Grüne: Parteichef Bütikofer im Interview:"Es nützt nichts, sich die Union schönzureden"

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Der Grünen-Chef sieht große Chancen mit der CDU in Hamburg, keine mit der CDU im Bund. Was er über seinen künftigen Nachfolger sagt, dürfte alle Aspiranten grübeln lassen.

Thorsten Denkler, Berlin

sueddeutsche.de: Herr Bütikofer, waren Sie eigentlich überrascht, dass CDU und GAL in Hamburg sich so schnell und geräuscharm auf eine Koalition geeinigt haben?

Grünen-Chef Bütikofer sieht Chancen mit der CDU in Hamburg, keine mit der CDU im Bund. (Foto: Foto: dpa)

Reinhard Bütikofer: Die Hamburger CDU ist offenbar mit dem klaren Willen in die Sondierung gegangen, über eine Kooperation zu diskutieren, in der auch die GAL im Sinne ihrer eigenen Ziele erfolgreich sein kann. Unsere zentralen Themen wie Bildungsreform, ökologische Veränderung und Sozialpolitik werden dort als moderne Politik ernst genommen. Das finde ich besonders spannend. So einen Umgang haben wir von CDU-Seite bisher noch nicht erlebt.

sueddeutsche.de: Ein Beispiel?

Bütikofer: Claudia Roth und ich haben ja nach der Bundestagswahl 2005 Sondierungsgespräche mit Angela Merkel und Edmund Stoiber geführt. Damals lautete deren Botschaft im Prinzip: Schwarz-Gelb weiß, wie das Land regiert werden soll. Wenn die Grünen jetzt noch bitte den Mehrheitsbeschaffer machen würden, dann wären wir alle sehr zufrieden. Diese Art der Zusammenarbeit können sich die anderen an den Hut stecken. Das wäre die Aufgabe grüner Selbständigkeit.

sueddeutsche.de: Ist das der Beginn eines Klimawandels innerhalb der Union oder nur ein lokales Hoch über Hamburg?

Bütikofer: Nach meiner Beobachtung lässt sich das, was jetzt in Hamburg passiert, weder auf die Bundesebene hochrechnen noch ist das symptomatisch für die Länder. In Hessen ist Roland Koch bei aller Nachstellerei weit entfernt von den Hamburger Diskussionen. Ich sehe sie auch in Bayern nicht, wie ich sie auch 2006 in Baden-Württemberg nicht gesehen habe.

sueddeutsche.de: Liegt das Problem eher in der Union oder bei den Grünen?

Bütikofer: In der Union. Ich habe ja zur Kenntnis genommen, dass die Bundesspitze der Union sowohl in Frankfurt am Main als auch in Hamburg proaktiv in Richtung Schwarz-Grün gewirkt hat. Im Jahr 2006 in Baden-Württemberg war das Gegenteil der Fall. Und was die baden-württembergische Basis angeht, da kam der Widerstand vom konservativen Flügel der Schwarzen. Wir Grüne waren bereit, ernsthaft zu verhandeln.

sueddeutsche.de: Jürgen Trittin hält Schwarz-Grün 2009 im Bund durchaus für eine nachdenkenswerte Option. Warum sind Sie da so vorsichtig? Sie gelten doch als einer der Wegbereiter für die schwarz-grüne Idee.

Bütikofer: Ich habe mich in der Tat schon 1992 in Stuttgart dafür ausgesprochen, zu prüfen, was mit dem CDU-Ministerpräsidenten Erwin Teufel geht und was nicht. Wenn sich die Union damals auf zentrale grüne Forderungen eingelassen hätte, wäre ich wie Rezzo Schlauch und Fritz Kuhn dafür gewesen, es zu probieren. Aber ich bin Realist. Es nützt ja nichts, wenn man sich die Union schönredet.

sueddeutsche.de: Redet sich Jürgen Trittin die Union schön?

