Pipers Welt:Wer kennt die Wahrheit?

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Linke Politiker fordern eine "Wahrheits-Kommission", die Griechenlands Schulden auf ihre "Legitimität" überprüfen soll, das ist gefährlicher Unfug.

Es war eine unter vielen beunruhigenden Nachrichten aus Athen. Im Juni hatte eine "Wahrheits-Kommission" des griechischen Parlaments die Schulden des Landes für "illegal, illegitim und abscheulich" erklärt. Sie sollten nicht zurückgezahlt werden. Der Ausschuss sagte nicht genau, für welchen Teil der 320 Milliarden Euro Außenstände dies zutreffen sollte. Jedenfalls aber seien die Kredite von Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank illegal, weil diese ihre Kompetenzen überschritten hätten, als sie Griechenland halfen. Wenn ein Land alte Kredite auf ihre "Legitimität" überprüft, nennt man das ein "Schulden-Audit".

Linke Gruppen fordern schon lange solche Audits . Attac gehört zu den Befürworten des Konzepts, ebenso die der Linkspartei nahestehende Rosa-Luxemburg-Stiftung. Ein Vorbild ist Ecuador. Das lateinamerikanische Land erreichte unter Präsident Rafael Correa nach einem Schulden-Audit die Umschuldung von elf Milliarden Dollar. Argument war die Korruption früherer Regierungen.

Viel interessanter ist aber das Ancien Regime in Frankreich. Dort gab es seit dem ausgehenden Mittelalter die " Chambre de Justice", eine Art Rechnungshof, oder, wenn man so will, eine Wahrheits-Kommission. Die Justizkammer wurde häufig dazu benutzt, um Schulden für illegitim zu erklären, Feinde des Königs zu beseitigen oder beides. König Franz I. etwa ließ 1527 aufgrund eines Audits seinen Finanzminister Jacques de Beaune hängen, nachdem er wegen Mangel an Geld einen Krieg verloren hatte. Die Chambre de Justice wurde Teil eines Systems, in dem die Zahlungsunfähigkeit des Königs als normal galt. Zwischen 1557 bis 1661 war das Königreich fünfmal bankrott. Die Praxis wurde teuer für Frankreich. Im 18. Jahrhundert musste Frankreich nach heutigen Schätzungen 7,3 Prozent Zinsen zahlen, England dagegen nur 3,67 Prozent. Die Kreditgeber rechneten das Risiko, ihr Geld zu verlieren und ins Gefängnis zu kommen, in die Preise ein. 1789 musste Ludwig XVI. die Generalstände um Geld bitten - der Beginn der Französischen Revolution.

(Foto: N/A)

Aus all dem lässt sich eines lernen: Schulden-Audits sind gefährlicher Unfug. Wenn ein Staat seine Schulden nicht mehr bedient, und besonders wenn dies einseitig geschieht, dann wird es teuer, nicht nur für die Gläubiger, sondern mehr noch für den Staat selbst. Schlechte Schuldner zahlen hohe Zinsen, auf Jahre hinaus. Manchmal ist ein Schuldenerlass trotzdem nicht zu vermeiden. Soll er aber wirken, muss die Regierung klarmachen, dass sie künftig alles daransetzen wird, um solide zu werden. Ein Beispiel ist die Bundesrepublik nach der Londoner Schuldenkonferenz von 1953. Ein noch besseres sind die USA unter ihrem ersten Finanzminister Alexander Hamilton. Nach dem Unabhängigkeitskrieg hatte er den Gläubigern der jungen Nation zwar einen bescheidenen Schuldennachlass zugemutet, den Rest der Kredite jedoch ohne Wenn und Aber akzeptiert. Es war der Anfang vom Aufstieg Amerikas.

Gut möglich, dass Griechenland nochmals einen Schuldenschnitt braucht. Wenn der aber kommen sollte, dann müsste die Regierung dem Rest der Welt klarmachen: Das war es jetzt. Wir wollen auf eigenen Beinen stehen. Niemand kann sich dies heute vorstellen, auch weil Syriza Spiele wie das mit dem Schulden-Audit spielt und die wichtigsten Gläubiger beschimpft. Den Preis zahlen die Menschen in Griechenland. Wer sollte dem Land noch Geld geben oder gar dort investieren, wenn sein Engagement über Nacht für illegal deklariert werden kann ?

An dieser Stelle schreibt Nikolaus Piper jeden Freitag im Wechsel mit Thomas Fricke.

© SZ vom 03.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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