Private Banking:Ein Gefühl von Sicherheit

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Wie Privatbanken sich einrichten, sagt einiges über die Philosophie des jeweiligen Hauses aus und wie sie wirken wollen.

Von Kristina Läsker

Jürgen Ponto wacht über den Schnaps. Wer das Kaminzimmer der Commerzbank in Hamburg betritt, begegnet dem einstigen Vorstandssprecher der Dresdner Bank. In Öl gemalt hängt Ponto, silbergrauer Seitenscheitel, dunkler Anzug, in einem Bild mit goldenem Rahmen über einem Digestif-Wagen. Hennessy, Armagnac, Obstbrand: Auf dem Holztisch stehen etliche Verdauungsschnäpse in halb leeren Flaschen. Ponto schaut streng darüber hinweg. Ganz so, als wollte der Top-Banker dazu raten, die Gespräche mit Kunden doch bitte nicht in Völlerei ausarten zu lassen. Nun ist Ponto schon lange tot, 1977 wurde er von Mitgliedern der RAF erschossen. Auch die Dresdner Bank gibt es längst nicht mehr. 2009 wurde sie mit der Commerzbank fusioniert, der Markenname verschwand. Doch den Ponto in der Filiale am Jungfernstieg haben die Commerzbanker hängen lassen. So wie sie auch das Kaminzimmer übernommen haben. Weil es so traditionell und urig ist - und weil sie hier gerne weiter Kunden beraten. "Wir sind sehr glücklich, dass wir diesen Raum haben", sagt der Niederlassungsleiter der Commerzbank am Jungfernstieg, Nils Hoffmann.

Das Kaminzimmer ist nur einer der vielen Orte, an denen die Banken in Deutschland ihre reiche Kunden empfangen. Egal, ob große Geldhäuser oder kleine Privatbanken: Fast alle verfügen über solche diskreten Oasen. Es sind Orte, die nur wenige betreten dürfen, und die genau deshalb für die Beratung so wertvoll sind. Orte, an denen die brummende Geschäftigkeit einer Bank verstummt, und sich Stille und Gediegenheit ausbreiten.

Tatsächlich bringt das Kaminzimmer auch verwöhnte Jetset-Kunden zum Staunen. Wer im fünften Stock die Tür zum wohl edelsten Beratungsraum der zweitgrößten deutschen Bank öffnet, fühlt sich an eine Schweizer Bergstube erinnert. "Das ist sehr bodenständig hier", sagt Hoffmann. Doch der Raum ist mit knapp 200 Quadratmetern größer als etliche Mietwohnungen der Hansestadt und alles andere als gewöhnlich. Er ist mit Kiefernholz vertäfelt, von der geweißten Decke strahlen Halogenlampen. Zur Rechten stehen eine Couch und zwei Sessel vor einem hölzernen Kamin, der bloß Zierde ist. Er wird nie benutzt. Eingerahmt von Regalen voller Bücher, die niemand liest. Als wäre es ein Museum.

Wer eintritt, den zieht es sofort quer durch den Raum. "Unsere Kunden gehen als Erstes zum Fenster", erzählt Commerzbanker Hoffmann. Meist betreten sie durch eine Glastür dann den winzigen Balkon und staunen über diesen Blick auf die Binnenalster. Sie schauen auf die Fontäne, die an diesen Herbsttagen häufig durch Nebelschwaden ihre Strahlen emporjagt. Auf die Züge, die auf der nahen Brücke über das Wasser gleiten und auf die benachbarten Traditionshäuser wie die Reederei Hapag-Lloyd und das Hotel Vier Jahreszeiten. Hamburg ist so stolz auf diese Häuserzeilen rings um die Binnenalster, dass hier keine Werbetafeln stehen dürfen. "Der tolle Blick auf die gute Stube Hamburgs ist ein Geschenk", sagt Hoffmann. Vor allem aber bietet der Ausblick viel Stoff für den ersten Small Talk. Also für die wichtigen ersten Minuten, wenn Kunde und Berater miteinander warm werden müssen. "Vertrauen ist bei solchen Beratungen das Allerwichtigste."

Warme Holztöne vermitteln das Gefühl von Schutz und Sicherheit. (Foto: Stefan Geisbauer)

Auch schräg gegenüber an der Binnenalster betonen Bankmitarbeiter, wie nötig Vertrauen und Diskretion sind: Gleich neben dem Bürogebäude des Tchibo-Erben und Milliardärs Günther Herz sitzt die Berenberg Bank in einem unscheinbaren Bürogebäude. Das Geldhaus ist 425 Jahre alt, Tradition ist enorm wichtig. Privatkunden werden meist ganz oben im zehnten Stock empfangen, und auch sie dürfen die Alster bestaunen. In den sparsam möblierten Räumen stehen alt-englische Möbel wie diese braunen Ledersessel mit Patina. Sie sind gerade richtig abgewetzt, nicht zu viel und nicht zu wenig. Die Tische und Schränke sind aus dunklem Teakholz und Mahagoni, verziert mit Intarsien und Messingbeschlägen. Eine solche Einrichtung verkörpere die Beständigkeit von Berenberg als ältester deutscher Privatbank, sagt der Sprecher.

