Razzia in Slowenien:Im unabhängigen Revier

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Im slowenischen Parlament debattierten die Abgeordneten immer wieder über die Bankenrettung. Jetzt wird die Vorgehensweise juristisch untersucht. (Foto: Chris Ratcliffe/Bloomberg)

Die Justiz durchsucht die Notenbank und ermittelt gegen deren Chef - ein bisher einmaliger Fall in der Euro-Zone. EZB-Chef Draghi protestiert.

Von Cathrin Kalweit und Markus Zydra, Wien/Frankfurt

Man hat sich seit der Finanzkrise an Bilder gewöhnt, die zeigen, wie die Räume von Geschäftsbanken durchsucht werden. Doch dass die Justiz nun auch die Büros einer Notenbank auf den Kopf stellt, ist ein Novum. Kein Wunder also, dass die Wogen nach der Razzia am vergangenen Mittwoch in der slowenischen Nationalbank hochgehen - nicht nur in Ljubljana, sondern auch in Frankfurt. Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), protestierte höchstpersönlich gegen die Polizeimaßnahmen. Er sieht in der Intervention einen Verstoß gegen die politische Unabhängigkeit der Zentralbank.

Bei der Razzia, bei der neben der Zentralbank vier Geschäftsgebäude in der slowenischen Hauptstadt durchsucht wurden, waren auch Unterlagen und Computer beschlagnahmt worden, die Material der EZB enthalten. Die slowenische Zentralbank gehört zum Euro-System, Notenbankchef Boštjan Jazbec ist EZB-Ratsmitglied. Nun wird gegen ihn wegen des Vorwurfs des Amtsmissbrauchs ermittelt.

Gegen den Gouverneur der Notenbank wird wegen Verdachts auf Amtsmissbrauch ermittelt

Die Vorgeschichte der spektakulären Aktion reicht bis in das Jahr 2013 zurück, als das kleine Land kurz vor dem Staatsbankrott stand, weil mehrere Banken praktisch pleite waren - unter anderem die größte unter ihnen, die NLB (Nova Ljubljanska Banka), die dem Staat gehört. Die Regierung wollte damals auf alle Fälle vermeiden, den EU-Rettungsschirm in Anspruch zu nehmen, und kündigte an, man werde die Banken aus eigener Kraft retten. Mehr als drei Milliarden Euro pumpte die slowenische Regierung während der Finanzkrise in die Geldhäuser, die einen Berg fauler Kredite angehäuft hatten und unter anderem dubiose Geschäfte in ex-jugoslawischen Republiken getätigt haben sollen. Im Visier der Ermittler sind nach Angaben slowenischer Medien neben der Zentralbank, ihrem Gouverneur und der NLB, die seit Längerem privatisiert werden soll, auch slowenische Büros der Beratungsfirmen Deloitte und EY, die die Bankensanierung ("bail out") begleiteten.

Die Bankensanierung hatte für großen Ärger unter Anlegern gesorgt, da Aktionäre und Besitzer nachrangiger Papiere zur Kasse gebeten wurden. Bei fünf Banken wurden Anleihen im Wert von etwa 600 Millionen Euro schlicht gelöscht; betroffen waren etwa 2000 Anleger. Finanzdienste sprachen damals von "enteignungsgleichen Eingriffen". Ein Verband von Kleinaktionären hat 2014 gegen die Zentralbank Sloweniens gleich mehrere Klagen eingereicht, die bislang jedoch noch nicht entschieden wurden.

