Rekordjahr 2017:Konzerne im Glück

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Mehr Mitarbeiter, mehr Umsatz, mehr Gewinn: 2017 war für die deutschen Unternehmen ein Rekordjahr. Die Zukunft könnte nicht mehr ganz so rosig aussehen.

Von Caspar Busse, München

Ziemlich viel ist für die deutschen Unternehmen im vergangenen Jahr ziemlich gut gelaufen: Deutsche Produkte waren weltweit nach wie vor sehr gefragt, der relativ schwache Euro wirkte wie ein kleines Konjunkturprogramm, von größeren Verwerfungen blieb die deutsche Wirtschaft verschont. Das ist in den Zahlen fast aller großen börsennotierten Firmen abzulesen: Umsatz, Gewinn und Zahl der Mitarbeiter sind gestiegen. Es war ein Rekordjahr, stellen die Experten der Wirtschaftsprüfer- und Beraterfirma EY fest. Aber wird das auch 2018 so sein?

2017 jedenfalls lief es gut. "Von den hundert umsatzstärksten Unternehmen schafften 76 einen Gewinnanstieg, sogar 84 konnten ihren Umsatz erhöhen", teilt Mathieu Meyer, Mitglied der Geschäftsführung bei EY, mit. Bemerkenswert sei, dass die Entwicklung branchenübergreifend positiv sei und praktisch alle Sektoren am Aufschwung partizipierten. Den Zahlen zufolge erhöhte sich der Gesamtumsatz der hundert umsatzstärksten börsennotierten Konzerne in den ersten drei Quartalen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um knapp sieben Prozent auf 1,25 Billionen Euro. Der Gewinn stieg sogar noch stärker: um 21 Prozent auf knapp 109 Milliarden Euro, damit verbesserte sich auch die Profitabilität. Nur ganz wenige Konzerne haben mit eigenen Problemen zu kämpfen, wie die Deutsche Bank, die auch für 2017 wieder einen Verlust erwartet, oder die Energieunternehmen.

Dabei legte auch die Zahl der Mitarbeiter zu, um durchschnittlich 3,5 Prozent. Größter privater Arbeitgeber in Deutschland ist nach wie vor VW, vor der Deutschen Post und Siemens. Die zehn größten Firmen beschäftigen allein weltweit 2,9 Millionen Menschen (Grafik). Viele suchen Mitarbeiter. Siemens hatten zuletzt den Abbau von knapp 7000 Jobs weltweit in der Kraftwerkssparte bekannt gegeben, gleichzeitig werden aber in anderen Bereichen mehr neue Arbeitsplätze geschaffen. Lufthansa zum Beispiel hat mitgeteilt, dass 2018 mehr als 8000 neue Mitarbeiter eingestellt werden. Die Airline profitiert auch von dem Aus des Konkurrenten Air Berlin.

Von der guten Lage der Weltkonjunktur dürften die deutschen Konzerne auch 2018 profitieren, die Prognosen sind jedenfalls zuversichtlich. Doch es gibt Gefahren. "Die Unsicherheit in der Weltwirtschaft nimmt weiter zu, insbesondere, was die politischen Rahmenbedingungen angeht", sagt Sascha Haghani von der Beratungsfirma Roland Berger, er ist Geschäftsführer für den deutschsprachigen Raum und Leiter des Restrukturierungsgeschäfts. Als Beispiele nennt er die Handelspolitik von US-Präsident Donald Trump, der möglicherweise noch stärker auf Abschottung setzt. Die Sorgen der deutschen Industrie seien nach wie vor groß, sagte am Mittwoch auch Dieter Kempf, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI).

Dazu kommen der Krieg in Syrien, die Konflikte mit Russland und Iran, die nach wie vor ungeklärten Modalitäten des EU-Ausstiegs von Großbritannien. Belastend seien auch die Verhandlungen über eine Regierungsbildung in Berlin. "In Deutschland befinden wir uns in der Warteschleife. Dieser Stillstand ist unerträglich für ein dynamisches Land wie Deutschland", sagt Haghani. "Dass die Parteien keine Regierung hinbekommen in einer so wichtigen Zeit, das ist ja fast Sabotage am Wirtschaftsstandort Deutschland", hatte vor einigen Wochen Bitkom-Chef Achim Berg kritisiert. "Es existiert eine Multi-Problemlage, die für Unternehmen nur sehr schwer einzuschätzen ist. Die potenziellen Bedrohungen kommen von vielen Seiten", stellt Berater Haghani fest.

Die Planung sei dadurch sehr schwierig, die kurzfristigen Schwankungen würden zu einer neuen Disziplin zwingen. "Eine Drei-Jahresplanung zum Beispiel halte ich für fast schon visionär und unrealistisch in der heutigen Zeit", meint Haghani. Es sei wie mit dem Wetter: "Es gibt nicht nur immer Sonne, sondern man muss auch einen Regenschirm und einen Pulli griffbereit haben. So sollten auch Unternehmen handeln." Fast alle Firmen würden etwa finanzielle Reserven bilden, um gegen kurzfristige Krisen gewappnet zu sein oder an Alternativplänen arbeiten, wenn sich das Umfeld ändern sollte.

Die traditionellen Branchen sind das Rückgrat der deutschen Wirtschaft

Hinzukomme der Druck durch die Digitalisierung in fast allen Branchen. Viele müssten das Geschäftsmodell umbauen. Führend sind in der Digitalbranche nicht deutsche Unternehmen, sondern die großen Anbieter aus den USA. "Wir dürfen uns nicht auf den aktuellen Erfolg traditioneller Industriebranchen verlassen, sonst könnte der aktuelle Boom schnell vorbei sein", warnt EY-Experte Meyer. Bislang sei es noch immer so, dass gerade in Deutschland traditionelle Bereiche das (noch sehr erfolgreiche) Rückgrat der Wirtschaft bildeten. Insgesamt 57 der hundert größten deutschen Unternehmen stammen den EY-Zahlen zufolge aus den klassischen Industriebranchen wie Maschinen- und Automobilbau sowie Bergbau, Chemie und Energieversorgung. IT, Medien oder Telekommunikation seien zusammen nur mit elf Firmen vertreten.

Deutlich hintendran sind die deutschen Unternehmen bei der Börsenbewertung, sie liegen weit hinter denen aus den USA und China. Nur ein halbes Dutzend deutsche Firmen rangiert unter den hundert wertvollsten der Welt.

© SZ vom 18.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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