Als das Institut vor mehr als vierzig Jahren in das Gebäude einzog, wurden die antiken Möbel gleich mitgebracht. Regelmäßig halten Mitarbeiter bei Versteigerungen nach weiteren Stücken Ausschau. Denn man will mit der Zeit gehen, und es soll doch so bleiben, wie es immer schon war: "Vor 100 Jahren sahen die Besprechungszimmer ähnlich aus", sagt der Sprecher. Man bewege sich zwischen Tradition und Moderne. Deshalb sind auch die Stühle mit knallgrünem Leder bezogen, von der Decke strahlt auch hier Halogen, in der Kommode ist ein versenkbarer Monitor verborgen. Es ist praktisch und soll wohnlich wirken. "Die Kunden sollen sich zu Hause fühlen."

Wie bei der Commerzbank gibt es Alkohol und auf Wunsch warmes Essen. An diesem Tag mitten in der Woche hat der Koch ein Wachtel-Consommé als Vorspeise zubereitet. Dann folgt Meeräsche mit Büsumer Krabben und als Nachtisch steht Nougatschnitte im Kokosbett auf der Menü-Karte. Die Schlemmerei ist gut fürs Geschäft, glauben die Banker. "Bei einem informellen Mittagessen tauscht man sich ganz anders aus."

"Die Eiche ist ein Symbol der Treue, der Standfestigkeit und der Beständigkeit."

Die Schweizer Privatbank Pictet in der Münchner Maximilianstraße setzt auf eine klare Formensprache. (Foto: Stefan Geisbauer)

Das sehen sie auch bei der Commerzbank so. Es ist Nachmittag. Im Kaminzimmer wird an einen wuchtigen runden Holztisch gebeten, auf dem in Rosenthal-Tassen schwarzer Tee ausgeschenkt wird. Auf einem viereckigen Teller sind Schoko-Trüffel angeordnet. Einige Pralinen ziert das gelbe Logo der Commerzbank. Die Manager sind froh, dass sie im Kaminzimmer kurz zum Tee einladen können. Denn es ist der wundersamste Ort im Haus, und auch der begehrteste für Kundengespräche. Beraten wird ansonsten zwei Etagen tiefer. Etwa im Raum Osaka, einem schmalen, nüchternen Zimmer mit japanischen Paravents vor dem Fenster, beige-spiegelnden Wänden und schwarzen Bürostühlen. Und dieser Stil dürfte dann auch mehr über den Alltag der Bank erzählen und darüber, wie sie erscheinen möchte: "Wir sind modern und klar", sagt Hoffmann. In München bei der Pictet Bank haben sie weder Möbel mitgebracht noch das alte Mobiliar übernommen. Die Schweizer Privatbank hat ihre Räume in der Maximilianstraße neben der Oper zusammen mit dem Münchner Einrichtungshaus Neue Werkstätten neu gestaltet. Dafür wurden warme Holz- und Erdtöne gewählt. Das vermittele "Schutz und Sicherheit", sagt der Gründer der Niederlassung, Florian Seidel. Anders als in Hamburg laufen die Kunden nicht auf beige-gelbem Teppich wie in den englischen Stuben von Berenberg oder auf grau-schwarzem Velours wie in der Commerzbank. Bei Pictet marschieren sie über Parkett aus Eiche, und das ist durchaus symbolisch gemeint: "Die Eiche ist ein Symbol der Treue, der Standfestigkeit und der Beständigkeit." Anders als in der Zentrale in Genf stehen in der Filiale in München weniger wuchtig wirkende Holztische. "Mein Wunsch war eine freundliche Leichtigkeit", sagt Seidel. Selbst die Dekoration bei Pictet soll gezielt Botschaften vermitteln. Im Eingang und in den Besprechungsräumen sind die Wände mit Strukturstoff bespannt, darauf hängen Kunstwerke. Wie die Zeichnung der Künstlerin Silvia Bächli und die Fotoarbeit von Claudio Moser - beide sind Schweizer. Ihre Werke verweisen auf das Stammland der Bank und auf einen der jüngsten Geschäftszweige: Pictet möchte künftig Kunden, die ihr Geld in Kunst stecken oder bereits investiert sind, Kredite anbieten, die mit Kunstwerken besichert sind. Solche alternativen Investments spielten für wohlhabende Kunden eine immer wichtigere Rolle, betont Pictet-Teilhaber Remy Best. Und eben dieser Umgang mit Kunst - als Lebensart und als Geldquelle - soll sich auch in den Räumen widerspiegeln.

In Hamburg dürften sie bei solchen Sätzen aufhorchen. Die Kunst in den Filialen von Berenberg Bank und Commerzbank ist nicht für den Verkauf bestimmt. Bei Berenberg zeigen etliche Gemälde einstige Gesellschafter und erzählen von der Firmengeschichte. Auch der in Gold gerahmte Jürgen Ponto ist weniger als Investment oder gar als Kunst gemeint. Er steht für die Geschichte der Bank und für eine Haltung.

© SZ vom 19.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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