Personalspekulationen in Ingolstadt:Kleiner Quälfaktor

Lesezeit: 3 min

Warum Audi-Finanzchef Rupert Stadler die besten Chancen besitzt, Vorstandsvorsitzender in Ingolstadt zu werden.

Michael Kuntz

Rupert Stadler hält es mit den Ausdauersportarten. Der 43-Jährige fährt sehr gerne Rennrad und geht gern laufen. "Letzteres klappt sogar auf Dienstreisen, wenn man sich gut organisiert."

Audi-Finanzvorstand Rupert Stadler (Foto: Foto: dpa)

Ob der Finanzchef von Audi in Ingolstadt das in einem Jahr auch noch so sagen wird, ist zumindest nicht ganz sicher. Denn alles deutet darauf hin, dass der Betriebswirt Stadler an diesem Mittwoch vom Audi-Aufsichtsrat zum Audi-Vorstandsvorsitzenden gekürt wird und künftig noch weniger Zeit für Sport haben wird als heute bereits.

Als Nachfolger von Martin Winterkorn, der zum 1.Januar an die Spitze des VW-Konzerns wechselt, darf der im bayerischen Titting geborene Stadler dann viele schnelle Autos bauen und damit gutes Geld verdienen - Fortschritt durch Technik eben. Die Aufholjagd von Audi gegen BMW und Mercedes geht weiter.

Faible für schnelle Autos

Angeblich sitzt der Zahlenmensch Stadler auch gern am Lenkrad, sogar dem des neuen R8-Boliden, den Audi auf Wunsch mit Beleuchtung für den Mittelmotor liefert und der nicht bei 250 Kilometer pro Stunde abriegelt - der erste richtige Rennwagen von Audi.

Zukunftsfähigkeit lebt von ambitionierten Zielen, findet Stadler. Wer nur den Fußstapfen anderer folge, werde niemals überholen. "Ich setze deshalb als sportlicher Fahrer lieber den Blinker und überhole." Audi will von 2008 an jährlich eine Million Fahrzeuge verkaufen - "und das bei einer Kapitalrendite von mehr als zehn Prozent".

Als gute Basis für seine Karriere erweist sich Stadlers Zeit als Bürochef des früheren Konzernchefs Ferdinand Piëch, der als Aufsichtratsvorsitzender und Großaktionär neuerdings wieder die Fäden bei Volkswagen zieht. Nebenbei leitete Stadler die Produktplanung von VW, bevor er 2002 von Wolfsburg nach Ingolstadt wechselte.

Ein Konzern im Umbruch

Der Aufstieg von Stadler an die Spitze der wichtigsten Volkswagen-Tochter wird wohl an diesem Mittwoch vom Aufsichtsrat der VW-Premiumtochter beschlossen. Vielleicht gibt es auch erst eine Willenserklärung und die formale Berufung folgt später. Denn diese Sitzung hat leicht skurrile Züge - sie spiegelt den Konzern im Umbruch.

Vorsitzender des Gremiums ist Bernd Pischetsrieder, noch bis zum Jahresende Konzernchef. Sein designierter Nachfolger im Spitzenjob, Martin Winterkorn, ist aber noch Audi-Vorstandsvorsitzender. Er wird dann wohl demnächst den Aufsichtsratsvorsitz bei Audi übernehmen. Wie nun konkret zu verfahren ist an diesem Mittwoch, daran tüfteln die Juristen.

Die bevorstehende Ablösung von Pischetsrieder durch Winterkorn könnte das Personalkarussell ins Drehen bringen. So will Winterkorn den zunächst auch als Audi-Chef gehandelten Produktionsvorstand Jochem Heizmann, 54, wohl zum Produktionschef für den Konzern machen.

Jürgen Lunemann, dem Leiter des Audi-Werkes in Neckarsulm, werden Chancen auf die Nachfolge von Heizmann in Ingolstadt eingeräumt. Sollte Technikchef Ulrich Hackenberg mit Winterkorn nach Wolfsburg gehen, könnte ihm bei Audi Michael Dick nachfolgen, der gegenwärtig die Gesamtfahrzeugentwicklung leitet.

Neuer Designchef möglich

Winterkorn wird möglicherweise Audi-Designchef Walter de Silva mitnehmen und mit ihm den VW-Designer Murat Günak ersetzen. Unter dessen Verantwortung waren Studien vorgestellt worden, die wenig Chancen boten, dass VW mit ihrer Serienfertigung jemals würde Geld verdienen können. Eher Spott hatte bei den Audi-Managern etwa das Dreirad ausgelöst, das von VW-Markenchef Wolfgang Bernhard während der Los Angeles Motorshow vor einem Jahr ernsthaft präsentiert worden war.

Offen ist auch noch, wie die gegenwärtigen Topmanager auf einen Umbau des Konzernvorstandes durch Winterkorn reagieren werden. Sollten VW-Markenvorstand Bernhard, Finanzvorstand Hans Dieter Pötsch oder Einkaufschef Francisco Sanz nicht mitmachen wollen, gäbe es ein zusätzliches Stühlerücken.

Der Controlling-Außenseiter

Rupert Stadler waren als Audi-Chef zunächst nur Außenseiter-Chancen zugesprochen worden, weil er kein Techniker ist und als zu jung galt. Geboren 1963 in Oberbayern, studierte Stadler an der Fachhochschule Augsburg Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt Controlling.

Seine Laufbahn begann er bei der Philips Kommunikation Industrie AG in Nürnberg und wechselte 1990 zur Audi AG, wo er verschiedene Aufgaben im Bereich Controlling übernahm. 1994 trat er als Kaufmännischer Geschäftsführer bei der Volkswagen/Audi Espana SA in Barcelona ein. Von dort holte ihn Piëch.

Ein gewisses Maß an Unzufriedenheit sei stets der Treibsatz für Leistung und unternehmerischen Erfolg, findet Stadler. Was die Ausdauer angeht, sei es im Sport wie bei der Arbeit. Man müsse eben immer einen kleinen Quälfaktor überwinden. Rupert Stadler: "Und auch meine Frau spürt, dass nach einer harten Arbeitswoche eine Stunde Waldlauf vor dem richtigen Zuhause-Ankommen gut für die Familie ist."

© SZ vom 05.11.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: