Regiogeld:Konkurrenz für den Euro

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Mittlerweile sind in Deutschland zwölf Regionalwährungen im Umlauf. Sie nutzen vor allem einer Gruppe: den Initiatoren.

Von Christina Amann

Chiemgauer sind bei der Bäckereikette Miedl ziemlich beliebt, und das gleich in zweifacher Hinsicht: Die Verkäuferinnen freuen sich nicht nur, wenn Kunden aus der Region rund um den Chiemsee bei ihnen einkaufen, sondern auch, wenn diese mit der Regionalwährung, dem Chiemgauer, bezahlen.

Ersatzdevisen wie der Chiemgauer sind auch in Bremen, Berlin, Wolfratshausen, Gießen oder Kiel im Umlauf. (Foto: Foto: AP)

Das bunt bedruckte Zahlungsmittel ist nur eine von mittlerweile zwölf deutschen Regionalwährungen, so genannten Regios, die in Deutschland inzwischen im Umlauf sind.

Herausgeber der Regionalwährungen sind meist Bürgerinitiativen. Klaus Starke vom Regionetzwerk, dem Dachverband der Bürgerinitiativen, erklärt die Idee hinter den Projekten so: "Wir wollen geschlossene Wirtschaftskreisläufe etablieren und die Wirtschaft vor Ort fördern". So würden auch Arbeitsplätze erhalten.

Stattliche Gebühren

Experten stellen jedoch in Frage, dass Lokalwährungen bei der Förderung von Regionen tatsächlich von großem Nutzen sind. Gerhard Rösl von der volkswirtschaftlichen Abteilung der Bundesbank bezweifelt, dass Firmen, die daran teilnehmen, langfristig profitieren können.

Kurzfristig könnten sie zwar von einem Umsatzschub profitieren, weil die Regios als Werbung genutzt würden und zunächst die Kundenbindung stärkten. Die positive Wirkung lasse aber bald nach. Außerdem dürfte es einem Geschäftsinhaber ziemlich egal sein, ob seine Waren mit Chiemgauern oder mit Euro bezahlt werden -- seine Existenz ist nur gesichert, wenn Kunden bei ihm einkaufen.

Überdies sind Regionalwährungen laut Rösl ziemlich teuer und nutzten vor allem den Initiatoren: Diese kassieren in der Regel stattliche Gebühren, sowohl bei der Ausgabe der Scheine als auch beim Rücktausch in Euro. Doch das ist nicht der einzige Nachteil. Das bisher in Deutschland im Umlauf befindliche Regionalgeld ist als "Schwundgeld" konzipiert.

Das bedeutet: Eine Inflation von bis zu zwölf Prozent wird automatisch eingerechnet -- im Vergleich dazu verlor der Euro zuletzt pro Jahr weniger als zwei Prozent an Kaufkraft.

Der Wertverlust soll nach Auskunft von Initiator Starke Nutzer dazu anhalten, das Geld schnellstmöglich auszugeben, um den Wertverlust gering zu halten. "Den letzten beißen die Hunde", hält Rösl dem entgegen. Er mahnt zur Vorsicht. "Zumindest ein Teil der Geldhalter dürfte nicht darüber aufgeklärt sein, wie teuer und instabil ein solches System letztlich ist."

Mehr Gutschein als Geld

In der Konzeption bedienen sich die Initiatoren der Regionalwährungen bei dem belgisch-argentinischen Ökonomen Silvio Gesell (1862 - 1930), der als Grundübel der Wirtschaft das Horten von Geld ansah, ein Effekt der durch die Verzinsung der Guthaben bei der Bank noch verstärkt werde.

"Die Theorie hat sich überlebt, weil es das Horten wie vor hundert Jahren nicht mehr gibt", sagt Mathias Binswanger von der Fachhochschule Solothurn in der Schweiz. Eine stärkere Konkurrenz zum Euro sei nach Rösls Ansicht Regionalgeld ohne Schwundeffekt. Solche Vorhaben sollen in Saarbrücken und in Delitzsch-Eilenburg (Sachsen) verwirklicht werden.

Noch ist die Summe des ausgegebenen Regionalgelds mit rund 100.000 Euro in Deutschland eher gering. Die Bundesbank sieht derzeit keine Gefahr für den Euro und geht nach Auskunft eines Sprechers nicht gegen die Regio-Initiativen vor.

"Nur bei einer sehr stark zunehmenden Verbreitung solcher Währungen könnte es zu einer Störung der Notenbankpolitik kommen, da in diesen Verbünden Geldschöpfung stattfindet."

Gesetzlich sei die Ausgabe von "Nebengeld" verboten, wenn dieses anstelle des Euro verwendet werden kann.

"Es sind immer die gleichen, die damit zahlen"

Regionalgeld müsse als Gutschein gekennzeichnet sein und dürfe nur eingeschränkt als Zahlungsmittel verwendet werden. Das Interesse an Regionalwährungen wird jedoch nach Ansicht Rösls weiter wachsen. Der Experte rechnet in einigen Jahren mit deutlich mehr Initiativen in Deutschland.

Die Akzeptanz der Ersatzwährungen in der Bevölkerung scheint jedoch begrenzt, das zeigen erste Erfahrungen mit dem Chiemgauer. So wächst zwar die Zahl der Geschäfte, die die Ersatzwährung annehmen, nicht aber die Zahl der Kunden, die damit einkaufen: "Es sind immer die gleichen, die seit einem Jahr bei uns mit Chiemgauern zahlen", meint eine Mitarbeiterin der Bäckerei Miedl.

Die Herausgeber des Chiemgauers, eine Gruppe von Schülern der örtlichen Waldorfschule mit ihrem Wirtschaftslehrer und der dazu gehörende Verein, können sich dennoch über eine ansehnliche Rendite ihres Projektes freuen.

Insgesamt verdient der Verein pro Jahr und ausgegebenem Chiemgauer bis zu elf Cent: Fünf Cent Gebühr beim Rücktausch in Euro, bis zu sechs Cent Schwund. Zusätzlicher Gewinn fällt an, wenn Chiemgauer nicht in Euro zurückgetauscht werden.

Die Einnahmen des Vereins belaufen sich pro Jahr auf mehrere tausend Euro, sagt Chiemgauer-Initiator Christian Gelleri. Damit werde der Druck der Scheine bezahlt, die Schüler bekommen ebenfalls Geld. Teile werden an örtliche Vereine gespendet. Auch der Herausgeberverein steht auf der Liste der Empfänger. Von den Einnahmen wolle sich der Verein vielleicht irgendwann eine Immobilie kaufen, sagt Gelleri.

© SZ vom 09.06.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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