Rubel-Krise in Sankt Petersburg:Russen fliehen in Metro-Münzen

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Mehr als zwei Millionen Menschen nutzen die Metro in Sankt Petersburg am Tag - sie müssen vorher eine Münze für die Fahrt kaufen. (Foto: Kirill Kudryavtsev/AFP)
  • Russlands Bevölkerung sucht wegen des Fall des Rubels nach sicheren Investitionen - etwa in U-Bahn-Münzen.
  • In Sankt Petersburg werden normalerweise täglich 15 000 dieser Münzen verkauft. Nun sind es bis zu 100 000 pro Tag.

Von Julian Hans, Moskau

Eine garantierte Wertsteigerung um zehn Prozent von einem Tag auf den anderen - welche Anlage kann das schon versprechen? Die Stadt Sankt Petersburg hat es leichtfertig getan und damit einen Ansturm von Klein- beziehungsweise Kleinst-Anlegern ausgelöst. Sie sollen teilweise Stunden angestanden haben, um an den Kassen der Metro Fahrtmünzen zu erwerben, berichteten örtliche Medien am Wochenende. Vom 1. Januar an kostet eine messingfarbene Münze mit dem charakteristischen "M" statt 28 Rubel 31 Rubel (umgerechnet 50 Cent).

Nachdem der Rubel über das Jahr etwa 40 Prozent seines Wertes gegenüber Dollar und Euro verloren hatte und zuletzt an einem Tag um zehn Prozent abgesackt war, suchen die Menschen in Russland Sicherheit in Sachwerten. Wer es sich leisten konnte, investierte seine Ersparnisse in Immobilien, Autos, Fernseher, Kühlschränke. Menschen mit kleinen Einkommen oder Renten kauften lang haltbare Grundnahrungsmittel wie etwa Buchweizen oder getrocknete Erbsen und Linsen.

Tauschwert: Mobilität

Zwar hat sich der Rubel von seinem tiefsten Absturz Mitte Dezember inzwischen erholt, viele Wechselstuben bieten aber nach wie vor sehr ungünstige Kurse an. Ein Grund für viele Petersburger, in eine andere harte Währung zu flüchten, deren Tauschwert klar ist - Mobilität. Der Ansturm war so groß, dass die Fahrbetriebe den Verkauf zwischenzeitlich auf eine Münze pro Person rationieren mussten. Normalerweise werden in Russlands zweitgrößter Stadt täglich rund 15 000 U-Bahn-Münzen verkauft. Seit Anfang Dezember aber waren es zwischen 80 000 und 100 000 pro Tag.

Der Ansturm rief auch die Staatsanwaltschaft auf den Plan, die nach Überprüfung der Bücher nur feststellen konnte, dass Bürger bereits Anfang des Monats angefangen hatten, die Münzen zu horten. Da ein Defizit an Münzen drohte, den Verkehr mit der U-Bahn zu beeinträchtigen, die täglich mehr als zwei Millionen Fahrgäste befördert, ließ die Betreibergesellschaft kurzfristig eine Million zusätzliche Münzen prägen.

© SZ vom 29.12.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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