Revision im Mannesmann-Prozess:Unruhe auf der Anklagebank

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Der Bundesgerichtshof hat Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Millionenprämien bei Mannesmann.

Daniela Kuhr

Es dauerte nur wenige Minuten, bis sich erstmals Unruhe auf Seiten der Verteidiger breit machte.

Es war der Moment, als der Vorsitzende Richter Klaus Tolksdorf plötzlich die Frage stellte: "Aber verletzen die Angeklagten ihre Vermögensbetreuungspflicht nicht allein dadurch, dass sie ohne Kompensation eine Prämie gewähren?"

Spätestens da war klar: Der dritte Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat Zweifel.

Zweifel an der Rechtmäßigkeit der 15 Millionen Euro, die Konzernchef Klaus Esser bei der Übernahme von Mannesmann durch Vodafone im Frühjahr 2000 erhielt - und damit auch Zweifel am Verhalten des Aufsichtsratspräsidiums, das die Prämie beschlossen hatte.

Die Freisprüche der sechs Angeklagten, so viel scheint festzustehen, sind ernsthaft gefährdet. Seit Donnerstag morgen verhandelt der Bundesgerichtshof über die Revision in Sachen Mannesmann.

Das Landgericht Düsseldorf hatte im Juli vergangenen Jahres nach 37 Verhandlungstagen alle sechs Angeklagten, darunter Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann und Ex-IG-Metall-Chef Klaus Zwickel, für unschuldig erklärt.

Ohne Anreizwirkung

Sie hätten zwar gegen das Aktienrecht verstoßen, als sie damals Prämien in Höhe von insgesamt 60 Millionen Euro verteilten. Strafbar hätten sie sich aber nicht gemacht, meinte das Gericht. Diese Entscheidung überprüft nun der BGH. Eine Beweisaufnahme gibt es dort nicht, doch diverse Rechtsfragen gehen die Richter Punkt für Punkt durch.

Wer ein wegweisendes Urteil zu den Vergütungen von Managern erwartet hatte, wurde allerdings gleich zu Beginn der Sitzung enttäuscht. Der Vorsitzende Richter Tolksdorf stellte klar: "Wir werden keine grundsätzlich neuen Antworten auf die Frage geben, ob das Strafrecht der Vergütung von Managern Grenzen setzt.

Auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung kann kein Zweifel bestehen, dass diejenigen, die über die Vergütung von Vorständen entscheiden, ein äußerst weites Ermessen haben." Bis dahin wirkten die Verteidiger noch völlig entspannt. Doch dann kam der Satz mit der Vermögensbetreuungspflicht, und spätestens da kippte die Stimmung.

Die Richter stören sich vor allem daran, dass die Millionenprämie für Esser im Nachhinein beschlossen wurde und keinerlei Anreizwirkung für die Zukunft ausüben konnte.

Als das Präsidium über die Prämie entschied, stand bereits fest, dass Esser das Unternehmen verlassen und Mannesmann sehr bald in Vodafone aufgehen wird. "Ich hätte keine Schwierigkeiten, wenn am Anfang eines Dienstverhältnisses gesagt wird, wir vereinbaren eine Erfolgsprämie", meinte Tolksdorf.

Aber im Nachhinein? Er verglich sie mit einem "Geschenk". Und auch der Berichterstatter des Verfahrens, BGH-Richter Gerhard von Lienen, wies darauf hin: "Es gab einen Dienstvertrag, und da war eine Prämie eben nicht vereinbart."

"Man kann die Dinge halt nicht vorhersehen", murmelte an dieser Stelle der Pressesprecher der Deutschen Bank im Zuschauerbereich. "Was hat denn das noch mit Marktwirtschaft zu tun?", kommentierte er die Überlegungen der Richter.

Die Verteidiger mussten nachlegen, so viel war klar. Wieder probierten sie es mit den außerordentlichen Verdiensten von Esser während der Übernahme, und wie erfolgreich er den Aktienkurs von Mannesmann gesteigert habe.

Lienen blieb dabei: "Für mich hatte das Unternehmen einfach Riesenglück, einen Mann wie den Dr. Esser zu haben, der hervorragende Leistungen brachte." Und in Richtung Verteidigung fügte er hinzu: "Sie sind offenbar der Meinung, dass im Wesentlichen der Aufsichtsrat entscheidet, was im Unternehmensinteresse liegt. Das entspricht natürlich nicht der Rechtsprechung, das wissen sie sicher."

Die Verhandlung dauerte bis zum Abend, was höchst ungewöhnlich ist, da Revisionen beim BGH normalerweise nur ein bis zwei Stunden dauern. Doch vorsichtshalber hatte der Senat gleich zwei Verhandlungstage anberaumt.

© SZ vom 21.10.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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