Quiksilver:Der Manager und das Meer

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Pierre Agnès hat fast 30 Jahre für die Surf- und Snowboard-Marke gearbeitet. Ende Januar ist er von einem Segeltörn an der französischen Atlantikküste nicht mehr zurückgekehrt. Am Freitag wurde er nun für tot erklärt.

Von Marlene Thiele, München

Es ist Dienstag, der 30. Januar 2018, nahe der südwestfranzösischen Ortschaft Hossegor: Am Strand liegt ein umgekipptes Motorboot, von seinem Besitzer fehlt jede Spur. Pierre Agnès, Vorstandschef der Surf- und Snowboard-Marke Quiksilver, war am frühen Morgen zum Angeln auf den Atlantik hinausgefahren. Er meldete der Hafenbehörde, er müsse wegen dichten Nebels länger auf dem Wasser bleiben. Später wurde nur sein leeres Boot angespült. Auch in den nächsten drei Tagen fand niemand den 54-Jährigen. Die französischen Rettungskräfte suchten mit Jetskis, Booten und Hubschraubern nach ihm, ohne Erfolg. Am 2. Februar wurde Pierre Agnès für tot erklärt. Fast 30 Jahre hatte der ehemalige Surf-Champion für Quiksilver gearbeitet. Er verkörperte das Ideal der Modemarke wie kein anderer.

Von Surfern für Surfer - das war die Idee hinter den Produkten, noch bevor daraus eine Marke wurde. Die Gründer Alan Green und John Law fanden herkömmliche Surferhosen nicht komfortabel genug. Sie begannen 1969 eigene Modelle in ihrer Garage im australischen Torquay herzustellen und gründeten 1973 die Firma Quiksilver. Auf den Namen kam Greens Frau, die das Wort in einem Buch gelesen hatte. Flüchtig, flüssig, lebhaft, veränderlich - nach Barbara Greens Meinung hatte Quecksilber genau die Eigenschaften, die sich ihr Mann für seine Firma wünschte. Mehr noch: Quecksilber wurde in der Alchemie verwendet, um Metalle zu veredeln - so wie das Unternehmen Materialien zu guten Produkten veredeln wollte. Das Logo ist inspiriert von einem Farbholzschnitt des japanischen Künstlers Katsushika Hokusai. Es trägt den Titel "Die große Welle vor Kanagawa" und zeigt eine hohe Welle und im Hintergrund einen Berg.

Die Firma lief gut. Bald waren die Surferhosen in ganz Australien erhältlich. 1976 gab es den ersten Lizenznehmer in den USA, der zehn Jahre später an die Börse ging. 1990 fusionierte das US-Unternehmen mit dem Lizenznehmer in Europa.

Ende der 1980er begann Pierre Agnès für Quiksilver zu arbeiten. Der ehemalige Profisurfer hatte Universitäts- und Regionalmeisterschaften gewonnen und war für die französische Nationalmannschaft angetreten. Schon damals lebte er in Hossegor und verbrachte seine Freizeit gerne auf dem Wasser. Quiksilver achtete auf die Nähe zum echten Sport. 1990 wurde das Unternehmen offizieller Sponsor von Surf-Superstar Kelly Slater und unterstützte später auch erfolgreiche Snowboarder und den Profiskater Tony Hawk.

1990 wurde Quiksilver um eine weitere Marke ergänzt: Roxy bot Sportbekleidung für Frauen an. Der Markt dafür war noch weitgehend vernachlässigt, weil es noch nicht so viele Surferinnen gab und sie weitaus weniger Publikum hatten. Mit Roxy konnte Quiksilver die bestehende Marke schützen und sich gezielt an die weibliche Zielgruppe richten. Drei Jahre später entstand das Roxy-Logo: ein Herz, zusammengesetzt aus zwei Quiksilver-Logos.

In den 1990er-Jahren boomte die Surf-Industrie. Quiksilver, Billabong und Rip Curl, die drei bekannten Marken, die Ausrüstung "von Surfern für Surfer" anboten, hatten großen Erfolg und erweiterten das Sortiment. Bald verkauften alle drei Kleidung für sie und ihn, sowohl zum Surfen, als auch zum Skaten oder Snowboarden.

2002 tat sich Quiksilver mit UG Manufacturing zusammen, dem für Ozeanien und Teile Asiens zuständigen Vertriebspartner. Beide zusammen bringen es laut Homepage auf mehr als 800 Millionen Dollar Umsatz. Zwei Jahre später übernimmt Quiksilver die Marke DC Shoes.

Krisen erwähnt Quiksilver nicht in seiner auf der Internetseite veröffentlichten Chronik. Zum Verhängnis wird dem kalifornischen Konzern die Übernahme der französischen Ski-Firma Rossignol im Jahr 2005 für rund 240 Millionen Euro in bar plus Schulden. Nach drei Jahren ist die Freude am Schnee schon wieder vorbei, und Rossignol geht für sehr viel weniger Geld an einen Finanzinvestor. Die Geschäfte laufen weiter schlecht, Quiksilver drücken Schulden. 2015 beantragt die Firma Gläubigerschutz.

Pierre Agnès, erst seit ein paar Monaten Vorstandschef von Quiksilver, muss restrukturieren, der Finanzinvestor Oaktree Capital Management steigt ein, er ist damals schon an Billabong beteiligt. Anfang 2017 firmiert Quiksilver in Boardriders um. Schon damals kursieren Gerüchte über eine Fusion von Quiksilver und Billabong. Lange dementieren die beiden angeschlagenen Surfmarken die Gerüchte. Dann, Anfang 2018, gibt Boardriders bekannt, Billabong für gut 300 Millionen Dollar übernehmen zu wollen. Es entstünde ein Konzern mit geschätzt zwei Milliarden Dollar Umsatz.

Dieses Thema ist jetzt in den Hintergrund gerückt. Im Mittelpunkt steht die Bestürzung um Pierre Agnès tragisches Verschwinden. Am Freitag teilte Boardriders mit, die Suche nach dem Firmenchef sei eingestellt worden. Der Vater von drei Kindern wurde für tot erklärt. In der Mitteilung heißt es, Agnès habe Quiksilver zur weltweit führenden Marke im Action-Sport gemacht. Ihm zu Ehren soll es an verschiedenen Orten weltweit Gedenkfeiern geben.

© SZ vom 05.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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