Offshore-Firmen:Ärger im Steuerparadies

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Die Regierung Großbritanniens zwingt ihre Überseegebiete, die Namen von Unternehmens­eignern zu veröffentlichen. Das bedroht das Geschäft mit Briefkastenfirmen.

Von Björn Finke, London

Steueroasen wie die Britischen Jungferninseln sind beliebte Geldverstecke. Auf Gewinne und Einkommen fallen keine Abgaben an. Und wer es diskret mag, für den spinnen Anwaltskanzleien ein Geflecht von Briefkastenfirmen. So bleibt der Eigentümer der Schätze im Dunkeln. Doch das wird bald schwieriger: Schon in zweieinhalb Jahren werden wichtige Steuerparadiese offener über Besitzverhältnisse informieren, als es etwa in Deutschland der Fall ist. Denn die britische Regierung zwingt die 14 Überseegebiete des Königreichs, bis Ende 2020 für alle einsehbare Register aufzubauen, bei denen Unternehmen Angaben über die Eigner hinterlegen.

EU-Staaten haben solche Register der wirtschaftlich Berechtigten schon bis 2017 einführen müssen; das sah die Geldwäsche-richtlinie Brüssels vor. Das Regelwerk ließ den Ländern aber die Wahl, ob sie die Datensammlungen für jeden zugänglich machen oder nur für Behörden. Dem damaligen Finanzminister Wolfgang Schäuble war zu viel Offenheit nicht geheuer. Darum kann das deutsche Transparenzregister nicht jeder durchsuchen. In Großbritannien dagegen sind die Angaben frei verfügbar. Das hilft Organisationen wie Transparency International oder Netzwerk Steuergerechtigkeit, die gegen Korruption und Steuerhinterziehung kämpfen. Genauso ein öffentliches Register müssen nun die Überseegebiete etablieren.

Transparency International nennt den Beschluss folglich einen "Riesenschritt vorwärts". "Bestechliche Individuen" weltweit müssten sehr besorgt sein.

In den Panama Papers spielten die Britischen Jungferninseln eine wichtige Rolle

Zu den Überseegebieten gehören neben Karibikstaaten etwa auch Gibraltar oder die Falklandinseln. Die Gebiete sind oft frühere Kolonien, ihre Bürger besitzen britische Pässe, Staatsoberhaupt ist die Queen. Die Länder haben eigene Parlamente und Regierungen, aber um Außenpolitik und Verteidigung kümmert sich London. Die britische Regierung verlangt jetzt, dass die Parlamente so ein Register einführen.

Versäumen sie das, wird London an ihrer Stelle tätig. Dass die britische Regierung die Souveränität der Überseegebiete einschränkt und ihnen Gesetze aufzwingt, kommt sehr selten vor. Im Jahr 1991 schaffte Großbritannien auf diese Weise die Todesstrafe in Überseegebieten ab, 2000 wurde so Homosexualität legalisiert.

Der frühere Premierminister David Cameron forderte schon vor fünf Jahren, dass diese Länder für alle einsehbare Register aufbauen. Er inszenierte sich als Kämpfer gegen Steuerhinterziehung und Schwarzgeld. Da war es unangenehm, dass Überseegebiete als Geldverstecke berüchtigt sind. In den Panama Papers, den durchgestochenen Unterlagen der inzwischen geschlossenen Anwaltskanzlei Mossack Fonseca, spielten die Britischen Jungferninseln eine wichtige Rolle. Die Juristen hatten sich darauf spezialisiert, Briefkastenfirmen einzurichten. Das ermöglichte reichen - und oft recht dubiosen - Klienten, Besitztümer zu verschleiern. Mehr als die Hälfte der Briefkastenfirmen, die in den Papieren genannt wurden, hatten ihren Sitz auf den Britischen Jungferninseln, einer Inselgruppe mit gut 30 000 Einwohnern.

Obwohl Camerons Appell weitgehend folgenlos verhallte, schreckte London vor härteren Schritten zurück. Seine Nachfolgerin Theresa May wollte die Überseegebiete zu nichts zwingen. Als sich das Parlament nun aber mit einem Gesetz gegen Geldwäsche befasste, beantragten Oppositionspolitiker, den Passus über Register in Überseegebieten einzufügen. Einzelne Abgeordnete aus Mays Konservativer Partei unterstützten das. Mays Mehrheit ist schmal: Um eine Abstimmungsniederlage zu vermeiden, akzeptierte die Regierung deshalb am Dienstag die Ergänzung.

Der konservative Parlamentarier Andrew Mitchell, einst Minister unter Cameron, sagte, die Rechtfertigung für das Gesetz seien die Enthüllungen aus den Panama Papers und Paradise Papers. Die Paradise Papers sind Unterlagen der auf Briefkastenfirmen spezialisierten Anwaltskanzlei Appleby, die der SZ zugespielt wurden und im vergangenen Herbst viele Schlagzeilen machten.

Orlando Smith, der Premier der Britischen Jungferninseln, nannte die Entscheidung einen "Vertrauensbruch", der die in der Verfassung garantierten Rechte seiner Bürger bedrohe. BVI Finance, der Lobbyverband der dortigen Finanzindustrie, klagte über "Kolonialismus". Das Register gefährde die Zukunft der Geldbranche, hieß es. Briefkastenfirmen sind ein wichtiger Wirtschaftszweig auf der Inselgruppe und in vielen anderen Überseegebieten.

Kritiker warnen, dass Kriminelle ihre Schätze schlicht in andere Steueroasen verlagern könnten. Etwa auf die Isle of Man in der Irischen See oder die Ärmelkanal-Inseln Jersey und Guernsey. Das sind keine britischen Überseegebiete, sondern Kronbesitzungen des Königshauses. Dieser Status bedeutet, dass auch bei ihnen London für Außen- und Verteidigungspolitik zuständig ist. Doch anders als bei Überseegebieten kann das Parlament in Westminster keine Gesetze gegen den Willen der Insel-regierungen erlassen.

© SZ vom 03.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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