Schmiergeldaffäre bei Siemens:Der nächste Beschuldigte

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Im Korruptionsskandal bei Siemens gerät jetzt auch die Energiesparte ins Visier der Fahnder. Deren früherer Chef Uriel Sharef saß wie Heinrich von Pierer im Zentralvorstand.

Markus Balser

Die Mission war brisant, doch der Auftrag versprach Millionen. In der Lobby eines Mailänder Luxushotels habe er für die Siemens Energiesparte Power Generation gefeilscht wie auf einem Basar, packte Ex-Manager Heinz V. vor Strafverfolgern im vergangenen Jahr aus. Vier Prozent sollen Emissäre eines italienischen Energiekonzerns im Jahr 2000 für den Zuschlag bei einem Turbinenauftrag gefordert haben.

"Eine absurde Vorstellung", gab der frühere Siemens-Manager zu Protokoll. In Rage brachte ihn allerdings nicht etwa die Forderung selbst, sondern deren Höhe. Üblich, sagte V., sei bei solchen Geschäften in der Branche doch nur ein Prozent gewesen.

Selbst hart gesottene Staatsanwälte staunen inzwischen über so manche Usancen bei Geschäften im Weltkonzern Siemens. Der ehemalige Chef der Energiesparte, Uriel Sharef, gab allerdings im Prozess gegen zwei Mitarbeiter seiner Sparte als Zeuge an, er habe von den Vorgängen zunächst nichts gewusst und erst 2003 aus der Zeitung erfahren.

Inzwischen haben die Fahnder aber offenbar Zweifel daran, dass das Mitglied der Siemens-Chefetage bei dubiosen Geschäften wirklich völlig ahnungslos war. Am Samstag wurde bekannt, dass bei den Korruptionsermittlungen nun auch Sharef als Beschuldigter geführt wird. Christian Schmidt-Sommerfeld, Leiter der Münchner Staatsanwaltschaft, bestätigte das der Süddeutschen Zeitung. "Wir haben die Ermittlungen auf die Sparte Energieübertragung ausgeweitet", sagte Schmidt-Sommerfeld weiter.

Schon seit August hätten Beamte zahlreiche Mitarbeiter der Sparte mit dem Kürzel PTD vernommen, heißt es aus Konzernkreisen. Bei den Untersuchungen solle es unter anderem um Schmiergeldzahlungen nach Südamerika gehen.

Der Druck wächst

Der Druck auf die ehemalige Siemens-Führung wächst. Die Münchner Fahnder weiten ihre Ermittlungen damit über den bisherigen Kern des Korruptionsverfahrens - das Kommunikationsgeschäft - aus. Für den Konzern ist die Personalie brisant, denn Sharef gehörte seit dem Jahr 2000 zusammen mit dem ehemaligen Konzernchef Heinrich von Pierer dem Zentralvorstand an - dem obersten Führungsgremium von Siemens.

Erst als der heutige Siemens-Chef Peter Löscher Ende 2007 den Vorstand von elf auf acht Posten verkleinerte, musste Sharef weichen, er arbeitet aber noch immer als Berater für den Konzern.

Die Affäre frisst sich durch das Unternehmen wie der Krebs durch einen Organismus - selbst Aufsichtsräte wundern sich über die neue Wucht der Ermittlungen. Seit Wochen schon mehren sich Hinweise, dass weitere Manager im Strudel der Affäre untergehen könnten. Neben dem Energiegeschäft hätten interne Ermittler auch in der Medizintechnik, der Verkehrstechnik und bei Industrielösungen dubiose Millionentransfers enttarnt.

In mindestens einem Fall ermitteln bereits Strafverfolger in der Sparte Verkehrstechnik. Für einen Großauftrag aus Venezuela, den Bau der Metro in Maracaibo, sollen über Dubai mehr als 1,5 Millionen Euro Schmiergeld geflossen sein.

Aufsichtsräte interessieren sich nun für die Frage, ob Bestechung in weiten Teilen des Konzerns System hatte? Und wer davon wusste. Je weiter die Ermittler bohrten, um so ungeheurer werde die Affäre, sagt ein Kontrolleur. "Sicher scheint mir im Moment nur eins: Wir sind wohl noch lange nicht am Ende."

© SZ vom 14.04.2008/aho - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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