Olymp:Wohlstandsbäuchle-Hemd

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Will mit seinen Hemden höher hinaus: Mark Bezner, geschäftsführender Gesellschafter der Textilfirma Olymp Bezner. (Foto: Christoph Schmidt/picture alliance)

Während die Textilbranche ansonsten viele Pleiten meldet, strebt der schwäbische Hersteller weiter nach oben.

Von Stefan Mayr, Bietigheim-Bissingen

Mark Bezner sitzt in seinem neuen Showroom, in dem die neue Ära des Hemden-Herstellers Olymp besonders gut sichtbar ist. Die Tische sind mit edlem, schwarzblauem Rindsleder bezogen und dicken Ziernähten versehen. Von den Wänden schaut in Übergröße der Hollywood-Schauspieler Gerard Butler ("London has Fallen", "God of Egypt") herab, mit Stoppelbart und blütenweißem Hemd aus dem Hause Olymp. Bezner, der Chef des Hemdenherstellers aus dem schwäbischen Bietigheim-Bissingen, blickt hoch auf seinen neuen schottischen Markenbotschafter und schwärmt: "Der ist ein echter Typ, nicht so ein verhungerter Hänfling, wie man sie in der Modebranche oft sieht." Butlers Äußeres passe perfekt zu Olymp: "Gesund, athletisch und kräftige Oberarme, das passt zu unserer demokratischeren Schnittform, die auch ein Wohlstandsbäuchle zulässt."

Mark Bezner, 54, ehemaliger Nachwuchs-Europameister im Schwimmen, hat sich einen sportlichen Kraftakt vorgenommen: Er wagt den Sprung ins Premium-Segment. Dazu gehört viel Mut angesichts der angespannten Lage in der Branche, in der zuletzt jede Menge Hersteller und Händler Insolvenz anmelden mussten. Bislang bewegte sich Olymp im gehobenen Massenmarkt. Der Preis pro Hemd lag deutlich unter 100 Euro, die Zielgruppe waren eher brave Familienväter und sparsame Schwaben, die vor allem Wert auf ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis legen. Es gibt schon auch Geschäftsführer, die Olymp tragen. Aber nur solche, die Bodenständigkeit ausstrahlen wollen. Ein Statussymbol war ein Olymp-Hemd bisher nicht.

Jetzt soll ein Hollywood-Schauspieler für Olymp werben - das wäre bis vor Kurzem so passend gewesen, wie Helene Fischer als Testimonial für einen Stützstrumpfhersteller. Der Volkswagen der Herrenhemden fordert Daimler und BMW heraus. Kann das gut gehen? Wird jemand bereit sein, für ein Olymp-Hemd plötzlich das Doppelte auszugeben? "Wir sind nicht übermütig geworden", sagt Mark Bezner. "Wir entwickeln uns nur konsequent weiter." Als Spezialist für Herrenhemden sei Olymp prädestiniert für diesen Weg. "Viele Händler haben uns zu diesem Schritt aufgefordert, man traut uns das zu." Die Bestellungen für die erste Signature-Kollektion, so heißt die neue Luxuslinie, seien sogar leicht über den Erwartungen. Zahlen nennt Bezner nicht, nur soviel: Der Verkaufspreis wird zwischen 89,95 und 119, 95 Euro liegen. "Es gibt kein Produkt unter 100 Euro, das so viel bietet wie Signature", sagt Bezner.

Dennoch ist dem gelernten Marketing-Mann bewusst, dass er etwas fürs Image tun muss. Deswegen nimmt er einen höheren siebenstelligen Betrag in die Hand. Gerard Butler soll Olymp die nötige Extravaganz verleihen, um in einer Liga mit etablierten Wettbewerbern wie Hugo Boss zu spielen. Das ist ehrgeizig, denn erstens ist die Konkurrenz groß, zweitens ist die Zielgruppe schwierig.

"Deutschland ist ein extrem brutaler Markt mit ganzjährigen Rabattschlachten", räumt selbst Bezner ein. Seitdem in den USA zahlreiche hippe Jung- und Alt-Manager öffentlich in T-Shirts auftreten statt in Businesshemden, wird auch in Europa das kragenlose Hemd zunehmend salonfähig. Bezner nennt dieses Phänomen "Casualisierung". Diese hat den Markt in den vergangenen 20 Jahren in den Keller gezogen. 1995 wurden in Deutschland nach Angaben des Nürnberger Marktforscher-Unternehmens GfK noch mehr als 100 Millionen Hemden verkauft - im Jahr 2016 waren es weniger als die Hälfte.

"Deutschland ist ein extrem brutaler Markt mit ganzjährigen Rabattschlachten."

Gleichzeitig stürzten die Preise ab. 2015 wurden für etwa die Hälfte aller verkauften Hemden nicht einmal 20 Euro bezahlt. Mehr als 50 Euro wollte nur jeder zehnte Käufer ausgeben. Kein Wunder, dass viele Modefirmen pleite gingen: Strenesse, Basler, René Lezard, Laurèl, Rena Lange. Auch etliche Händler wie Boecker, Wöhrl und Sinn Leffers meldeten Insolvenz an.

Trotz dieser widrigen Umstände hat sich Olymp positiv entwickelt: In den vergangenen zehn Jahren hat Bezner den Umsatz nach eigenen Angaben mehr als verdreifacht. 2016 machte er mit 800 Mitarbeitern 250 Millionen Euro Umsatz. "Den Trend zur Casualisierung haben wir rechtzeitig erkannt", sagt Bezner. 2010 hat er die Münchner Maerz AG gekauft, um sich Know-how bei Strickwaren ins Haus zu holen. Zu seinem Sortiment gehören inzwischen auch Freizeithemden, Pullover, Sweat- und T-Shirts.

Bezners Konzept funktioniert: Im vergangenen Jahr verkaufte er zwölf Millionen Bekleidungsstücke. Er gilt europaweit als Marktführer bei Herrenoberhemden. Aus dieser Position der Stärke wagt er nun den nächsten Schritt. Nächste Woche wird Gerard Butler nach Berlin eingeflogen und das Olymp-Hemd präsentieren. Neben ihm wird Mark Bezner das "Vollzwirngewebe" und die Knöpfe aus echten Perlmutt-Muscheln preisen.

1984 stand Bezner als Schwimmer kurz vor der Qualifikation zu den Olympischen Spielen. Er scheiterte knapp. "Weil ich übertrainiert war", sagt er heute. Er wollte zu viel. Diesmal ist er überzeugt, dass er nicht überdreht.

© SZ vom 30.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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