Porsche/VW:Zuffenhausener Macht

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Es war einmal ein Unternehmen mitten in Deutschland, in dem galten die Gesetze einer besonderen Marktwirtschaft. Da hatten die Gewerkschaften viel Macht und unter den Gesellschaftern besondere Freunde.

Hans-Jürgen Jakobs

Das jahrelang sozialdemokratisch geführte Niedersachsen war de facto Haupteigentümer, und die Genossen aus Partei und Arbeitnehmer-Vereinigung übten im Aufsichtsrat den Schulterschluss. Das war die Wolfsburg AG, ein System des niedersächsischen Sozial-Biotops, in dem ein Arbeitsdirektor wie Peter Hartz zum Reformer der Republik aufsteigen konnte und in dem führende Betriebsräte auf Kosten des Hauses Lustreisen machten. Das war die Volkswagen AG, wie sie lief und lief und lief. Es war ein System, das der Topmanager Ferdinand Piëch mit viel Zuckerbrot und ein wenig Peitsche am Leben erhielt.

Markenzeichen: Wenn Porsche wie erwartet möglichst schnell seinen Anteil am VW-Konzern aufstockt, beginnt für die Wolfsburger ein neues Zeitalter. (Foto: Foto: ddp)

Seitdem aber die Familie des Aufsichtsratschefs und bekennenden Autonarren Piëch - der weitverzweigte Clan der Porsches - immer mehr Macht übernommen hat und nun auch ein europäisches Gericht das VW-Gesetz kippte, das die Wolfsburger Verhältnisse unter politischen Artenschutz stellte, seitdem also ticken die Uhren anders. Der Motor des neuen Großkonzerns VW-Porsche dröhnt in Stuttgart-Zuffenhausen, dem Standort des Sportwagenbauers.

Die VW-Betriebsräte aus Wolfsburg fürchten - zu Recht - um ihre Pfründen und wollen unter den neuen Gegebenheiten möglichst viel herausholen. Das ist ein legitimer Versuch, der am Ende wenig nutzen wird. Denn an der neuen Macht des Porsche-Chefs Wendelin Wiedeking ändert der juristische Kampf der Niedersachsen um gesellschaftsrechtliche Details nichts. VW ist nur noch eine Firmentochter und der VW-Chef ein besserer Abteilungsleiter.

Das Ende der Mitbestimmung

Im Zentrum der Aufregung steht die Rechtsform der Societas Europeas (SE), die sich die bedeutend werdende Porsche-Holding gegeben hat und die ins Handelsregister eingetragen werden soll. Hiermit lassen sich die in Wolfsburg durchaus ausgiebig genutzten Rechte der Mitbestimmung peu à peu entschleunigen. Der Aufsichtsrat soll kleiner und auch mit ausländischen Arbeitnehmervertretern bestückt werden. Vor allem sind die geschmeidigen Porsche-Betriebsräte, die sich über das Procedere mit dem Management verständigt haben, dort schon ausgiebig vertreten - und sie sollen es auch bleiben. Für die Wolfsburger Delegation bleibt der Katzentisch.

Das alles ist bitter, wenn man die Welt aus der Perspektive eines früheren Zonenrandgebiets gesehen hat. Wenn man mitkriegt, dass auch ein leibhaftiger Ministerpräsident wie Christian Wulff am Hochgeschwindigkeits-Kapitalismus der Zuffenhausener Art wenig ändern kann. Es gibt viel Desillusion in Wulffs Revier.

Was bleibt, sind die Chancen eines integrierten, modernen, europäischen Autokonzerns, der es aufnehmen kann mit Daimler, BMW, den Japanern und den französischen Betrieben. Der ein bisschen Ordnung schafft in dem Wolfsburger Werksverbund, der all die Jahre Autos baute mit geringer Beachtung der Produktivität und in dem der Top-Ingenieur Piëch seine Leidenschaft für Luxusautos ausleben konnte - auch wenn zum Beispiel der Phaeton an den Bedürfnissen der Kunden vorbeirollte.

Jetzt geht es darum, wie Porsche-Chef Wiedeking die Welt sieht. Die einzige Gefahr ist, dass die neue Machtfülle dem Porsche-Piëch-Clan nicht bekommt - und die Familie das Streiten beginnt. Das ist in solchen Dynastien mit schwierigen Charakteren nicht unüblich. Die Betriebsräte aus Stuttgart und Wolfsburg werden ein Auge darauf haben.

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