Opel-Proteste:"Die Pipeline ist leer"

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Der wilde Streik im Bochumer Opel-Werk fügt General Motors inzwischen beträchtlichen Schaden zu. Weil Lieferungen aus Bochum fehlen, gehen offenbar die Lagerbestände in den GM-Werken in England, Belgien und Polen zur Neige. Unterdessen verhandeln in Rüsselsheim Management und Betriebsrat über das Sparpaket.

Durch die anhaltenden Proteste in Bochum komme es bereits jetzt zu Engpässen bei der Astra-Produktion in anderen europäischen Werken, hieß es von Arbeitnehmerseite. "Die Pipeline ist leer", sagte der Betriebsrat Lothar Marquardt am Montag.

Mitarbeiter der Opel-Werke in Bochum blockieren das Tor 1. (Foto: Foto: AP)

Bei der Just-in-time-Produktion gebe es einen Vorlauf von drei Tagen. "Nach unseren Informationen sind die Lagerbestände in den Werken leer", sagte Marquardt.

In Bochum werden unter anderem die Achsen für den Astra produziert, der in den General-Motors-Werken im belgischen Antwerpen, im englischen Ellesmere Port sowie im polnischen Gleiwitz gebaut wird.

In Antwerpen werden die Teile knapp

Die Früh- und die Spätschicht könnten noch normal arbeiten, sagte der Sprecher des Werkes Antwerpen, Marco Van Riel. Für die Nachtschicht würden die Teile jedoch knapp.

Die Arbeiter des Werkes in Gleiwitz erklärten sich unterdessen mit ihren protestierenden deutschen Kollegen solidarisch. Am Dienstag werde zwar nicht die Arbeit niedergelegt, aber auf Betriebsversammlungen über die Arbeitsniederlegung im Bochumer Werk informiert, sagte Slawomir Ciebiera, Vorsitzender der Gewerkschaft "Solidarität" in dem Gleiwitzer Werk.

"Heute betreffen die Entlassungen vor allem die Arbeiter in den deutschen Werken, aber in ein paar Jahren kann das auch uns betreffen", betonte er. Angesichts der billigen Konkurrenz aus Asien könne sich die Lage des Konzerns so verschlechtern, dass auch Arbeitsplätze in Ostmitteleuropa bedroht werden.

"Notwehr"

Marquardt verteidigte erneut die Arbeitsniederlegung. "Das ist Notwehr", sagte der Vorsitzende der Personalkommission. Die Kollegen hätten Angst um ihre Jobs.

Auch die IG Metall zeigte Verständnis. Formal handele es sich immer noch um Informationsveranstaltungen des Betriebsrats, betonte eine Sprecherin.

Der Münchner Arbeitsrechtler Volker Rieble sprach dagegen von wilden Streiks, da die Gewerkschaft nicht zu ihnen aufgerufen hat und es nicht um konkrete Tarifforderungen geht. Wilde Streiks sind nach deutschem Recht illegal und ein Verstoß gegen die Friedenspflicht.

"Verständnis"

Kritik an den Arbeitsniederlegungen äußerte erneut Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD). Er habe zwar Verständnis für die Betroffenen, aber "das ändert nichts daran, dass ich das für falsch halte", sagte Clement nach einer Sitzung des SPD-Präsidiums in Berlin.

Die Beschäftigten müssten mit dem Vorstand ins Gespräch kommen, um den Standort Bochum nicht dauerhaft zu schwächen, sagte Regierungssprecher Bela Anda. Auch Autobauer wie Audi und BMW seien in früheren Krisen "durch Innovation und durch einen engen Dialog mit der Belegschaft" wieder aus eigener Kraft auf die Füße gekommen.

Auch Gesamtbetriebsratschef Franz rief die protestierenden Kollegen zur Zurückhaltung auf. "Gefühlsmäßig habe ich für die Bochumer Proteste großes Verständnis", sagte er der Berliner Zeitung. Jedoch brächten Arbeitsniederlegungen alleine die Beschäftigten nicht weiter.

"Kämpfen und Verhandeln"

Franz plädierte für eine "intelligente Strategie aus Kämpfen und Verhandeln". Mit Blick auf die Verhandlungen zeigte sich Franz optimistisch: Es sei "keine Illusion, dass wir ohne betriebsbedingte Kündigungen auskommen werden".

Ein europaweiter Stillstand der GM-Werke würde den Konzern nach Schätzungen des Betriebsrates zehn bis 30 Millionen Euro am Tag kosten.

Für Dienstag haben Gewerkschaften und Betriebsräte in allen europäischen GM-Werken zu Aktionen aufgerufen. In den von den Sparplänen am meisten betroffenen Werken Bochum (10.30 Uhr) und Rüsselsheim (11.00 Uhr) sind für den Vormittag Protestmärsche in die Innenstädte geplant. Für mehrere Stunden soll die Arbeit in allen Werken ruhen.

Erste Verhandlungen

Unterdessen trafen das Management und der Betriebsrat von Opel in Rüsselsheim zu ersten Verhandlungen über das radikale Sparpaket zusammen.

Mit ersten Ergebnissen sei am Montag jedoch noch nicht zu rechnen, dämpfte ein Opel-Sprecher die Erwartungen. Zunächst müssten Zeitrahmen und Themen der Verhandlungen über die Kosteneinsparungen abgesteckt werden.

Die Arbeitnehmerseite bekräftigte zudem am Montag ihre Bereitschaft, einen Beitrag zu der von General Motors geplanten Kostenreduzierung in Höhe von 500 Millionen Euro zu leisten.

"Der Preis muss klar sein"

Für die Gespräche sei es aber notwendig, dass es eine Bestandsgarantie für alle Werke gebe und betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen würden. "Der Preis muss klar sein", hieß es. Von der Opel-Geschäftsführung wurde ein Signal gefordert.

An der ersten Verhandlungsrunde nahmen keine prominenten IG-Metall-Funktionäre teil, ein Spitzengespräch zwischen Opel und der Gewerkschaft für die kommenden Tage wurde aber nicht ausgeschlossen.

"Ich gehe davon aus, dass sich die Personaleinsparziele erhebliche relativieren lassen", sagte der Frankfurter IG-Metall-Bezirksleiter Klaus Mehrens. Die Gespräche stünden aber erst am Anfang.

Bis Ende November solle ein Ergebnis erzielt werden. Wer aus dem Vorstand die Gespräche mit Gesamtbetriebsratschef Franz und dessen Stellvertreter Peter Klein aufnahm, wollte der Sprecher nicht sagen. Auch Angaben zum genauen Ort und der geplanten Dauer der ersten Gesprächsrunde wurden nicht gemacht.

Anhaltend hohe Verluste

Am Donnerstag hatte die Opel-Mutter GM angesichts anhaltend hoher Verluste die Streichung von 12.000 Arbeitsplätzen in Europa innerhalb von zwei Jahren angekündigt, die meisten davon in Deutschland. Vor allem in Bochum und Rüsselsheim soll massiv gekürzt werden.

© sueddeutsche.de/AFP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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