Bütikofer: Jürgen Trittin und ich sind da nicht auseinander. Man muss zur Kenntnis nehmen, was er wirklich gesagt hat. Wenn Frau Merkel sich für den Atomausstieg einsetzt und für Mindestlohnregelungen und sich den Angriffen ihres Innenministers auf die Bürgerrechte widersetzt, also wenn zentrale grüne Politikinhalte umgesetzt werden könnten, dann könnte das eine interessante Diskussion sein. So habe ich auch schon argumentiert.

Aber ist das die Union, wie sie ist? Ich sehe keine Entwicklung in der Union, die darauf hinausläuft, dass wir im Bund mit ihr zusammen erfolgreich grüne Politik machen könnten. Die Frage bleibt: Macht sich die Union auf den Weg, oder ist sie weiter von gestern?

sueddeutsche.de: Der Vize-Fraktionschef der Grünen, Hans-Christian Ströbele, sieht die Gefahr der Beliebigkeit, wenn die Grünen die schwarz-grüne Karte ziehen.

Hält die Öffnung ins bürgerliche Lager für notwendig: Grünen-Chef Reinhard Bütikofer. (Foto: Foto: dpa)

Bütikofer: Ströbele übertreibt. Genauso, wie er auf der anderen Seite mit seiner schwärmerischen Rede von linken Mehrheiten unterbewertet, was es an Differenzen zwischen grüner Politik und der Politik der Linkspartei gibt.

sueddeutsche.de: Ströbele will das linke Lager nicht verlassen. Was ist daran falsch?

Bütikofer: In einem Fünf-Parteien-System wird Lagerpolitik nicht mehr prämiert. Wenn man die eigenen Ziele ernst nimmt, dann muss man ernsthaft prüfen, was unterschiedliche Koalitionen bringen könnten.

Aber natürlich muss man in einer solchen Situation umso mehr auf ein klares Profil achten, sonst wird es beliebig. Genau das ist ja auch der Kern unseres Kurses der Selbständigkeit. Wenn Hans-Christian Ströbele das so formulieren würde, wäre ich bei ihm. Seine Polemik kann ich nicht nachvollziehen.

sueddeutsche.de: Warum nicht?

Bütikofer: Unsere Fähigkeit, für grüne Ziele erfolgreich zu sein, sollte vor allem abhängig gemacht werden von der Frage: Wie viel grüne Politik können wir umsetzen? Dass wir gegen neue Kohlekraftwerke und für den Atomausstieg sind, darf nicht zur Disposition stehen - unabhängig davon, wie der Partner heißt.

Für diesen Kurs der Eigenständigkeit, der die Inhalte in den Mittelpunkt stellt, hat sich der Kleine Parteitag vor zwei Wochen einstimmig entschieden. Ich würde mich freuen, wenn auch Ströbele hier mitwirken würde.

sueddeutsche.de: Ein anderes Thema in Ihrer Partei ist Ihre Nachfolge, die noch geregelt werden muss.

Bütikofer: Und die geregelt werden wird.

sueddeutsche.de: Es zieht sich ja ein bisschen hin. Ein paar Namen sind im Gespräch, aber so richtig laut "Hurra!" hat noch niemand geschrien. Wieso ist es so schwer für die Grünen, diesen Posten zu besetzen?

Bütikofer: Ich vermute, weil es kein ganz leichter Job ist. Bis zum Bundesparteitag im November ist ja noch einige Zeit hin. Deshalb gibt es keinen Grund, zappelig zu werden. Es geht hier um eine verantwortungsvolle Aufgabe, das will gut überlegt sein.

sueddeutsche.de: In anderen Parteien kämpfen Leute darum, den Chefsessel zu übernehmen.

Bütikofer: In anderen Parteien wird das meistens ausgekungelt. Warten Sie es ab, wie viele Bewerbungen es geben wird.

sueddeutsche.de: Haben Sie tatsächlich den Eindruck, dass da ganz viele Leute in der Spur stehen, die Sie unbedingt beerben wollen?

