Retro-Marketing:Wenn aus alt neu wird

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Alles kommt wieder: Retro ist nicht nur in der Mode, sondern auch in der Werbung angesagt.

Jan Mallien

McDonald's legt eine Werbekampagne aus den 70er-Jahren neu auf und hat hierfür einen Wettbewerb beim Netzwerk MySpace gestartet. Die Sorgen der Konsumenten sind heute ähnlich wie damals.

Der BigMac wird 40, sein neuer alter Werbespot kommt aus dem Jahr 1974. (Foto: Foto: ddp)

Das Ergebnis war eindeutig: Mit 47 Prozent der Stimmen setzte sich Jason Harpers Rapversion als Melodie für die neue Big-Mac-Werbekampagne durch. Sein Song erinnert ein bisschen an amerikanische Gangsterfilme. Eingeleitet von einem Scratchbeat ertönt in kurzer Abfolge: "Two all beef patties, special sauce, lettuce cheese, pickles, onions, on a sesame-seed bun." Im Hintergrund wiederholt ein Chor immer wieder den aufdringlichen Big-Mac-Refrain.

Zum 40. Geburtstag des berühmten Burgers hatte Mc Donald's einen Wettbewerb ausgelobt, bei dem es galt, einen Werbetext zu vertonen. Bemerkenwert war einerseits, dass der uralte Text für die neue Werbekampagne bereits aus dem Jahr 1974 stammt. Die zweite Kuriosität bestand darin, dass ausgerechnet die Nutzer von MySpace über die Melodie des neuen Werbesongs entscheiden sollten.

MySpace ist ein soziales Netzwerk im Internet, das seinen Mitgliedern ermöglicht, eigene Profile anzulegen. Weltweit hat das Medium rund 235 Millionen Mitglieder, von denen die allermeisten 1974 noch gar nicht das Licht der Welt erblickt hatten.

Dennoch ist McDonald's kein Einzelfall, wie die New York Times jetzt berichtete. Auch Konkurent Burger King ("Have it your way") und der Finanzkonzern Citigroup ("Citi never sleeps") versuchen, durch altbewährte Werbesprüche zu punkten.

In Deutschland setzt Müller-Milch auf den Retro-Trend. Nach Annemarie Wendl, bekannt als nervige Hausmeisterin Else Kling aus der Lindenstraße, und "Superstar" Dieter Bohlen hat die Molkerei kürzlich zwei Urgesteine der Kaffee Werbung für einen neuen Spot reaktiviert. Am Kühlregal trifft "Melitta- Mann" Egon Wellenbrink auf Bruno Maccallini, den Angelo-Darsteller aus der Nescafé-Werbung ("Isch 'abe gar kein Auto").

Bedürfnis nach Halt

Warum werden die längst totgeglaubten Werbespots und -slogans reaktiviert? "Es besteht kein Zweifel, dass das Konsumentenvertrauen zur Zeit etwas wakelig ist und es ein Bedürfnis nach Halt und Sicherheit gibt", sagte die Kommunikationsexpertin Kendra Gale der New York Times.

Ein genauerer Blick zeigt: Es gibt Parallelen zwischen der Wirtschaftssituation damals und heute. Auch 1974 machte ein hoher Ölpreis den Konsumenten zu schaffen, und auch damals befand sich die Inflationsrate auf hohem Niveau. Der damalige republikanische US-Präsident Richard Nixon war ähnlich unpopulär wie es heute sein Amtskollege George W. Bush ist. Erklärungen für den Retro-Trend liefert aber nicht nur der Blick ins Geschichtsbuch.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, welche unterschiedlichen Retro-Formen es in der Werbung gibt.

Für den Wuppertaler Marketing-Professor Tobias Langner ist vor allem das positive Image der 70er-Jahre wichtig. Jugendliche bewunderten die Unbeschwertheit von damals, die in deutlichem Gegensatz stehe zu der sehr früh stattfindenen Zielorientierung heute. Bei der älteren Generation wecke die Retro-Werbung hingegen auch erlebte Erinnerungen - die emotionale Komponente wird stärker.

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Langner unterscheidet zwischen zwei Arten der Retro-Werbung. Auf der einen Seite gibt es viele kurzfristige Retro-Kampagnen, durch die den Kunden verschiedene Merkmale wie Zuverlässigkeit und Erfahrung signalisiert werden sollen. In selteneren Fällen kommt es jedoch auch vor, dass der Retro-Aspekt als langfristiger und zentraler Kern der Markenpositionierung verstanden wird. Ein Beispiel hierfür sei der Fiat 500. Bei dem Kleinwagen wurde die ursprüngliche Form und Funktion beibehalten, um bei den Kunden alte Emotionen und Erinnerungen wachzurufen.

Durch den Wettbewerb auf MySpace wird aber nur ein kleiner Teil der Zielgruppe angesprochen, meint Langner. Er hält diese Form der Teilnahme dennoch für wichtig, weil sie es ermöglicht, eine besonders engagierte Kundengruppe direkt anzusprechen. Die klassische Werbung ersetzen könne sie aber nicht.

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