Peugeot kauft Opel:Endspiel um die Jobs

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Es ist ein unsentimentaler Abschied nach fast 90 Jahren - und der Beginn einer ungewissen Zukunft: Peugeot kauft von GM Opel und setzt die Traditionsmarke unter brutalen Druck.

Von Leo Klimm, Max Hägler undMD Michael Bauchmüller, Paris/München/Berlin

Manchmal sagt die Körpersprache mehr als Worte. Die Körpersprache von Karl-Thomas Neumann etwa verrät am Montag, wo Opels Zukunft liegen soll - und wo nicht mehr. Als sich alle Akteure des Milliardengeschäfts, das gerade verkündet wurde, auf einer Bühne in der Pariser Peugeot-Zentrale versammeln, geht der Opel-Chef mit einem bestimmten Lächeln zu Hausherr Carlos Tavares. Er schüttelt ihm die Hand. Seiner Noch-Chefin Mary Barra, der Lenkerin des US-Autoriesen General Motors (GM), wendet Neumann dagegen den Rücken zu. Sie ist es, die auf ihn zugeht, um bei diesem ganz und gar unsentimentalen Abschied wenigstens einen kurzen Händedruck auszutauschen.

So also endet nach 88 Jahren die Geschichte von Opel als der Europa-Tochter von GM. Es ist das Ende einer schwierigen Zeit, in der Opel viele Milliarden Euro verloren hat. Und es ist der Beginn einer ungewissen Zukunft als Filiale des Pariser PSA-Konzerns, zu dem schon die Marken Peugeot, Citroën und DS gehören.

PSA-Chef Tavares ist sichtlich stolz, sein Unternehmen dank Opel zum größten Autohersteller in Europa nach Volkswagen zu machen, zum "europäischen Auto-Champion". Aber auch er ist kein Typ für Sentimentalitäten. Er sagt gleich konkret, was er erwartet: Ab 2020 muss Opel dauerhaft Gewinn schreiben. Ab 2026 soll eine Rendite von sechs Prozent her. Ein hoher Wert für einen Massenhersteller. Tavares sagt: "Wir geben den Leuten eine Chance."

Die Leute, das sind die 38 000 Opelaner in Europa, von denen die Hälfte in Deutschland beschäftigt ist. Es gibt Sorgen um diese Menschen. PSA übernimmt alle elf Werke, die Opel und die britische Schwestermarke Vauxhall in Europa betreiben. Auch das Entwicklungszentrum am Opel-Stammsitz in Rüsselsheim geht an die Franzosen, selbst wenn es noch einige Jahre parallel für GM weiterarbeiten soll. Viele Branchenexperten meinen, dass angesichts von Überlappungen zwischen PSA und Opel Tausende Stellen bei der deutschen Traditionsmarke gefährdet sind, wenn 2018 und 2020 von GM gemachte Job- und Investitionsgarantien auslaufen.

Tavares antwortet auf diese Befürchtungen am Montag mit Worten, die beruhigend gemeint sind - bei manchem Opelaner aber vielleicht nicht so ankommen: Nur die eigene Leistung schütze, sagt Tavares. Er werde Opel und PSA in Wettbewerb zueinander bringen und daraus Leistungsziele für jede Konzerneinheit ableiten. "Wenn die Ziele erreicht werden, brauchen wir keine Fabrik zu schließen." Sein Plan für Opel basiere heute aber nicht auf Stellenstreichungen. Man solle sich nur ansehen, wie er mit vielen kleinen Effizienzverbesserungen PSA seit der Beinahe-Pleite vor vier Jahren aufgerichtet habe. Unerwähnt lässt Tavares, dass PSA kurz vor seinem Amtsantritt ein Werk nahe Paris dichtgemacht hat. Und dass unter seiner Ägide selbst ohne Fabrikschließung rund 15 000 Stellen bei PSA weggefallen sind.

Auch andere Bedenken wischt Tavares schnell beiseite. Die Positionierung der Marke Opel soll ihm zufolge unverändert bleiben. Dabei hat PSA schon Mühe, Peugeot und Citroën im selben Segment des europäischen Automarkts ihren jeweiligen Platz zuzuweisen. Für Tavares zeichnet sich Opel dadurch aus, dass es eine deutsche Marke ist. Sie soll Kunden ansprechen, die deutsche Autos wollen. Obgleich die Fahrzeug-Architektur eines Opel einige Jahre nach der Übernahme die gleiche sein wird wie die eines Peugeot.

