Patente:Mohawks auf dem Kriegspfad

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US-Firmen übertragen Patente an juristisch autonome Indianerstämme. Einer verklagt nun Microsoft und Amazon.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Natürlich weiß der alte Häuptling der Indianer, dass die Prärie schön ist und der Westen wild. Er weiß aber auch, dass der Beruf schwer ist und es deshalb lohnenswert sein kann, millionenschwere Deals mit den Unternehmen des weißen Mannes abzuschließen. Wenn die nämlich die Rechte an ihren Produkten vor dem Zugriff des amerikanischen Patentamts schützen und in manchen Fällen eine Monopolstellung aufrechterhalten wollen, dann nutzen sie die immense juristische Autonomie der Indianerstämme und übertragen ihnen pro forma Patente.

Es gibt nun zwei Fälle, über die heftig gestritten wird und bei denen man sich erst einmal fragt, was in aller Welt die US-Ureinwohner damit zu tun haben könnten. Es geht jeweils um die Saint Regis Mohawks, einen Indianerstamm im Nordwesten der USA mit etwa 3200 Mitgliedern. Die haben in dieser Woche gemeinsam mit dem Hardware-Unternehmen SRC Labs (SRC) die Technologiekonzerne Amazon und Microsoft wegen der vermeintlich unrechtmäßigen Nutzung zahlreicher SRC-Erfindungen verklagt.

Ein Gericht hat die Vereinbarung der Indianer mit dem Pharmakonzern Allergan gekippt

Zuvor hatte ein Berufungsgericht die Vereinbarung des Indianerstammes mit dem Pharmakonzern Allergan für ungültig erklärt: "Es besteht kein Zweifel daran, dass Allergan ein nützliches und erfolgreiches pharmazeutisches Produkt erfunden hat", schreibt Richter William Bryson in seiner Begründung. Das Unternehmen sei für seine Erfindung allerdings zwei Jahrzehnte lang "großzügig entlohnt" worden, allein 2016 generierte das Medikament Restasis, ein Mittel gegen trockene Augen, einen Umsatz von 1,5 Milliarden Dollar. Es ist der Bestseller des Unternehmens, nach dem kosmetischen Mittel Botox.

Als das Patent 2014 auslaufen sollte, unternahm das Unternehmen zahlreiche juristische Scharmützel und schloss Deals mit Versicherungsfirmen, um das Monopol auf sein Produkt dennoch zu behalten. Andere Firmen, die nach Ablauf des Patents ähnliche, jedoch um bis zu 90 Prozent günstigere Mittel herstellen wollten, fochten diese neuen Patente an, die angeblich ein verbessertes und damit neuartiges Produkt beschrieben. "Klinische Studien zeigen allerdings, dass die Effizienz sich nicht signifikant unterscheidet", schreibt Bryson nun in seiner Begründung.

Allergan übertrug, weil es offenbar eine juristische Niederlage gefürchtet hatte, seine sechs Patente im September an die Saint Regis Mohawks und lizenzierte sie dann exklusiv zurück. Das Unternehmen bezahlte 13,5 Millionen Dollar und versprach darüber hinaus 15 Millionen Dollar pro Jahr, so lange die Patente gültig sind. Im elften Zusatzartikel der amerikanischen Verfassung heißt es unter anderem, dass Indianerstämme wie US-Bundesstaaten und deren Universitäten Immunitätsrechte genießen und deshalb nicht verklagt werden können, insofern sie nicht gegen die Verfassung verstoßen - ein juristisches Schlupfloch, das Allergan und die Saint Regis Mohawks nutzen wollten.

"Das Gericht hat ernsthafte Bedenken, dass die Taktik von Unternehmen und Stamm legitim ist", schreibt Bryson: "Immunität sollte nicht als Mittel der Monetarisierung für private Unternehmen genutzt werden - und auch nicht dazu, sich seiner rechtlichen Verantwortung zu entziehen." Allergan will nun Berufung gegen das Urteil einlegen.

Am Mittwoch dann verklagten die Saint Regis Mohawks die beiden Technologiekonzerne Amazon und Microsoft - wegen des gleichen juristischen Winkelzuges. SRC Labs hatte die fraglichen Patente im August an den Indianerstamm übertragen, um sich vor Patentanfechtungen zu schützen. Das Tribunal des Patentamtes hebt eigenen Statistiken zufolge mehr als zehn Prozent der angefochtenen Patentansprüche auf oder schränkt sie ein. SRC glaubt, dass Microsoft und Amazon patentierte SRC-Erfindungen im Zusammenhang mit Supercomputern nutzen.

"Wir hätten nie gedacht, dass Stämme sich von Unternehmen dazu missbrauchen lassen, Patentanfechtungen zu verhindern. Das ist eine Praxis, die wir stoppen müssen", sagte die Senatorin Claire McCaskill, als sie Anfang des Monats einen Gesetzentwurf vorlegte, der diese Patent-Übertragungen verhindern soll. Da das Gesetz nur Indianerstämme betreffen soll und nicht Bundesstaaten und Universitäten, haben die Saint Regis Mohawks der Politikerin Doppelmoral vorgeworfen. Die Saint Regis Mohawks befinden sich also wegen zweier gieriger Unternehmen auf dem Kriegspfad. Der Ausgang der Prozesse gegen Amazon und Microsoft ist ungewiss, die Aussichten des Gesetzentwurfs sind es ebenfalls.

© SZ vom 21.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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