerungen aus Frankfurt plötzlich wieder beruhigender. Das passt nicht gut zusammen. Und schließlich sollte die EZB auch die Möglichkeit einer Zinssenkung nicht mehr ausschließen.

Doch unabhängig davon muss sich die deutsche Wirtschaft bis auf weiteres auf einen starken Euro einstellen, auch wenn dies sehr unbequem ist. Ein Trost dabei bleibt, dass die Lage noch viel schwieriger wäre, wenn es noch die D-Mark gäbe. Dank des Euros ist der größere Teil des deutschen Außenhandels gegen Währungsschwankungen geschützt.

© SZ vom 08.12.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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