Bei dem Streit geht es im Kern darum, ob die Löschung der nachrangigen Anleihen rechtens war. Am 19. Juli will sich nun der Europäische Gerichtshof in dieser Frage äußern, an den das slowenische Verfassungsgericht den Fall weitergereicht hatte. Die Kläger argumentierten, im slowenischen Bankengesetz gebe es dafür keine Grundlage. "Offizielle Personen" heißt es vage, hätten aber anders entschieden. Insbesondere die Notenbanker, so heißt es, hätten für eine Löschung der nachrangigen Anleihen votiert. Profitiert hat von dem Vorgehen vor allem die staatliche NLB. Sie habe dadurch einen Vermögensvorteil von 257 Millionen Euro erhalten - das entspricht den Verbindlichkeiten, die der NLB abgenommen wurden. Eine Sprecherin des Nationalen Antikorruptionsbüros in Ljubljana sagt, letztlich drehe es sich auch hier, wie seit Jahren, um den in Slowenien grassierenden Nepotismus und Klientelismus; die Notenbank habe offenbar die Vorteile der staatseigenen NLB im Auge gehabt. Die Juristen versuchen nun zu klären, ob eine Mitteilung der EU-Kommission zu staatlichen Rettungspaketen vom 30. Juli 2013 eine ausreichende legale Basis für das Vorgehen der slowenischen Politik und der Notenbank war. In Ljubljana argumentiert man, während der Sanierung habe zwar kein entsprechendes Gesetz vorgelegen, aber die Vorgaben aus Brüssel seien ausreichend gewesen. Die Kleinanleger beklagen, sie hätten einen Haircut, also einen Teilverzicht, akzeptiert - aber keinen Totalverlust.

Jazbec ist einer der Chefs der 19 nationalen Notenbanken, die gemeinsam mit sechs Direktoren das oberste Beschlussorgan der EZB bilden. Die Zentralbank hatte stets alle Vorwürfe zurückgewiesen, sie sei beim Schnüren des Sanierungspakets nicht korrekt vorgegangen.

EZB-Präsident Mario Draghi verwahrte sich nun gegen das Vorgehen der Behörden. Damit werde das Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union (EU) verletzt, kritisierte er in einem Brief an Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Er soll prüfen, ob die slowenischen Behörden europäisches Recht verletzt haben. Wenn ja, könnte Brüssel ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Slowenien einleiten. Der Streit könnte dann bis zum Europäischen Gerichtshof gehen. Europas Notenbank ist arbeitsteilig strukturiert, die slowenische Notenbank übernimmt Gemeinschaftsaufgaben. Eine Erfüllung dieser Aufgaben sei nun "infrage gestellt", so Draghi. Die EZB droht mit rechtlichen Schritten in Slowenien.

Draghi hat auch beim slowenischen Generalstaatsanwalt protestiert - postalisch. Das Schreiben datiert vom 6. Juli. Draghi protestiert darin "gegen die illegale Beschlagnahme von EZB-Informationen". Offensichtlich befürchtet die Notenbank, dass auch sensible Daten, etwa kritische Informationen zu Banken, in die Hände der Ermittler geraten sind.

Stellt sich die EZB gegen die staatsanwaltlichen Ermittlungen? Nein. Es gehe der EZB ums Prinzip, heißt es in Frankfurt. EU-Institutionen genießen nach Ansicht der EZB-Hausjuristen besonderen Schutz, sprich: Der Generalstaatsanwalt Sloweniens hätte die Notenbank im Vorfeld darum bitten sollen, bestimmte Daten zugänglich zu machen. Der slowenische Generalstaatsanwalt wies die Kritik zurück und erklärte, mehrere Anfragen auf Aushändigung von Dokumenten seien zuvor zurückgewiesen worden. Sloweniens oberster Ermittler, General Zvonko Fišer, argumentierte gegenüber der EZB, Mitarbeiter der Notenbank besäßen keine Privilegien, die sie von solchen Untersuchungen ausnehmen würden. Gegen die Verdächtigen werde auch nicht als EU-Repräsentanten ermittelt, sondern als slowenische Bürger.

Unterdessen wird in Slowenien Kritik an der EZB laut. Gekonnt spielt man den Ball an Draghi zurück: Er mische sich in die Unabhängigkeit der nationalen Justiz ein.

© SZ vom 11.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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