Robocar:Software auf Rädern

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Ein Publikumsmagnet: Der Prozessorenentwickler Nvidia präsentierte auf der Elektronikmesse CES in Las Vegas im Januar einen Robocar. (Foto: Gene Blevins/imago/ZUMA Press)

Die Rennserie Roboraces hat alles, was es braucht: zukunftsweisende Technik, Rasanz und Spannung - nur keine Fahrer. Beobachter schließen nicht aus, dass sie irgendwann die klassische Formel 1 verdrängen könnte.

Von Kathrin Werner, Detroit

Der Rennwagen ist froschgrün und reicht noch nicht einmal bis zur Hüfte. Er ist 975 Kilogramm leicht, seine Taille ist schmal, die Schnauze lässt den Fahrtwind durch zwei riesige Nüstern hindurchfließen. Ein Mensch hat keinen Platz in dem Robocar, Menschen braucht das Auto sowieso nicht, es fährt sich selbst - und zwar 320 Stundenkilometer schnell.

Erste Roboter-Rennen sind dieses Jahr in Rom, Paris, Berlin und Zürich geplant

Ein paar Testrennen vor Publikum haben das selbstfahrende Rennauto und sein Vorgängermodell, das noch ein Pilotencockpit hat, bereits absolviert, etwa im vergangenen Sommer in Brooklyn. In diesem Jahr soll es seine ersten großen Auftritte haben, es soll richtig losgehen mit den so genannten Roboraces, der ersten Rennserie für autonome Autos. Vier Roboterrennen sind geplant, in Rom, Paris, Berlin und Zürich, wenn auch die Elektroauto-Rennserie Formula-E in die Städte kommt. Entwicklerteams der Technischen Universität München treten in Berlin an, die Universität Pisa zeigt in Rom den Stand der Technik.

Die Roboraces sind keine Wettrennen zwischen den besten Fahrzeugen, alle Teams fahren mit dem gleichen flachen, fahrerlosen Robocar mit seinen zwei Radargeräten, sechs Kameras und fünf Lasersensoren, Lidar genannt. Die Roboraces sind Wettbewerbe der Programmierer. Ziel ist es vielmehr, die beste Software für das Auto zu schreiben, damit es so schnell und effektiv wie möglich über die Rennstrecke rasen kann. Die Technik sei allerdings schon jetzt so gut, dass es auf die Dauer langweilig werde, nur im Kreis über bekannte Rennstrecken zu fahren, sagt Bryn Balcombe, der Technikvorstand von Roborace. Deshalb will er die Strecken anspruchsvoller machen und den Alltag auf der Straße simulieren.

Es soll Hindernisse wie andere Verkehrsteilnehmer oder geparkte Lastwagen geben, die die Computerprogramme automatisch erkennen und umschiffen müssen. "Das macht die Technik relevanter für das Publikum und definitiv auch für die Industrie", sagt Balcombe. Auch Rennen zwischen Mensch und Maschine sind denkbar - allerdings dürften menschliche Fahrer schon bald keine Chance mehr gegen die Software haben, glaubt der Brite, der 16 Jahre lang für Formula One Management gearbeitet hat, die Firma, die für die kommerzielle Verwertung der Rennserie Formel 1 zuständig ist.

Autonomes Fahren und Sicherheit - das sind heute die Themen der Industrie

Autobauer, Sensorenhersteller und Versicherungskonzerne hätten großes Interesse an den autonomen Rennen, sagt er. Einer der Hauptsponsoren ist die Allianz. Das liege daran, dass Roborace eine Lücke fülle. "Der Fokus beim traditionellen Motorsport liegt auf den Fahrern, auf ihren Talenten und ihren Grenzen", sagt Balcombe. "Die Grenzen der Technik lotet er schon lange nicht mehr aus." Die Rennwagen dürfen nicht mehr schneller werden, weil sie sonst zu gefährlich für die Fahrer werden.

Wenn aber die Wagen zu viel selbst können, spielt das Talent der Fahrer eine schrumpfende Rolle, was nicht im Interesse des Sports ist. "Die Motorsporttechnik ist schon seit den 90er-Jahren nicht mehr an der Spitze der Autotechnik", sagt Balcombe. "Darum hat sie die Bedeutung für die Entwicklungsabteilungen der Autobauer verloren."

Während früher viele der Erfindungen aus dem Motorsport nach wenigen Jahren zum Alltag in den Autos auf der Straße wurden, beschäftigen sich die Ingenieure der großen Autokonzerne inzwischen hauptsächlich mit Technik, die in Rennwagen verboten ist: Fahrerassistenzsysteme, Sicherheits- und Kommunikationstechnik und Software aller Art. "Wir starten eine Rennserie mit Technik, die in drei bis fünf Jahren tatsächlich in Autos eingebaut werden kann und darum größere Bedeutung hat", sagt Balcombe.

Nicht nur die Autoindustrie, auch Regierungen interessieren sich immer weniger für die Formel 1 oder anderen herkömmlichen Rennsport und investieren weniger. Autonomes Fahren und die Sicherheit des fahrerlosen Verkehrs dagegen interessieren Gesetzgeber sehr. Viele der alten Rennstrecken, etwa der Lausitzring südlich von Berlin, einst subventioniert vom Land Brandenburg, werden umgebaut. Aus dem Lausitzring macht die deutsche Prüfgesellschaft Dekra gerade ein Testzentrum für automatisiertes und vernetztes Fahren.

Roborace ist ein Start-up, der Unternehmenssitz ist London. Die Firma, gegründet 2015 und finanziert von britischen Wagniskapitalgebern, baut die Technik nicht selbst, sondern organisiert die Rahmenbedingungen. "In unserem Kern sind wir eine Unterhaltungsfirma", sagt Balcombe. Das Robocar hat der deutsche Fahrzeugdesigner Daniel Simon entworfen, der auch Autos für Science-Fiction-Filme wie "Captain America" gestaltet hat.

Am Anfang hatten die Roborace-Gründer Zweifel, ob sich Menschen je dafür interessieren würden, Roboter beim Wettkampf zu beobachten. Aber dann entwickelten sich selbstfahrende Autos zum Trendthema, sagt Balcombe. "Wir zeigen Technik, die bald Teil unseres Alltags sein könnte. Und vielleicht helfen wir dabei, dass die Leute lernen, der Technik mehr zu vertrauen."

© SZ vom 08.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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