Schaeffler:Irritiert

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Nach einer Gewinnwarnung in der Nacht zum Dienstag bricht der Aktienkurs des Autozulieferers ein und schürt Sorgen, die ganze Industrie könne vor einem Abschwung stehen. Lobbyisten beruhigen und Schaeffler verspricht ein besseres zweites Halbjahr.

Von Uwe Ritzer, Herzogenaurach

Im Oktober 2015 ging das Unternehmen an die Börse: Maria-Elisabeth Schaeffler-Thumann und ihr Sohn Georg in Frankfurt. (Foto: Ralph Orlowski/Reuters)

Die Wucht der Reaktionen hat sie irritiert. Der Absturz des eignen Aktienkurses um fast 13 Prozent am Dienstag. Der Negativsog, den die Nachricht vom Gewinneinbruch auch auf die Kurse anderer börsennotierter Autozulieferer entwickelte. Vor allem aber die damit einher einsetzende Grundsatzkritik von Branchenbeobachtern, Schaeffler sei zu abhängig von Verbrennungsmotoren und zu langsam in Sachen Elektromobilität. Mit anderen Worten: Zu wenig zukunftsfähig. Reichlich übertrieben finden manche all das in der Zentrale der Schaeffler AG in Herzogenaurach. "Es ist eine beherrschbare Situation", sagt Vorstandschef Klaus Rosenfeld.

Ein Schock für Anleger, Branche und Öffentlichkeit war es allerdings, als der Hersteller von Wälzlagern und Antriebssystemen in der Nacht zum Dienstag völlig überraschend sein Renditeziel für das laufende Jahr von ursprünglich zwölf bis 13 Prozent des operativen Umsatzes auf elf bis zwölf Prozent nach unten korrigierte. Man reagiere damit auf eine "deutlich schwächere Ergebnisentwicklung im zweiten Quartal", so Schaeffler in einer Pflichtmitteilung an der Börse.

Dabei hatte der fränkische Familienkonzern, der drei Viertel seiner zuletzt 13,4 Milliarden Euro Jahresumsatz im Automobilgeschäft erwirtschaftet, noch am 11. Mai von guten Geschäften in den Monaten Januar bis März berichtet. 5,4 Prozent mehr Umsatz, zehn Prozent mehr Nettogewinn - "wir sind gut in das neue Jahr gestartet", sagte ein entspannter Rosenfeld.

Intern gab es zu diesem Zeitpunkt bereits erste Anzeichen dafür, dass das Frühjahr schwierig werden könnte. Im April, vor allem aber im Mai entwickelte sich der Umsatz sehr schwach; auch die Ergebnisse waren schlechter als erwartet. Eine Folge dessen, dass Schaeffler für Neuwagenserien deutlich weniger produzierte. Hinzu kamen massive Anlaufschwierigkeiten in einem neuen Distributionslager, wodurch das sonst margenstarke Ersatzteilgeschäft zeitweise erheblich ins Stocken geriet. Und dann waren da noch unerwartet hohe Musterkosten. Für zahlreiche Prototypen-Teile bevorzugt für Elektroautos, die Schaeffler günstig zu Testzwecken Kunden in der Automobilindustrie überließ.

Auch schlugen - verglichen mit dem Vorjahr und den ersten drei Monaten 2017 - höhere Forschungs- und Entwicklungskosten in Sachen Elektromobilität durch. Sechs Prozent vom Umsatz, statt wie zuletzt fünfeinhalb, gab Schaeffler dafür im zweiten Quartal aus. Und schließlich schlugen Vorleistungen für neue Produktserien zu Buche, die im zweiten Halbjahr auf den Markt kommen.

So braute sich nach und nach einiges zusammen. Was allerdings die heftigste Reaktion auslöste, war eine andere Erklärung des Unternehmens für die Misere. Von "erhöhtem Preisdruck" bei "gleichzeitig zunehmenden Kosten" im Geschäft mit den Autobauern war die Rede. Das betreffe die gesamte Zulieferindustrie, fügte Schaeffler-Vorstandschef Rosenfeld hinzu.

Es spricht einiges dafür, dass die Probleme in Herzogenaurach hausgemacht sind

Plötzlich war sie da und allgegenwärtig, die Sorge nämlich, das Automobilgeschäft könnte insgesamt vor einem Abschwung stehen und mehr Zulieferern Problemen bereiten als nur Schaeffler. In der Branche selbst allerdings wunderten sich viele über die Klagen aus Herzogenaurach. Preisdruck sei für Zulieferer schließlich nichts Ungewöhnliches und er habe zuletzt auch nicht zugenommen, sagen Branchenvertreter. Und Anzeichen für ein Abflauen der Automobilkonjunktur gibt es auch nicht. "Die Rahmendaten stimmen, der Automobil-Weltmarkt ist auf Wachstumskurs", sagte ein Sprecher des Branchenverbandes VDA und warnte: "Es wäre verkehrt von einzelnen Unternehmensnachrichten auf die Situation der gesamten Branche zu schließen."

Mit anderen Worten: Die Schaeffler-Probleme sind hausgemacht.

Dafür spricht auch, dass andere große Autozulieferer, deren Aktienkurse durch die Nachrichten aus Herzogenaurach mit nach unten gezogen wurden, keineswegs über größere Probleme klagen. Continental etwa, wo ebenfalls Maria-Elisabeth Schaeffler-Thumann und ihr Sohn Georg die Hauptaktionäre sind, hob erst im Mai die Prognose an. Kabelhersteller Leoni meldete zuletzt ebenso gute Geschäfte wie der Sitzhersteller Grammer oder Hella, Spezialist für Elektronik und Licht im Auto. Die Preisdruck-Probleme von Schaeffler resultieren vor allem daraus, dass es dem Unternehmen im zweiten Quartal nicht gelang, mit mehr Effizienz in der Produktion Preisrückgänge zumindest auszugleichen.

Nun soll im zweiten Halbjahr wieder alles besser werden. Die Produktion soll wieder effizienter werden, hinzu kommen neue Modellreihen diverser Automarken, die dafür von Schaeffler Antriebssysteme, Wälzlager und Teile für Motoren und Getriebe einkaufen. Darunter sind aber auch acht große Serienaufträge für Elektroautos, die Ende 2017 anlaufen und mit denen Schaeffler mehr als eine Milliarde Euro Umsatz generieren will. Weshalb man dort die Kritik, man hinke in Sachen Elektromobilität hinterher, für absurd hält.

"Natürlich hängen unsere Umsätze heute sehr stark am Verbrennungsmotor", so Rosenfeld. "Das Thema Elektromobilität sehen wir aber als eine unserer Zukunftschancen." Mit besagten acht Serienaufträgen sei man "gut positioniert." Und Schaeffler werde weiter mit "in diesen Bereich investieren. Wenn es sein muss auch schneller." Der Aktienkurs zumindest hat sich am Mittwoch stabilisiert.

© SZ vom 29.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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