Schmiergeldsystem in Frankreich:Nicolas Sarkozy deckte Schwarze Kassen

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In der Affäre um Schmiergeldzahlungen an Gewerkschaften richten sich Vorwürfe auch gegen den französischen Staatspräsidenten.

Michael Kläsgen

Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy hat in seiner Zeit als Wirtschafts- und Finanzminister vor drei Jahren mögliche Schmiergeldzahlungen der Metallarbeitgeber an Gewerkschafter gedeckt. Ein Ermittler bestätigte der Süddeutschen Zeitung, dass der in einer französischen Wochenzeitung dargelegte Sachverhalt richtig ist.

Zudem erklärte das Wirtschafts- und Finanzministerium erstmals, 2004 von dubiosen Geschäften beim Metallverband informiert worden zu sein. Die Antigeldwäschebehörde Tracfin, die dem Ministerium untergeordnet ist, bestätigte ihrerseits, von der Großbank BNP Paribas im Mai 2004 kontaktiert worden zu sein.

Der Grund: Das Geldwäschegesetz schreibt Banken vor, Tracfin zu melden, wenn bei einer Filiale auf einen Schlag mehr als 150.000 Euro in bar abgehoben werden.

Im Mai 2004 ließ sich Metallarbeitgeberchef Denis Gautier-Sauvagnac an einem Tag mehr als 300.000 Euro bar in der Pariser BNP-Filiale Haussmann-Saint-Lazare auszahlen. Bereits 1998 hatte die Bank den Mann zur Rede gestellt, weil er jahrelang hohe Beträge abbuchte - doch ohne Erfolg.

Im Jahr 2000 trug Gautier-Sauvagnac 700.000 Euro in einem Koffer aus der Filiale, im Jahr darauf 900.000 Euro, 2002 wieder 700.000, 2003 waren es 600.000. Gautier-Sauvagnac trat im November nach dem Auffliegen der dubiosen Geldgeschäfte von seinem Amt zurück.

Zwei Tage saß er bis vergangenen Donnerstag in Untersuchungshaft. Das Verfahren soll Mitte Dezember beginnen. Es geht es um den Verdacht auf Untreue. Nach mehr als zwei Monaten sind die Vorermittlungen der Staatsanwaltschaft aber noch nicht abgeschlossen.

Druck auf die Fahnder

Die Ermittler fanden heraus, dass zwischen 2000 und 2007 etwa 20 Millionen Euro in bar von Konten des Metallverbandes UIMM abgehoben wurden. An wen das Geld ging, ist unklar. Mit zumindest einem Teil des Geldes soll der Metallverband Gewerkschafter bestochen haben, um deren Unterschrift unter Tarifverträge zu erhalten und Arbeitskonflikte zu vermeiden.

Mehrere pensionierte Arbeitnehmervertreter bestätigten die Existenz des Schmiergeldsystems, fügten aber hinzu, selber kein Geld angenommen zu haben.

Nachdem die Bank BNP-Paribas pflichtgemäß die Geldwäschefahnder unterrichtet hatte, informierte Tracfin wenige Tage später, im Juni 2004, zunächst mündlich das Büro des Wirtschafts- und Finanzministers über die mysteriösen Bargeldgeschäfte. Wirtschafts- und Finanzminister war damals der heutige Staatschef Nicolas Sarkozy, sein Bürochef war Claude Guéant, der heute sein engster Berater im Elysée-Palast ist.

Tracfin erhielt Anweisung, den Fall näher zu untersuchen. Weil auch dies mündlich geschah, kann das Wirtschaftsministerium heute diese Information nicht bestätigen. Offiziell wurde einer Sprecherin zufolge das Ministerbüro "Ende des Jahres" schriftlich in Kenntnis gesetzt.

Nach den Informationen der Wochenzeitung Marianne schickten die Geldwäschefahnder dem Büro Sarkozys im September eine mehrseitige, detaillierte Auflistung mit den Informationen der BNP. Doch das erhoffte grüne Licht, den Fall an die Justiz weiterzuleiten, gab Sarkozys Büro nicht.

Stattdessen schickte es die Liste kurze Zeit später mit einer nicht signierten Bemerkung an die Fahnder zurück, aus der diese folgern mussten, die Sache nicht weiter zu untersuchen. Im November 2004 musste Sarkozy auf Druck des damaligen Präsidenten Jacques Chirac das Ministeramt räumen, weil er den Vorsitz der Partei UMP übernommen hatte.

Sein Nachfolger Hervé Gaymard konnte in der Angelegenheit kaum etwas unternehmen, weil er schon nach wenigen Wochen über eine Dienstwohnungsaffäre stolperte.

Wende nach der Wahl

Dessen Nachfolger, Thierry Breton, duldete die Praxis ebenfalls und gab Tracfin die gleiche Anweisung wie Sarkozy: stillhalten. Der Metallarbeitgeberchef transportierte derweil weiter volle Koffer aus den BNP-Filialen: allein 2005 waren es wieder 700000 Euro.

Erst nachdem es bei Tracfin einen neuen Chef gab, die Präsidentschaftswahlen vorbei waren und Christine Lagarde zur neuen Wirtschafts- und Finanzministerin ernannt worden war, kam wieder Bewegung in die Sache. Nach Auffassung eines Ermittlers lag es an der "angelsächsischen Kultur" der Ministerin, die mehr als 20 Jahre als Anwältin in den USA arbeitete, die Praxis zu unterbinden.

Im September 2006 genehmigte sie im Einverständnis mit dem Elysée, den Fall an die Justiz weiterzuleiten. Das Ministerium bat die Fahnder jedoch, dies in aller Diskretion zu tun. Es musste damit gerechnet werden, dass die Angelegenheit Sarkozy einholen könnte.

Dass weder Sarkozy noch Breton einschritten, könnte daran gelegen haben, dass die Existenz der Schwarzen Kassen in Frankreich kaum jemanden schockiert. Diese habe es seit 1968 gegeben, sagte ein ehemaliger Metallarbeitgeberchef. Daran sei nichts Verwerfliches.

Nach den Unruhen im Mai 1968 hatte der Metall-Verband entschieden, eine Anti-Streik-Kasse aufzubauen, um damit aufgebrachte Arbeiter zu besänftigen. So mag sich auch erklären, warum große Teile von Politik und Wirtschaft Gautier-Sauvagnac bis heute stützen.

© SZ vom 3.12.2007/ckn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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