Opel und General Motors:Ein Astra für Amerika

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General Motors exportiert zum ersten Mal seit drei Jahrzehnten wieder ein Opel-Modell in die USA. Doch viel Geld wird der Autokonzern damit wohl nicht verdienen.

Michael Kuntz

Der große alte Mann der Automobilindustrie lehnt sich zurück an diesem warmen Wintermorgen beim Frühstück in San Diego. Bob Lutz, 75, und immer noch als Vizechef bei General Motors (GM) sehr aktiv, ist glänzend aufgelegt. Und das sollte er auch sein, schließlich muss Lutz, der in seinem bewegten Leben als Manager für BMW, Ford und Chrysler schon viele Autos gepriesen hat, heute den Opel Astra loben.

Der neue Saturn: Sieht aus wie ein Astra, ist auch ein Astra, hat nur keinen Opel-Blitz auf dem Kühler. (Foto: Foto: General Motors)

Das hat seinen Grund: Das in Europa seit dem Modellwechsel im Jahr 2004 zwei Millionen mal verkaufte Kompaktauto soll in Nordamerika einen zweiten Frühling erleben - als Astra der Marke Saturn. Sie ist erst zwei Jahrzehnte alt und dient der Nummer eins unter den Detroiter Autoherstellern zur Abwehr der asiatischen Konkurrenten Toyota und Mazda, aber auch, um den in den USA als Rabbit angebotenen VW-Golf zu bremsen.

Noch im Dezember werden die ersten Saturn-Astra in den USA ankommen und ausgeliefert. Die europäische GM-Tochter Opel verschifft wieder Autos in die USA und nach Kanada - zum ersten Mal seit 33 Jahren.

Eigentlich geschehe dies etwa acht bis zehn Jahre zu spät, räumt Lutz mit jener Offenheit ein, für die er berühmt ist. Bei der langen Pause mögen die zeitweise schlechten Erfahrungen beim letzten Versuch eine Rolle gespielt haben. Von 1968 bis 1974 hatte Opel den Sportwagen GT sowie die Modelle Manta und Ascona exportiert. Dabei lief nicht immer alles glatt. Einen Grund sieht Lutz aber auch in der lange Zeit sehr regionalen Ausrichtung des Autoherstellers, der zwar der größte der Welt ist, von einem globalen Verbund seiner Marken und Werke jedoch weit entfernt war.

Wird die deutsche Traditionsmarke Opel also nun zur Weltfirma? Sie ist es längst. Das sagt zumindest Hans Demant. Der Chef der deutschen GM-Tochter verweist darauf, dass eine Reihe von Opel-Produkten seit vielen Jahren weltweit verkauft werden. So auch der Astra in Großbritannien und Lateinamerika, Australien und Neuseeland. Und nun in Nordamerika.

Längere Schnauze

Allerdings ist es noch keineswegs sicher, dass die Einführung des Autos, das in Rüsselsheim entworfen und in Antwerpen gebaut wird, sich in den USA und Kanada zu einer Erfolgsstory entwickelt. Vor zweieinhalb Jahren beschloss der im Renaissance Center in Detroit residierende GM-Vorstand diesen Schritt. "Wenn wir die Entscheidung noch mal zu fällen hätten, müssten wir wohl noch mehr nach einer anderen Lösung suchen", sagt Lutz heute. Der Manager denkt dabei an den schwachen Dollar und den starken Euro. Da lässt sich mit einem in Europa produzierten und im Dollar-Raum verkauften Auto nur wenig Geld verdienen.

"Das Beste ist, dass wir nicht viel investieren mussten", sagt Lutz sarkastisch. Weniger als 100 Millionen Dollar waren es insgesamt. So erhielt die amerikanische Variante eine etwas verlängerte Frontpartie - wegen des Fußgängerschutzes. Auch hinten ist der Astra länger geworden, die besonders stabilen Stoßstangen sind der Grund. "Insgesamt haben wir wirklich nur das Nötigste getan", erzählt der GM-Vizechef.

Trotzdem ist die Einführung des Opel auf den Straßen Amerikas ein Vabanquespiel, nicht nur wegen der ungünstigen Währungsverhältnisse. Saturn will gerade einmal 16 000 Dollar für das Modell des Traditionsunternehmens aus Deutschland verlangen, in die Kasse kommen somit umgerechnet 1000 Dollar weniger als beim vergleichbaren Astra in Europa. "Wenn der Euro noch stärker steigt, wird das ein Wohltätigkeitsprojekt für GM Europa und die Saturn-Händler", sagt Lutz.

"Entwickelt und designt für die Autobahn"

Die Händler haben harte Zeiten hinter sich. Zehn Jahre lang hatten sie nur eine Modellreihe ("L-Series") im dürftigen Angebot. Dann wurde Jill Lajdziak, eine energische Managerin, Chefin bei Saturn und erweiterte erst einmal die Flotte. Da kam der Astra von Opel gerade recht. Denn die Entwicklung eines eigenen Kompaktwagens hätte, so Lutz, 800 Millionen Dollar gekostet - zu viel für eine Firma, die pro Jahr nur gut 200.000 Autos absetzt. Saturn will vom Astra im ersten Jahr 45.000 Exemplare verkaufen. Ein Werk zu bauen, lohnt sich aber erst bei 250.000 Autos oder mehr.

"Niemand sonst hat eine Marke so schnell wiederbelebt", sagt Lajdziak. Die 50-Jährige ist seit 28 Jahren bei GM. Die Saturn-Chefin trägt eine türkisfarbene Strickjacke zur schwarzen Hose und rühmt in San Diego den Astra als ein europäisches Produkt - "entwickelt und designt für die Autobahn". Sie hofft, mit dem Astra eine jüngere Kundschaft zu erreichen. Bisher sind die Käufer je nach Modell im Schnitt bis zu 56 Jahre alt.

Lajdziak kann bei der Einführung nur auf 440 Händler bauen. Aber die sollen manches anders machen als die Konkurrenz. Vorführwagen werden auch ins Büro gebracht. Werkstätten arbeiten auch samstags - ohne Voranmeldung. Kunden werden zum Mittagessen mit Erfahrungsaustausch eingeladen, wenn sie ihr neues Auto vier Wochen gefahren haben.

Früher alles selbst entwickelt

Tony Rosenblum, Chef des Saturn-Autohauses in Temecula in Kalifornien, inszeniert die Auslieferung in einer speziellen Halle als Enthüllung, bei der eine samtrote Stoffhülle vom Auto abgestreift wird. Acht Scheinwerfer unter der Decke setzen das Ereignis ins rechte Licht. Rosenblum, 39, glaubt, dass GM mit dem Astra Kunden von den asiatischen Herstellern zurückholen kann. Die seien interessiert, ebenso wie "Umsteiger von Monstertrucks".

Letztere könnten allerdings bereits vorher GM-Kunden gewesen sein. Gut ist der Astra-Export nach Amerika nicht nur für Saturn, sondern auch für das nun besser ausgelastete Werk in Antwerpen. Und für die 9500 Ingenieure, Physiker und Chemiker in den europäischen Entwicklungs- und Designzentren, deren Produkt jetzt auf einem Markt angeboten wird, für den die GM-Zentrale in Detroit früher alles selbst entwickelte.

Hosenträger-Image

In Europa war der Astra zwar im September das meistverkaufte Auto, noch vor dem VW-Golf. Aber die Zulassungszahlen in Deutschland sind dramatisch gesunken, im Oktober um 37,8 Prozent gegenüber einem Jahr zuvor.

Die Erhöhung der Mehrwertsteuer hat dazu beigetragen. Doch sie allein erklärt nicht, weshalb das selbe Auto im europäischen Ausland offensichtlich erheblich beliebter ist als daheim, im Opel-Land. "Die Autos waren schon immer wesentlich besser als das Image der Marke", sagt Lutz. Für ihn ist dies ein Rätsel, mit dem er seit seiner ersten Zeit bei Opel 1965 kämpft. Es sei ein wenig so, wie früher bei der Münchner Biermarke Löwenbräu. Dinge werden weltweit geschätzt, nur in ihrer Heimat nicht so sehr.

Nach wie vor haftet der Marke Opel in Deutschland das Image an, konservativ und nicht cool zu sein. "Zu meiner Zeit", sagt Lutz, "nannte man es Hosenträger-Image".

© SZ vom 08.12.2007/woja - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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