Portrait Karl-Friedrich Rausch:"GDL führt Millionen Bahnkunden an der Nase herum"

Lesezeit: 3 min

Karl-Friedrich Rausch leitet im Bahn-Vorstand den Personenverkehr - in diesen Tagen kann er aber nur Schadensbegrenzung betreiben.

Sibylle Haas

Eigentlich gäbe es für Karl-Friedrich Rausch jetzt richtig viel zu tun. Zum ersten Mal in dem Tarifkonflikt zwischen der Bahn und der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) soll der Nahverkehr an diesem Freitag den ganzen Tag bestreikt werden. Für Rausch bedeutet das absolutes Chaos, denn der 56-Jährige ist im Bahn-Vorstand zuständig für den Personenverkehr.

Als am Donnerstagmittag noch vor dem geplanten Krisentreffen von BahnChef Hartmut Mehdorn und GDL-Chef Manfred Schell die Streiknachricht kam, hätte der Mann gerne sämtliche Räder in Bewegung gesetzt.

"Wir reden nicht von einer Modelleisenbahn"

Doch die kurzfristige Streikansage der Gewerkschaft setzte ihn schachmatt. "Es gibt keine Ersatzfahrpläne, die Zeit ist zu kurz", so Rausch. Der Mann wird selten ärgerlich, doch diesen Vorgang bezeichnete er nun doch als unglaublich. "Die GDL-Funktionäre führen Millionen Bahnkunden schlicht an der Nase herum", sagte Rausch, der allein die GDL für das bevorstehende Chaos im Nahverkehr verantwortlich macht.

Der als kühl und analytisch geltende Manager hatte die Kunden auf diesen Missstand schon am Dienstag vorbereitet. "Wir reden nicht von einer Modelleisenbahn, bei der man den Trafo aufdreht, und dann funktioniert alles", hatte Rausch vor Journalisten in Berlin gesagt. Bei einem ganztägigen Streik müssten Tausende Zugbewegungen neu abgestimmt werden, Notfallfahrpläne erstellt, eine Notmannschaft rekrutiert werden - ein nahezu unmögliches Unterfangen, weil laut Rausch 24 Stunden Vorlauf für einen Ersatzplan nötig sind.

Trotzdem ist der Manager seit Wochen im Dauerstress. Er eilt von einer Krisensitzung zur nächsten, spricht in Strategiesitzungen und Pressekonferenzen. Das alles ist dem gebürtigen Nordhessen eigentlich nicht ins Stammbuch geschrieben. Der promovierte Wirtschaftsingenieur hält sich lieber im Hintergrund. Er zählt nicht zu der Sorte Manager, die sich eloquent ins Rampenlicht schiebt. Rausch gilt als scharfer und gründlicher Analytiker mit lösungsorientierter Attitüde. Sein sachliches Auftreten grenzt bisweilen an Sprödigkeit.

Rausch ist seit dem Jahr 2001 bei der Bahn, zunächst als Technik-Vorstand. Seit Mai 2003 verantwortet er den Personenverkehr und avancierte damit zum wichtigsten Mann hinter Bahn-Chef Hartmut Mehdorn. In seinem Ressort hat Rausch die Wende geschafft und den einst defizitären Personenverkehr profitabel gemacht. Branchenkenner bescheinigen ihm eine gute Arbeit - er habe aus der eher auf technische Abläufe orientierten Bahn ein marktorientiertes Unternehmen gemacht. Sie schließen deshalb aus, dass Rausch der GDL-Streik in der Karriere zusetzen könnte.

Für Rausch, der nach dem Studium des Wirtschaftsingenieurwesens an der TH in Darmstadt mit anschließender Promotion zur Lufthansa ging, dürfte der Aufstieg bei der Bahn so etwas wie eine Genugtuung bedeutet haben: Sein Weggang bei der Lufthansa 2001 war nicht gerade von glücklichen Umständen begleitet.

Zeitweise als Lufthansa-Chef gehandelt

Vor seinem Wechsel zur Bahn Anfang 2001 arbeitete Rausch fünf Jahre für den Luftfahrtkonzern und war zuletzt als Vorsitzender des Bereichsvorstandes für dessen wichtigstes Geschäftsfeld, den Passagierverkehr, zuständig. In dieser Zeit war Rausch einer der wichtigsten Leute im Konzern und mitunter für Qualtätsmanagement, die Entwicklung des Luftfahrtbündnisses Star Alliance und den Ausbau des Frankfurter Flughafens zuständig - sämtlich Bereiche, die für die Lufthansa existenzbedeutend waren. Zeitweise wurde er deshalb als möglicher Nachfolger des damaligen Lufthansa-Chefs Jürgen Weber gehandelt.

Doch Anfang 2001 sollte Rausch zum Generalbevollmächtigten des Lufthansa-Vorstands "Infrastruktur Konzern" wechseln. Er hätte sich damit kaum mehr um das operative Geschäft, sondern um sogenannte strategische Fragen gekümmert.

Es galt in der Branche als klare Sache, dass dies einen Karriereknick für Rausch bedeutet hätte. Lufthansa ordnete damals ihren Vorstand neu: Wolfgang Mayrhuber, der heutige Lufthansa-Chef, wurde in den Konzernvorstand berufen und für den Passagierverkehr zuständig. Intern und hinter vorgehaltener Hand wurde von einer Entmachtung Rauschs gesprochen. Als er dem Unternehmen damals den Rücken kehrte, war kaum jemand überrascht.

Sein Karriereweg bei der Bahn ist anders verlaufen. Er gilt intern als Gegenpol zu Hartmut Mehdorn, der es versteht, mit lautem Getöse sein Umfeld zu brüskieren. Auch das hitzige Gemüt von GDL-Chef Manfred Schell ist inzwischen ja hinreichend bekannt. Rausch gilt als Puffer, als einer, der selten ausrastet und der Probleme nicht lauthals und mit der Faust auf den Tisch schlagend löst. Dass er nun öfter als Frontmann agieren muss, liegt genau an dieser - Rauschs eigenen - zurückhaltenden Art.

© SZ vom 12.10.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: