Opec:Ringen um die Macht 

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Nigeria drosselt auf Druck Saudi-Arabiens die Produktion. Libyen bleibt stur, die USA verkaufen mehr Schieferöl.

Von Simone Boehringer, München

Es ist der Kampf der Planwirtschaft gegen die Marktwirtschaft, ein weiterer Versuch, die Vormachtstellung der Vereinigung erdölexportierender Länder (Opec) zu erhalten, solange es geht. Das tonangebende Land des Kartells, Saudi Arabien, hatte zu dieser Sitzung des Opec-Überwachungsausschusses am Montag im russischen Sankt Petersburg gedrängt, um die Förderquoten-Politik unter die Lupe zu nehmen. Der Grund: Sorge um die Einhaltung der Quoten. Trotz beschlossener Förderkürzung ist der Ölpreis zuletzt deutlich unter 50 Dollar je Fass gesunken. "Einige Länder hinken weiterhin hinterher, was Grund zur Sorge ist und was wir angehen müssen", sagte der saudische Ölminister Khalid al-Falih.

Erst im Mai hatten die Opec und einige Förderländer außerhalb des Kartells ihre Vereinbarung, die Ölförderung um 1,8 Millionen Fass am Tag zu senken, bis März 2018 verlängert. Über den verstärkten Abbau von Lagerbeständen und einer gleichzeitig fürs zweite Halbjahr 2017 erwarteten höheren Ölnachfrage möchte das Ölkartell die Preise stabil halten - und das weit oberhalb der zuletzt erreichten Marke von 50 bis 55 Dollar pro Fass. 70,80 oder mehr Dollar stellen sich viele Ölminister in der Opec vor, auch um die wachsenden Ansprüche ihrer Sozialstaaten zu befriedigen. Öl ist dort oft die wichtigste Einnahmequelle.

Bisher hat die Quotenregel kaum auf die globalen Lagerbestände durchgeschlagen. Sie bleiben hoch

Doch bisher hat das Abkommen kaum auf die globalen Lagerbestände durchgeschlagen. Mit gut drei Milliarden Barrel entsprechen diese derzeit dem 30-Fachen der täglichen Rohölproduktion.

Tankstelle in Dschidda, Saudi-Arabien: Das Land ist der größte Ölförderer und gibt den Ton in der Opec an. Für die eigenen Bürger ist Öl sehr billig. (Foto: Mario Aurich/imago)

Das größte Problem: Zwei Opec-Länder, Nigeria und Libyen, deren Ölproduktion sich wegen innenpolitischer Unruhen zwischenzeitlich stark reduziert hatte, sind mit steigenden Förderquoten am Markt zurück. Beide Länder waren bisher nicht Teil der Quoten-Vereinbarung. "Die beiden Länder sorgen für eine Veränderung der Ölproduktion um eine Million Fass pro Tag im Vergleich zu Januar", berichtet Frank Klumpp, Rohstoffanalyst der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW). Ein Gutteil der Förderquote wird dadurch kompensiert. Nigeria erklärte sich nun am Montag in Petersburg bereit, die Produktion zu drosseln, Libyen weigerte sich.

Doch es gibt noch andere Probleme, das zweitgrößte ist: Ecuador. Erst vergangene Woche hatte das kleine Opec-Land als erstes mitgeteilt, sich die anhaltende Förderkürzung nicht leisten zu können. Ecuadors Ölminister Carlos Perez hatte ganz klar die leere Staatskasse als Grund genannt. Seitdem wird an den Märkten über einen Domino-Effekt spekuliert. "Es geht grundsätzlich darum, was schneller steigt, die Produktion oder die Ölnachfrage", sagt Eugen Weinberg, leitender Rohstoffanalyst bei der Commerzbank. Noch sieht es so aus, als hätte die Angebotsseite die Oberhand. Zwar rechnen viele Ölexperten damit, dass die Nachfrage im Laufe des dritten Quartals anzieht, und wenn die Opec-Quote nun besser eingehalten wird, könnte der Ölpreis wieder steigen. Allerdings nicht in die von Opec-Ministern erträumten Höhen - weil andere Produzenten die Lücken auffüllen, die sich bieten.

SZ-Grafik; Quelle: Bloomberg (Foto: SZ-Grafik)

Und das ist das dritte und von der Opec am wenigsten zu kontrollierende Problem: "Die US-Ölindustrie hat durch Effizienzsteigerungen die Produktionskosten für die Schieferölproduktion deutlich gesenkt", erklärt Rohstoffexperte Weinberg, und dieses Potenzial hätten die Opec-Staaten unterschätzt. Tatsächlich ging die Opec lange davon aus, dass die Fracking-Industrie unter 75, 80 Dollar je Fass nicht rentabel arbeiten könne. Das stimmte am Anfang, deshalb kam es nach dem ersten Ölpreiseinbruch 2014 und auch nach dem zweiten Anfang 2016 zu einer Konsolidierung bei den Produzenten, die das Rohöl in aufwendigen Prozessen aus dem Gestein lösen müssen. Jedoch sind die Kosten für den Abbau weiterer Vorkommen ,,in den letzten vier Jahren von 80 auf 40 Dollar je Barrel gesunken", schreibt die Privatbank Sal. Oppenheim in einer Analyse. "Dort sehen wir die Untergrenze für den Ölpreis", folgert Portfolio-Manager Alwin Schenk. LBBW-Experte Klumpp schließt sich mit einer Prognose von 50 Dollar je Fass an, zumal "US-Präsident Donald Trump es der Schieferindustrie in Zukunft leichter machen will". Es geht um die Lockerung von Umweltauflagen und um Pipelines, die das Schieferöl schneller zur Verarbeitung bringen. Ob und wie lange die Schieferölproduktion noch gesteigert werden kann, ist umstritten. Aber der Preis für ein knappes Gut entscheidet sich zum Gutteil an den aktuellen Verfügbarkeiten, und die sind ausreichend. In den vergangenen fünf Jahren, nachdem das Barrel Öl mal weit jenseits der 100-Dollar-Marke stand, ist die US-Schieferölproduktion um mehr als ein Drittel gestiegen. Derzeit liegt sie bei fast zehn Millionen Fass pro Tag. Anders als die Opec-Produzenten richten westliche Anbieter ihre Strategie individuell aus. "Viele Produzenten nutzen kurzfristige Ölpreiserholungen aus, um ihre Förderung auf Jahre mit Gewinn zu verkaufen", beobachtet Rohstoffexperte Weinberg. Die Opec unterschätze dieses rationale Verhalten der freien Marktteilnehmer, findet er. Sie verliere daher zunehmend die Kontrolle über die Preisbildung.

© SZ vom 25.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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