Regiogeld:Berliner statt Euro

Lesezeit: 2 min

Die Einzelhändler im Berliner Szene-Bezirk Prenzlauer Berg planen die regionale Währung "Berliner" und folgen damit dem Beispiel anderer sogenannter Regio-Währungen, etwa in Bremen oder im Chiemgau.

Von Norbert Sturm

Mit einem PR-Gag wollen Berliner Einzelhändler aus dem Szene-Stadtteil Prenzlauer Berg neue Kunden werben und dadurch den Rabattaktionen der Discounter eigene Attraktionen entgegensetzen. Sie schaffen eine lokale Währung, nennen sie "Berliner" und verbinden dies mit sozialen Anliegen.

Eine Ladenbesitzer im oberbayerischen Prien am Chiemsee zeigt stolz seine "Chiemgauer". (Foto: Foto: dpa)

Den neuen Berliner gibt es ab September als Einer-, Fünfer- und 20er-Schein. Sein Wert zum Euro beträgt eins zu eins. Die Initiatoren wollen die Nebenwährung später auf ganz Berlin und Brandenburg ausweiten.

Die Parallelwährung, so sagen sie, stabilisiert das Wirtschaftssystem. Sie hoffen dabei auf einen ähnlichen Erfolg wie im bayerischen Chiemgau, wo diese Werbemasche schon seit mehreren Monaten mit Fleiß praktiziert wird.

Trost

Die Lokalwährung in der Region Rosenheim heißt "Chiemgauer" und soll unter anderem Kunden trösten, die sich noch nicht mit dem Euro haben anfreunden können.

Die Bayern waren nicht die Ersten, die mit Regionalgeld Umsatzwachstum erzielen wollten. In Bremen wurde schon vor mehr als einem Jahr der "Roland" als Nebenwährung eingeführt. Das fand Nachahmer in Brandenburg und am Bodensee. Inzwischen gibt es im Bundesgebiet an die 20 Initiativen dieser Art.

Bei allen stehe nicht der Kommerz im Vordergrund, sondern das Bestreben, einen konstruktiven Beitrag zur Zukunft der Region zu leisten, sagen die Beteiligten.

Die kleinen Händler in Berlin sind einem besonderen Druck ausgesetzt: Sie verlieren Umsatz an die Großen der Branche. Mit ihrem Appell an den Lokalpatriotismus wollen sie den Trend umkehren. Beim Rücktausch des Berliners in Euro fällt eine fünfprozentige Gebühr an, die in soziale Projekte in Prenzlauer Berg fließen soll.

Keine rechtlichen Probleme

Rechtliche Probleme gibt es dabei keine. Bei dem neuen Zahlungsmittel handelt es sich ja nicht um Geld im engeren Sinn, das nur die Europäische Zentralbank (EZB) drucken und in Umlauf bringen darf.

Die Berliner, Chiemgauer oder Rolands sind in Wahrheit Gutscheine, die nur durch Vereine ausgegeben werden können. Interessenten müssen also erst einmal Mitglied werden, ehe sie mitmachen dürfen.

Damit sind aber noch nicht alle Hürden genommen. Das Modell kann eigentlich nur funktionieren, wenn es gelingt, den Wirtschaftskreislauf umfassend zu schließen und nicht nur zwischen Handel und Verbrauchern. Mit im Boot sitzen müssten auch die Erzeuger, sonst verpuffe die Wirkung, sagen Sprecher der örtlichen Waldorfschule, die den Chiemgauer erfunden haben.

Rudolf Steiner, Begründer der Waldorfschulen, vertrat diese Idee. Für ihn lag der Sinn des Geldes im Dienen und Vermitteln von Leistungen und nicht im Ausbeuten und Horten von Vermögen.

Abrechnungsproblem

In Bayern interessieren sich zwar auch Bauern, Bäcker und Käsereien für die Ersatzwährung. Das Mitmachen fällt ihnen aber schwer, denn sie wickeln ihre Geschäfte üblicherweise bargeldlos über Banken ab und bekommen deshalb mit der lokalen Währung ein Abrechnungsproblem.

Aus diesem Grund arbeiten die Waldorfer zusammen mit der GLS-Gemeinschaftsbank in Bochum an einem elektronischem Buchungssystem. Ob das jemals funktioniert, ist allerdings offen, denn da hat die Europäische Zentralbank mit ihrem Geldmonopol schon noch ein Wort mitzureden.

© SZ vom 15.04.04 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: