Olympiasiegerin Uschi Disl:"Die Suche nach Sponsoren bedeutet Klinken putzen"

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Biathlon-Olympiasiegerin Uschi Disl über ihre Erfahrungen als sportliche Werbeträgerin für Unternehmen und deren Marken.

Uwe Ritzer

SZ: Frau Disl, können Sie sich noch an Ihren ersten Sponsor erinnern?

Olympische Winterspiele in Turin: Uschi Disl gewinnt beim Massenstart über 12,5 km die Bronze-Medaille. (Foto: Foto: dpa)

Disl: Ich bin mir nicht mehr ganz sicher: Ich glaube, es war eine Lottogesellschaft. Aber die Summe weiß ich noch ganz genau. Es waren 3000 Mark im Jahr. Das müsste 1991 gewesen sein.

SZ: In den folgenden 15 Jahren waren Sie ungemein erfolgreich. Da dürfte der Rubel kräftig gerollt sein.

Disl (lacht): Schön wär's. Aber selbst Legenden unseres Sports, wie Fritz Fischer oder Peter Angerer, konnten nicht allein vom Biathlon leben. Trotz der vielen Medaillen. Bei mir wurde es 1998 besser, als die Heiztechnikfirma Viessmann mein Sponsor wurde. Etwa ab 2000 hätte ich vom Biathlon ordentlich leben können. Aber ein professionelles Management, das sich um Sponsoren gekümmert hat, hatte ich erst ab 2002.

SZ: Biathlon ist heute die populärste Wintersportart. Auf Ihrer Internetseite werden nach wie vor Konzerne wie Adidas, Eon, Audi oder BASF als Ihre "Partner" genannt. Haben Sie bis an Ihr Lebensende ausgesorgt?

Disl: Die Homepage stimmt an dieser Stelle nicht mehr. Außer einem kleinen Werbevertrag mit der Sportmodefirma Odlo habe ich keine Sponsoren mehr. Nach der Geburt meiner Tochter vor einem Jahr lebte ich zunächst vom Erziehungsgeld. Jetzt bin ich als Biathlon-Expertin für die ARD unterwegs und erhalte dafür Honorar. Ich habe den anfänglichen Biathlon-Boom noch aktiv miterlebt und konnte damals gut vom Sport leben. Aber ausgesorgt habe ich nicht. Bei denen, die jetzt erfolgreich sind, wird das vermutlich anders sein.

SZ: Warum die und nicht Sie?

Disl: Als ich 1991 begonnen habe, war Biathlon ein Exotensport. Die wenigen Zuschauer haben sich hauptsächlich für die Männerrennen interessiert. Erst in den vergangenen Jahren ist das öffentliche Interesse stark gestiegen und das Fernsehen ist groß eingestiegen. Wobei das eine mit dem anderen zu tun hat.

Aber in erster Linie haben die erfolgreichen Sportler Biathlon nach vorne gebracht. Es gibt heute mehr Disziplinen und die werden immer spannender inszeniert. Das gefällt dem Fernsehen. Je mehr übertragen wird, desto interessanter werden eine Sportart und ihre Aktiven für Sponsoren. Ich hätte zu Beginn meiner Karriere ohne Sporthilfe oder die Anstellung bei der Bundespolizei meinen Sport nicht ausüben können.

SZ: Wie haben Sie nach Sponsoren gesucht?

Disl: Das war hartes Klinkenputzen. Wenn ich bei einem Wettkampf die Werbebande oder auf dem Rennanzug eines Kollegen den Schriftzug einer Firma gesehen habe, habe ich mich dort gemeldet. Nach dem Motto: Ich bin Uschi Disl, ich bin erfolgreich, wollen Sie mich nicht unterstützen? Meine Gegenleistung war, dass ich Werbeaufnäher getragen oder Werbetermine wahrgenommen habe.

SZ: Aber auch ältere Fotos zeigen Sie bepflastert mit Werbeaufnähern.

Disl: Manche dieser Sponsoren haben nicht mich unterstützt, sondern den Skiverband. Deren Logo mussten die Sportler dann tragen. Davon habe ich nicht unmittelbar, wohl aber indirekt profitiert. Dann gibt es noch die Ausstatter. Die liefern Handschuhe oder ein neues Gewehr, zahlen aber nichts. In der Öffentlichkeit herrscht ein völlig falsches Bild von Sportsponsoring, jedenfalls beim Biathlon. Da geistern utopische Summen durch die Gegend.

SZ: Haben Sie es bei Konzernen versucht oder bei kleinen Firmen?

Disl: Meistens bei Familienunternehmen. Oft war es so, dass man einfach jemanden kennengelernt hat. Zum Beispiel hat mich eine Zeitlang ein Hersteller von Saiten für Tennisschläger gesponsert. Ganz einfach, weil sein Sohn Schießscheiben für Biathlon hergestellt hat.

SZ: Sind Sie neidisch auf die jungen Kollegen von heute, die kräftig verdienen?

Disl: Nein, ganz bestimmt nicht. Eine Magdalena Neuner verdient sich ihr Geld richtig hart, das können Sie mir glauben. Biathlon ist am Zenit angelangt. Die vielen Zuschauer, das Fernsehen, die Sponsoren - das alles bedeutet für den Sportler auch Druck, unbedingt erfolgreich zu sein. Da beneide ich keinen.

Die Biathletin Uschi Disl ist eine der erfolgreichsten deutschen Sportlerinnen. Sie gewann acht olympische Medaillen (darunter zweimal Gold) und ebenso viele Weltmeistertitel. Die meisten Erfolge erzielte sie mit der Staffel. 2005 wurde sie "Sportlerin des Jahres". Reich geworden ist die Bayerin durch den Sport nicht.

© SZ vom 24.01.2008/sho/ckn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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