Online-Handel :Das Henne-Ei-Problem

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Die deutschen Banken wollten ihren US-Konkurrenten und deren Angeboten für das Bezahlen im Internet etwas entgegensetzen. Doch das Vorhaben könnte scheitern.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Gummibärchen kann man bestellen, Dirndltaschen, außerdem Holzspielzeug oder Fahrradzubehör. Mehr als hundert Händler haben sich inzwischen Paydirekt angeschlossen, dem neuen Onlinebezahlsystem der deutschen Banken. Vor einem guten halben Jahr ist es gestartet, seither haben sich mehr als eine Viertel Million Privatkunden registriert. "Da sind wir sehr zufrieden", sagte Niklas Bartelt am Donnerstag auf einer Konferenz der Börsen-Zeitung in Frankfurt. Der ehemalige Volksbanker ist Geschäftsführer von Paydirekt. Sein Ziel: Dem US-Anbieter Paypal einen großen Teil des auch hierzulande schnell wachsenden Marktes für Online-Bezahlungen streitig zu machen. Nicht mehr und nicht weniger.

Gegen Paypals Angebot für das Bezahlen im Internet hatten die deutschen Banken jahrelang an Boden verloren. Nach all den Internet-Spionage-Skandalen wirbt Paydirekt vor allem damit, dass es sich um ein deutsches System handelt, mit dem sensible Daten vermeintlich besser geschützt sind. Es ist eines der ehrgeizigsten Gemeinschaftsprojekte von Genossenschaftsbanken, Sparkassen und Privatbanken. Etwa 100 Millionen Euro dürften sie bislang in die Entwicklung gesteckt haben.

Doch ein gutes halbes Jahr nach dem Start zeigt sich: Paypal den Rang abzulaufen, davon ist Paydirekt noch so weit entfernt wie die Sonne von der Erde. Denn Konkurrent Paypal zählt in Deutschland mittlerweile 17,2 Millionen aktive Kunden, die den Dienst im Schnitt 1,7 Mal pro Monat nutzen, um etwas zu bezahlen. Laut dem Einzelhandelsinstitut EHI sind über drei Viertel aller maßgeblichen Online-Händler an Paypal angeschlossen. Weiter verbreitet sind in Deutschland nur noch die Möglichkeit, mit Kreditkarte oder Rechnung zu bezahlen. Selbst Sofortüberweisung, ein vor zehn Jahren in Gauting bei München gegründetes Bezahl-Unternehmen, ist heute bei über 55 Prozent der Händler in Deutschland eingebunden.

Viel Zeit verloren: Die Banken waren sich lange nicht einig über die Details des Projekts

Bartelt weiß, dass noch einiges an Arbeit vor ihm liegt. "Wir haben noch nicht genug Händler auf der Plattform", räumte er ein. Was sich harmlos anhört, ist jedoch ein handfestes, ein Henne-Ei-Problem: Solange Kunden Paydirekt kaum begegnen, wenn sie im Netz einkaufen, zögern sie, sich zu registrieren. Solange sich jedoch nur wenig Kunden registriert haben, binden die Händler kein weiteres Verfahren ein, denn das ist mit Aufwand verbunden. Bislang fehlt Paydirekt bei großen Händlern wie Amazon oder Zalando. Der Metro-Konzern will zwar mitmachen, allerdings erst zum Weihnachtsgeschäft. Auch mit einer breit angelegten Werbekampagne hielt sich Paydirekt bislang zurück.

Immerhin: Wie ein Sprecher des Sparkassendachverbandes DSGV sagte, soll noch Ende dieser Woche eine große Kampagne starten, die "man nicht übersehen wird". Schuld an der Zurückhaltung waren auch die Sparkassen selbst, die sich lange geziert hatten, bei Paydirekt mitzumachen. Erst Ende April und damit nach monatelanger Verzögerung haben sie ihre Kunden angeschlossen. Auch dadurch hat das Projekt wertvolle Zeit verloren.

Aber es lief noch mehr schief: Das lag zum einen daran, dass die dahinterstehenden Banken - die im Alltagsgeschäft in heftigster Konkurrenz zueinander stehen - mehr als zwei Jahre ins Land gingen ließen, bis sie sich überhaupt auf die Rahmendaten des Projektes einigten. Gleichzeitig ließen sie Giropay, ein bereits vor zehn Jahren gestartetes und nach Meinung vieler Experten absolut brauchbares gemeinsames Verfahren, quasi verhungern. Und als wäre das nicht schon skurril genug, lebt Giropay parallel weiter und hat es still und heimlich sogar geschafft, namhafte Händler von sich zu überzeugen.

Viele Experten sind deshalb skeptisch, ob der deutsche "Paypal-Killer" überhaupt noch eine Chance hat. "Paydirekt ist ein Nachahmerprodukt und in einem Markt aktiv, der seit vielen Jahren verteilt ist", sagt Maik Klotz, Unternehmensberater und Bezahlexperte. Um in einem solchen Markt aber erfolgreich zu sein, reiche es nicht aus, den Marktführer zu imitieren. Man müsse besser sein. "Genau das ist Paydirekt nicht", sagt Klotz. Und auch aus Händlersicht sei das Verfahren nicht herausragend. Weil Paydirekt derzeit noch ein nationales Bezahlverfahren sei, fielen internationale Händler wie Amazon oder Zalando heraus. Mehr noch: Nach Paypal entdeckten nun auch mächtige US-Tech-Konzerne wie Apple den Online-Bezahlmarkt für sich. Kurzfristig sei das keine Gefahr für Paydirekt - mittelfristig aber ganz bestimmt, sagt Berater Klotz.

Paydirekt wirbt vor allem damit, dass es sich um ein deutsches System handelt

Paydirekt-Chef Bartelt ficht solche Kritik nicht an. "Es geht bei unserem Verfahren nicht darum, dass es besonders neu ist, sondern dass es die Bedürfnisse der Kunden deckt", sagt er. Diese könnten sich über das eigene Girokonto registrieren, das gebe ein Gefühl von Sicherheit. "Dabei geht es um das Vertrauen in meine Hausbank, mit der ich vielleicht schon eine lange Beziehung habe." Das werde sicherlich "den ein oder anderen motivieren, erstmals überhaupt im Internet einzukaufen", hofft Bartelt. Die Euphorie für das Gemeinschaftsprojekt, sie war schon größer.

© SZ vom 01.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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