Otto-Versand:Guter Ruf in Gefahr

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Der Vorzeige-Unternehmer Michael Otto muss es sich gefallen lassen, in einem Atemzug mit skandalträchtigen Unternehmen wie Parmalat und Adecco genannt zu werden. Kritisiert wird seine Informationspolitik in den USA.

Von Meite Thiede

Sein Vater habe Deutschland erobert, er selbst die Welt, heißt es gelegentlich bewundernd über den Hamburger Unternehmer Michael Otto. Der Otto Versand ist Deutschlands größtes Familienunternehmen, und im internationalen Ranking gibt es keinen mächtigeren Versender als ihn.

Michael Otto mit Katalog vor Firmen-Logo. (Foto: Foto: AP)

Der 60 Jahre alte Unternehmer, der zu den reichsten Deutschen zählt, wirkt außerdem auch noch stets freundlich und bescheiden, engagiert sich für die Forschung, den Sport und vor allem für den Umweltschutz.

Zum ersten Mal ein Schatten

Doch jetzt ist zum ersten Mal ein Schatten auf den Vorzeige-Unternehmer gefallen: Die US-Börsenaufsicht hat Otto im Visier, weil er Banken und Investoren angeblich vorsätzlich über den schlechten Zustand seines amerikanischen Versandhauses Spiegel im Unklaren gelassen haben soll. Die Sache kann ihn nicht nur den guten Ruf, sondern auch einen hohen dreistelligen Millionenbetrag kosten.

Die Familie Otto hatte Spiegel 1982 gekauft und einige Jahre später elf Prozent des Kapitals an die Börse gebracht. Im Zuge der Expansion erwarb Spiegel auch die Modekette Eddie Bauer.

Als die Geschäfte in Amerika wegen der schlechten Konjunktur nicht mehr gut liefen, hat Spiegel allzu großzügig Konsumentenkredite vergeben, darunter immer mehr faule. Die zur Gruppe gehörende Bank FCNB geriet in Schwierigkeiten. Im März 2003 musste Spiegel Gläubigerschutz nach Chapter 11 beantragen.

Verschwiegenheit

Doch nicht die Schieflage des amerikanischen Engagements wird Otto jetzt angekreidet, sondern die Art und Weise, wie er diese offenbar lange der Öffentlichkeit verschwiegen hat.

Vor dem Konkursantrag hatte Spiegel 15 Monate lang keine Quartalsberichte mehr veröffentlicht, und angeblich hatte Otto persönlich so entschieden.

Ottos amerikanischer Anwalt stellt seinen Mandanten jetzt als recht naiven Deutschen hin, der zwar in Amerika große Geschäfte machte, aber nicht die geringste Ahnung hatte, welche Konsequenzen sein Tun wohl haben könnte.

So habe Otto die Informationen über die schlimme Lage bei Spiegel nicht veröffentlichen wollen, weil dadurch nach seiner Meinung ein falsches Bild von dem Versandhandelsunternehmen hätte entstehen können, zitiert das Wall Street Journal den Anwalt.

Als Familienunternehmen kann sich Otto in Deutschland eine solche selektive Informationspolitik zwar leisten, aber da er das jetzt auf Amerika übertragen hat, findet er sich plötzlich in einem Atemzug mit solch Schwarzen Schafen wie Parmalat und Adecco erwähnt.

Treuepflicht

Deren Bilanzprobleme, so das Wall Street Journal, ließen ohnehin gerade Fragen aufkommen, wie ernst es europäische Manager eigentlich mit ihrer Treuepflicht gegenüber Aktionären und Kreditgebern nähmen.

Otto wurde im heutigen Polen geboren; nach der Flucht landete die Familie in einem Auffanglager, wo die Kinder in äußerst bescheidenen Verhältnissen aufwuchsen. Vater Werner Otto bastelte mit einem Restposten an Schuhen einen zwölfseitigen Katalog zusammen und tat damit den ersten Schritt zu dem erfolgreichen Otto-Versand. Michael Otto übernahm die Leitung des Konzerns bereits mit 38 Jahren.

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