Bütikofer: Ich weiß von verschiedenen, die sich da anbieten.

sueddeutsche.de: Haben Sie Ihren Rückzug aus der Bundespolitik vielleicht zu früh angekündigt?

Bütikofer: Überhaupt nicht. Ich glaube, dass so genug Zeit besteht, meine Nachfolge vernünftig zu regeln. Einstweilen bin ich ja noch da und mache meine Arbeit. Diejenigen, die sich überlegen, ob sie die Aufgabe in Zukunft übernehmen wollen und in ihrer Lebenssituation auch übernehmen können, die können sich jetzt darauf einstellen.

sueddeutsche.de: Was muss denn ein Nachfolger können, um in diesem Amt bestehen zu können?

Bütikofer: (lacht) Er muss unter anderem wissen, wann es richtig ist, nicht vorlaut zu sein! In diesem Sinne werde ich jetzt nicht so eine Diskussion führen.

sueddeutsche.de: Anders gefragt: Welche Vorzüge hat denn der Job?

Bütikofer: Vor allem: Man kann Politik gestalten!

sueddeutsche.de: Auf einer schwierigen Ebene allerdings.

Bütikofer: Politik gestalten ist immer schwierig.

sueddeutsche.de: Es heißt ja immer, der Posten des Parteichefs der Grünen sei a) schlecht bezahlt und b) undankbar, weil man ständig zwischen allen Stühlen sitzt. Das könnte ja auch abschrecken.

Bütikofer: Als ich anfing, war er viel schlechter bezahlt. Ich habe mich dafür engagiert, dass ein Parteivorsitzender heute ungefähr so viel verdient wie ein Bundestagsabgeordneter mit seiner Grunddiät.

Es ist inzwischen auch möglich, dass man als Parteivorsitzender ein Bundestagsmandat hat. Und die Tatsache, dass ein Parteivorsitzender der Grünen nicht mit Kommandoton auftreten kann, sondern integrieren muss, halte ich für zeitgemäß.

sueddeutsche.de: Nach den Statuten der Grünen darf aber ein Fraktionschef, ob im Bund oder in den Ländern, nicht gleichzeitig Bundesvorsitzender sein. Einige der möglichen Kandidaten sind zufälligerweise Fraktionschefs, die ihr Amt aufgeben müssten. Muss da nicht an dieser kleinen Stellschraube noch gedreht werden?

Bütikofer: Das halte ich nicht für sinnvoll. Ich kann mir schwer vorstellen, dass man Fraktionschef im Landtag ist und gleichzeitig Bundesvorsitzender. Das geht meines Erachtens aus praktischen Gründen schwer zusammen - genauso wenig wie ich mir vorstellen kann, dass man auf Dauer Europaabgeordneter und Parteichef ist.

sueddeutsche.de: Ginge denn Oberbürgermeister? Da gibt es in Tübingen und Freiburg mögliche Aspiranten.

Bütikofer: Satzungsmäßig ginge das, aber praktisch halte ich auch das für nicht plausibel.

sueddeutsche.de: Also entweder ganz nach Berlin oder gar nicht?

Bütikofer: Das ist hier ein Fulltime-Job. Das ist nicht irgendwie mal mittwochs und donnerstags zwischen drei und fünf zu leisten.

sueddeutsche.de: In Berlin säße ein Kandidat: Volker Ratzmann. Der ist zwar auch Fraktionschef, aber halbwegs jung und nicht allzu links.

Bütikofer: (lacht) Ich wäre doch ziemlich unklug, wenn ich jetzt versuchen würde, per Fingerzeig des Vorsitzenden den Nachfolger zu bestimmen.

sueddeutsche.de: Andere sagen, es war nicht so klug, keinen eigenen Nachfolger aufgebaut zu haben.

Bütikofer: Das ist ein Schmarrn! Das passt nicht zu uns, dass ein Vorsitzender oder eine Vorsitzende einen Nachfolger bestimmt. Wer das sagt, kennt die Grünen schlecht.

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