Obamas neuer Finanzminister Jacob Lew:Luftschlangen auf der Dollarnote

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Budgetexperte mit rundlich-verspielter Unterschrift: Jack Lew, der designierte US-Finanzminister. (Foto: AP)

Zahlenfreak und knallharter Verhandler: Der designierte US-Finanzminister Jacob Lew genießt Obamas Vertrauen. Mit Harry-Potter-Brille und seiner kindlich-rundlichen Handschrift wirkt Lew unschuldig, doch der 57-Jährige hat sich in seiner langen Karriere Respekt erworben - und mächtige Feinde gemacht.

Von Matthias Kolb, Washington

Wenn alles nach Plan läuft, dann sehen die Amerikaner bald lustige Kringel auf ihren Geldscheinen. Kaum wurde in mehreren US-Medien übereinstimmend berichtet, dass Präsident Barack Obama seinen Büroleiter Jacob Lew an diesem Donnerstag als Finanzminister nominieren will, wurde im Internet erneut über die ziemlich eigenwillige Unterschrift des 57-Jährigen debattiert.

Der Grund: Die Signatur des Secretary of the Treasury schmückt alle frisch gedruckten Dollar-Noten und nicht nur das New York Magazine findet Lews Handschrift "schrecklich" ( inklusive Foto-Beweis). Catherine Rampell vom Economix-Blog der New York Times erinnert die Krakelei an eine Achterbahn und sie verweist auf einen Artikel der Daily Mail: Die britische Zeitung hatte 2011 eine Graphologin konsultiert, welche Charakterzüge sich hinter der "lächerlichsten Unterschrift aller Zeiten" verbergen. Die Antwort der Expertin: Diese Person möchte nicht viel über sich verraten.

Dass sich die Journalisten mit Nebensächlichkeiten wie Lews Handschrift beschäftigen konnten, illustriert, wie wenig überraschend die Entscheidung Obamas ist. Seit Monaten galt der gebürtige New Yorker als designierter Nachfolger des amtsmüden Timothy Geithner, der noch zum Jahreswechsel die Verhandlungen mit den Republikanern zur "Steuerklippe" geleitet hatte.

Das schwierigste Amt, das Obama zu vergeben hat

Der einzige Grund, wieso der Präsident Lew nicht ins Finanzministerium schicken könnte, wäre die Wertschätzung, die sich der Zahlenfreak als Büroleiter und "Türwächter" erworben hat, hieß es etwa im National Journal. Als Chief of Staff organisierte Lew das Tagesgeschäft des mächtigsten Manns der Welt und entschied, wer wie schnell einen Termin im Oval Office erhielt. Wie eng ihr Verhältnis ist, wird auch dadurch deutlich, dass Obama Lew nun mit dem schwierigsten Amt betraut, das er derzeit zu vergeben hat.

Denn der neue Finanzminister muss nicht nur in zwei Monaten erneut mit den Republikanern über eine Lösung im erbittert geführten Haushaltsstreit verhandeln - die notdürftige Einigung zum Jahreswechsel hatte viele Probleme nur verschoben. Vor allem muss Lew mit den Konservativen über die Anhebung der Schuldenobergrenze feilschen: Die US-Regierung hat das Limit von 16,4 Billionen Dollar bereits zum Jahresende überschritten und kann nur mit Buchungstricks die Zahlungsunfähigkeit bis Ende Februar vermeiden.

Für seine neue Aufgabe ist es von Vorteil, dass sich der überzeugte Liberale nicht in die Materie einarbeiten muss und mit den Feinheiten des Budgets vertraut ist: Vor seinem Amt als Büroleiter war er zunächst einer von zwei Stellvertretern von Außenministerin Hillary Clinton und anschließend Obamas Haushaltsdirektor - diese Position hatte er bereits in den neunziger Jarhen unter Bill Clinton inne. Lew ist ein pragmatischer Liberaler, der sich mit zwölf Jahren in seinem ersten Wahlkampf engagierte, als Teenager gegen den Vietnamkrieg protestierte und mit 18 als Hilfskraft im Kongress anfing. Neben seiner Arbeit auf dem Capitol Hill erwarb er einen Jura-Abschluss der renommierten Georgetown University und war in den achtziger Jahren ein enger Helfer von Tip O'Neill, dem damaligen demokratischen Sprecher des Repräsentantenhauses - schon damals spielte er eine wichtige Rolle in Haushaltsverhandlungen.

Im Gegensatz zu Vorgänger Timothy Geithner, dem ehemaligen Leiter der New Yorker Zentralbank, ist Lew kein intimer Kenner der Finanzmärkte und der Wall Street, auch wenn er zwischen 2006 und 2008 einen gut dotierten Job bei der Citigroup hatte. Beobachter in Washington sehen mit dem Personalwechsel auch eine Änderung der Prioritäten: Während in der ersten Amtszeit die Folgen der Finanzkrise im Mittelpunkt standen, stellt sich Obama nun auf ständige Rangeleien mit den Republikanern über Budget und Kürzungen bei Sozialleistungen ein. Er will dafür sorgen, dass sich die Staatsverschuldung stabilisiert, ohne dass das Wirtschaftswachstum gefährdet oder das Sozialsystem beschnitten wird.

Für diese Aufgabe ist ein Netzwerker wie Lew, der fast sein ganzes Berufsleben in der US-Hauptstadt verbracht hat, bestens geeignet. Und in Washington macht niemand den Fehler, den Schlaks mit der Harry-Potter-Brille zu unterschätzen. "Er ist ein knallharter Verhandler. Er gibt nicht einen Millimeter nach, wenn er es nicht muss", meint der konservative Ex-Senator Judd Gregg. Ähnlich äußerte sich Eric Cantor, nach John Boehner zweitmächtigster Republikaner im Repräsentantenhaus und derzeitiger Majority Leader: "Niemand war besser vorbereitet als Jack und kannte die Zahlen besser. Er war immer höflich und respektvoll." Das persönliche Verhältnis des designierten Finanzministers zu John Boehner, dem Sprecher des Repräsentantenhauses, und Mitch McConnell, als Minority Leader oberster Republikaner im Senat, gilt jedoch als angespannt.

Apfel und Käsebrot

In seinem neuen Amt wird der 57-Jährige ähnlich hart arbeiten wie bisher: Jeden Tag bringt sich Lew sein Mittagessen mit, das er am Schreibtisch verzehrt - meist handelt es sich laut New York Times um einen Apfel und ein Käsebrot. Das Lincoln-Porträt und eine Miniatur von Ellis Island, die ihn an seinen aus Polen geflüchteten Vater erinnern soll, wird er ebenfalls mitnehmen. Lew ist orthodoxer Jude, der stets den Schabbat einhält und deswegen freitags sein Büro vor Sonnenuntergang verlässt, und gilt im Weißen Haus als so gläubig, dass sich Mitarbeiter entschuldigen, wenn sie in seiner Anwesenheit fluchen.

Und nichts spricht dafür, dass die neue Funktion den zweifachen Vater ändern wird: Über sein Privatleben schweigt Lew beharrlich. Er taucht nie bei Partys auf und verrät höchstens, dass jeweils ein Sohn in Washington und in New York arbeitet - weil auch seine Frau Ruth in New York lebt, pendelt er zwischen den beiden Städten. Weitere Details bleiben tabu. Insofern lag die Graphologin ziemlich richtig, die für die Daily Mail Lews Unterschrift analysierte: Obamas wichtigster Mann will nicht viel von sich preisgeben.

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