1,7 Milliarden Euro jährlich will PSA dann durch den Einsatz baugleicher Teile und Antriebe, die Fusion der Entwicklungsabteilungen oder dank größerer Marktmacht gegenüber Zulieferern sparen. Größe in Europa, so das Kalkül, verleihe eine solide Basis für die Entwicklung darüber hinaus. Doch diese Logik hat eine Kehrseite: Sollte sich der Autoabsatz in Europa nicht mehr gut entwickeln, wird die Abhängigkeit vom Heimatmarkt PSA und Opel hart zusetzen. Es wäre nicht das erste Mal.

Grundsätzlich ermöglicht es die Vereinbarung zwischen GM und PSA, dass Opel künftig außerhalb Europas Autos verkaufen kann. GM hatte diesen Wunsch immer unterdrückt. In der Praxis jedoch wird PSA keine Opel-Modelle in anderen Kontinenten anbieten dürfen, wenn GM-Patente darin stecken. Das dürfte dazu führen, dass bisher in Rüsselsheim entwickelte GM-Technik durch PSA-Technologie ersetzt wird. Auch die Elektroantriebe, die heute in Opel-Fahrzeuge eingebaut werden, müssen bald von PSA kommen. Denn nur für eine - nicht benannte - Übergangsphase dürfen die Franzosen überhaupt Patente von GM nutzen. Viele Details des Geschäfts sind noch offen, erst Ende des Jahres soll es wirklich abgeschlossen sein.

Am Stammsitz in Rüsselsheim hält sich die Wehmut in Grenzen

Die Eckzahlen immerhin sind klar. Für insgesamt 2,2 Milliarden Euro bekommt GM-Chefin Barra das ungeliebte Europageschäft los. Pensionsverpflichtungen in Höhe von geschätzt sieben Milliarden Euro muss GM aber weiter größtenteils tragen. Für die Pensionsansprüche der deutschen Opelaner überweist der US-Konzern davon etwa drei Milliarden Euro nach Paris. Zudem muss GM bis zu 4,5 Milliarden Dollar an Investitionen abschreiben.

Handschlag, Lächeln: Mary Barra (General Motors), Carlos Tavares (Peugeot) und Karl-Thomas Neumann (Opel) besiegeln ihr Geschäft. (Foto: Eric Feferberg/AFP)

Es ist wohl ein hoher Preis, den GM jetzt zahlt. Am Stammsitz in Rüsselsheim, wo viele den historischen Moment im Webstream verfolgen, hält sich die Wehmut in Grenzen. "Es sind keine schlechten Aussichten", findet Oberbürgermeister Patrick Burghardt. "Wie gut sie sind, werden wir sehen." Auch die Vertreter der Belegschaften an den Opel-Standorten Rüsselsheim, Kaiserslautern und Eisenach geben sich trotz der Gefahren, die mit dem Kauf durch PSA verbunden sind, vorsichtig optimistisch: "Wir befürworten PSA derzeit, denn wir halten die Unternehmenspolitik für weniger sprunghaft als die von GM", sagt Michael Ebenau, der für Opel zuständige Gewerkschaftssekretär der IG Metall. Doch die Opelaner spüren schon, wie sich Tavares' Ton verschärft hat, seit der Übernahmeplan im Februar bekannt wurde.

Auch in Berlin werden die Ankündigungen aus Paris genau registriert. Die Bundesregierung kann gut damit leben. "Ziel ist, dass dieser Zusammenschluss wirklich zukunftsfähig ist, und die Standorte alle erhalten bleiben", sagt der Opel-Koordinator des Bundes, Matthias Machnig. Deshalb sei wichtig, dass Opel als eigene Gesellschaft fortbestehe - mitsamt dem Entwicklungszentrum in Rüsselsheim. Der Markenwert von Opel sei größer als der von Peugeot. "PSA hat ein Interesse daran, von diesem Wert zu profitieren", sagt Machnig.

Tavares würde Machnigs Meinung kaum zustimmen. Karl-Thomas Neumann, den Opel-Chef, findet der PSA-Boss trotzdem gut. Schließlich hat "KTN" Opels Verluste in den vergangenen Jahren stark verringert. "Mister Newman", wie Tavares sagt, solle auch nach der Übernahme Opel-Chef sein, "das Potenzial freisetzen". Neumann antwortet, er wolle gern bleiben. Man müsse sich aber noch einigen. Als alle fertig sind mit Reden, richtet sich die Aufmerksamkeit im Saal nur noch auf Tavares und Barra. Da stiehlt sich Neumann fluchtartig aus einem Seitenausgang weg. Nicht immer muss seine Körpersprache ein Indiz für Opels Zukunft sein.

© SZ vom 07.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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