Patente: Nokia vs. IP.com:Warum die Finnen zwölf Milliarden Euro zahlen sollen

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Eine Münchner Firma streitet mit dem Handyriesen Nokia um Patente. Christoph Schoeller, Geschäftsführer von IP.com, erläutert die Details im Interview mit sueddeutsche.de.

Hans von der Hagen

Die in Pullach bei München ansässige Firma IP.com hat Mobilfunkpatente von Bosch übernommen - und jetzt den Hersteller Nokia verklagt. IP.com, an der Privatleute und die US-Investmentgesellschaft Fortress beteiligt sind, hat sich auf die Verwertung von Patenten spezialisiert. IP.com-Geschäftsführer Christoph Schoeller erklärt sich im Interview mit sueddeutsche.de zum Streit mit Nokia.

sueddeutsche.de: Sie haben Nokia verklagt - warum?

Christoph Schoeller: Wir wollen Nokia die Nutzung von acht Patentfamilien untersagen lassen, da das Unternehmen nicht bereit ist, die erforderlichen Lizenzgebühren zu zahlen.

sueddeutsche.de: Woher haben Sie die Patente?

Schoeller: Wir haben sie Anfang 2007 von der Robert Bosch GmbH erworben.

sueddeutsche.de: Nicht unbedingt ein klassisches Mobilfunkunternehmen ...

Schoeller: Zwischen 1983 und 2000 investierte Bosch immerhin rund acht Milliarden Mark in die Entwicklung von Mobilfunkttechnologien, denn das Unternehmen belieferte die Kraftfahrzeugindustrie mit Autotelefonen. Doch mit der Zeit verdrängte das Handy das Autotelefon. Darum wurde 2000 die Entwicklungsarbeit eingestellt.

sueddeutsche.de: Welche Technologien hat Bosch entwickelt?

Schoeller: Beispielsweise für die Technologie bei SIM-Karten, die in verschiedenen Handys ohne Sicherheitsrisiko eingesetzt werden können, oder den Multimedia-Messaging-Service (MMS) zum Versand von Bildern. Insgesamt entstanden rund 160 Patentfamilien, darunter etwa 35 standard-essentielle Patente, die in allen Handys mit den Mobilfunkstandards GMS, GPRS und UMTS eingesetzt werden.

sueddeutsche.de: Und Nokia soll jetzt die Verwendung solcher standard-essentielle Patente untersagt werden?

Schoeller: Genau. Solche standard-essentielle Patente sind für die Branche von so großer Bedeutung, dass sie zur Lizenzierung angeboten werden müssen. Die Unternehmen müssen dafür zahlen - oder die Nutzung unterlassen.

sueddeutsche.de: Was müsste Nokia Ihrer Meinung nach dafür zahlen?

Schoeller: In der Branche gelten die FRAND-Regeln. Die Gebühren für solche Patente müssen demnach Fair, Reasonable (vernünftig) And Non- Discriminatory (nicht-diskriminierend) sein.

sueddeutsche.de: Konkret?

Schoeller: Wir haben uns an dem Satz orientiert, den Nokia selbst von anderen Herstellern für die Nutzung der Nokia-Patente verlangt. Das sind fünf Prozent des Umsatzes, die ein Hersteller mit jenen Produkten macht, die patentierte Techologien enthalten. So errechnen sich die zwölf Milliarden Euro, die jetzt in der Presse genannt wurden. Sie gelten für eine Patent-Nutzungsdauer von 20 Jahren.

sueddeutsche.de: Seit wann nutzt Nokia die Patente?

Schoeller: Seit 1985. Bevor die Patente 2007 an uns verkauft wurden, hatte Bosch Nokia angeboten, die Patente zu lizenzieren. Doch Nokia ging darauf nicht ein und verklagte ihrerseits Bosch.

sueddeutsche.de: Nokia möchte demnach die Patente kostenlos nutzen?

Schoeller: Das was Nokia anbietet, liegt zumindest weit unter dem FRAND-Satz von fünf Prozent - genauer: im Promillebereich.

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