Pipers Welt:Rettet Hamilton!

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Alles soll weiblicher werden, auch Amerikas Banknoten. Eine Frau wird den neuen Zehn-Dollar-Schein zieren. Das ist gut. Aber dafür soll der erste Finanzminister Alexander Hamilton weichen, und das wäre eine krasse Fehlentscheidung.

Von Nikolaus Piper

Alles soll weiblicher werden, auch der Dollar. Im Ernst, seit über einem Jahrhundert sind auf den Banknoten der Vereinigten Staaten nur Männer abgebildet. Nun soll endlich wieder eine Frau auf einen amerikanischen Geldschein kommen, und zwar, geht es nach Finanzminister Jack Lew, auf die Zehn-Dollar-Note. Auf der Internetseite "The New 10" ( https://thenew10.treasury.gov/) rief Lew einen Ideenwettstreit aus für die Frau, die am besten "unsere inklusive Demokratie" repräsentiert. Kandidatinnen sind die Bürgerrechtlerin Harriet Tubman (ca. 1820-1913), die vor dem amerikanischen Bürgerkrieg die "Underground Railroad", organisiert hatte, eine Fluchthilfe-Organisation für entlaufene Sklaven. Oder Eleanor Roosevelt (1884-1962), die populäre Frau von Präsident Franklin D. Roosevelt. Die neue Zehn-Dollar-Note soll 2020 in Umlauf kommen; der Termin ist mit Bedacht gewählt, denn dann werden es genau 100 Jahre her sein, dass in den USA das Frauenwahlrecht eingeführt wurde. Noch in diesem Jahr will Lew eine Entscheidung verkünden.

Leider sieht es schon heute nach einer krassen Fehlentscheidung aus. Das Problem dabei sind nicht die Frauen, es ist der Mann, der seit 1929 die Zehn-Dollar-Note ziert: Alexander Hamilton. Hamilton (1757-1804) war der erste Finanzminister der USA. Ihm verdankt die Nation, dass sie ihren Weg mit soliden Finanzen begann. Als Mitautor der "Federalist Papers" schrieb er einige der wichtigsten Texte der Verfassungsgeschichte. Hamilton wuchs als uneheliches Kind einer verarmten, geächteten Mutter in der Karibik auf, arbeitete sich hoch und repräsentiert die pragmatische, nüchterne Tradition in der amerikanischen Geschichte. Zudem besaß er - anders als Gründervater George Washington (er ist auf der Ein-Dollar-Note zu sehen) - niemals Sklaven.

Wenn jemand, dann gehört Hamilton in die Geldbeutel der Amerikaner. Er sei "entsetzt" über Lews Absicht, schrieb der frühere Notenbankchef Ben Bernanke in einem Blog: "Sag, dass es nicht wahr ist, Jack!" Angeblich sollen jetzt zur Beruhigung der Gemüter Hamilton und die noch zu bestimmende Frau gemeinsam auf dem neuen Zehn-Dollar-Schein erscheinen. Aber der faule Kompromiss würde die Sache nur schlimmer machen, denn dann würden beide abgewertet.

Nun ist es tatsächlich an der Zeit, die Männerwirtschaft auf den Dollarnoten zu beenden. Was also tun? Es gäbe eine ganz einfache Lösung: Den Zehn-Dollar-Schein lassen, wie er ist, und sich stattdessen mit der 20-Dollar-Note befassen. Auf der ist heute Andrew Jackson (1767-1845) abgebildet, der siebte Präsident der USA. Jackson war das genaue Gegenteil von Hamilton, ein wüster Populist, der nichts von Wirtschaft verstand. Jackson produzierte mutwillig eine schwere Finanzkrise und zerschlug die Zentralbank der USA, mit verheerenden Folgen. Noch schlimmer war sein Umgang mit den Indianern. Er verantwortete 1830 den "Indian Removal Act". Das Gesetz legitimierte eine groß angelegte ethnische Säuberung im Südosten der USA. Jemanden, der für so etwas verantwortlich ist, möchte man eigentlich nicht jeden Tag anfassen.

Das finden auch viele Amerikaner, und zwar schon seit Langem. Jeanne Shaheen, die demokratische Senatorin von New Hampshire, gründete eine Initiative, um nicht Hamilton, sondern Jackson zu entfernen und durch eine Frau zu ersetzen: WomenOn20s (http://www.womenon20s.org/) hat bereits 600 000 Stimmen für ihr Anliegen gesammelt. Es ist ein Kulturkampf ums Geld, der sich zu kämpfen lohnt.

An dieser Stelle schreiben jeden Freitag Nikolaus Piper und Thomas Fricke im Wechsel.

© SZ vom 09.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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