Niedrige Zinsen, hohe Reserven:Bares bunkern, aber sicher

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Schweizer Unternehmer bewahren ihr Geld lieber sicher im eigenen Safe auf. Daher gibt es bereits einen steigenden Bedarf an passenden Tresoren. (Foto: Gianluca Colla/Bloomberg)

Schweizer Unternehmen horten ihr Geld, um Negativzinsen zu vermeiden. Tresore sind ebenso gefragt wie spezielle Versicherungen. In Deutschland könnte das auch bald kommen.

Von Anna Gentrup

Ein beherzter Sprung, dann kopfüber in ein Meer aus Geldmünzen eintauchen. Wie Disneys Geldspeicher-Besitzer Dagobert Duck könnten bald auch deutsche Unternehmen ihre Finanzen verwalten. Statt das Bargeld zur Bank zu bringen, lagern sie es in den eigenen Geschäftsräumen im Tresor. Was sie dazu treibt, ist die derzeitige Entwicklung der Finanzmärkte. Seit 2014 müssen Banken Strafzinsen an die Europäische Zentralbank (EZB) zahlen, wenn sie über Nacht Geld bei der Notenbank parken. Im März 2016 hat die EZB den Einlagenzins auf minus 0,4 Prozent gesenkt. Das führt zu einer absurden Situation: Anstatt den Anlegern auf ihr Guthaben Zinsen zu zahlen, verlangen immer mehr Geldhäuser Gebühren oder Negativzinsen. Große Unternehmen mit entsprechendem Liquiditätsbedarf trifft dies besonders - vor allem in der Schweiz.

Seitdem die Schweizerische Nationalbank (SNB) den Zinssatz für Sichteinlagen - das sind Geldeinlagen ohne feste Laufzeit - auf minus 0,75 Prozent gesenkt hat, ist die Lage angespannt. Parkt eine Bank eine Million Franken bei der SNB, kostet sie das 7500 Franken Strafzins. Diese Kosten geben die Banken als Negativzinsen an Geschäftskunden weiter. Der Zinssatz könnte weiter sinken. Der Internationale Währungsfonds rät der SNB, die Negativzinsen weiter auszubauen, um ihre gewaltigen Devisenberge in den Griff zu bekommen. Schweizer Unternehmen suchen nach Möglichkeiten, ihr Geld sicher im eigenen Safe zu lagern. Millionensummen nicht bei der Bank einzuzahlen, ist jedoch riskant. Kriminelle können deutlich leichter an das Geld kommen. In der Schweiz steigt das Interesse an Bargeldversicherungen. "Aufgrund des tiefen Zinsniveaus stellen wir eine höhere Nachfrage nach Versicherungslösungen für das Einlagern von Bargeld fest", gab Philipp Surholt von der Zurich Insurance Group kürzlich zu Protokoll. Nachgefragt werden Versicherungssummen von 100 Millionen Franken bis zu 500 Millionen Franken. Das merken auch die Schweizer Versicherer Bâloise und Helvetia. "Ja, wir haben seit Einführung der Negativzinsen in der Schweiz insbesondere bei Firmenkunden mit größeren liquiden Mitteln eine leicht steigende Nachfrage in der Bargeldversicherung festgestellt", teilt das Unternehmen auf Anfrage mit. Bei der Helvetia kostet die Versicherung von einer Million Franken in bar rund 1000 Franken Versicherungsprämie. 6500 Franken weniger, als die SNB berechnen würde.

Bald könnten auch deutsche Unternehmen beginnen, Bargeld zu horten. "Die Schweiz ist uns mit Sicherheit ein bis zwei Jahre voraus", sagt Christoph Kälberer, Fachbereichsleiter Gewerbe- und Privatkunden beim Industrieversicherungsmakler Südvers. "Noch vor einigen Jahren hielten Unternehmen ihre Barbestände so gering wie möglich", erinnert er sich. "Der Trend zu größeren Bargeld- oder Edelmetallvorräten fängt jetzt erst an."

Für größere Summen gibt es Bargeldversicherungen. Aber die sind in Deutschland noch rar

Für Furore sorgte im März die Ankündigung des Rückversicherers Munich Re, seine Goldbestände aufzustocken und einen zweistelligen Millionenbetrag in bar einlagern zu wollen. Die genaue Summe und den Ort wollte Konzernchef Nikolaus von Bomhard verständlicherweise nicht nennen. "Es ist nicht hier im Haus", sagte er. Der Manager ging hart mit der EZB ins Gericht. Die Nebenwirkungen ihrer Zinspolitik hätten "verheerende Ausmaße" angenommen. Der Munich-Re-Geldspeicher bleibt aber Fiktion. Das Geld befindet sich bei einer Bank, erklärte eine Sprecherin des Konzerns. Dennoch, wenn ein Weltkonzern wie Munich Re ankündigt, Bargeld horten zu wollen, hat das Signalwirkung.

Wie brisant das Thema ist, zeigt auch die steigende Nachfrage nach Tresoren. "Wir registrieren ein deutlich zweistelliges Plus", sagt Dietmar Schake, Vertriebsleiter beim größten deutschen Tresorhersteller Burg-Wächter. Auslöser seien steigende Einbruchszahlen und Sorgen über die Auswirkungen des Niedrigzinses. Bei größeren Summen reicht ein Safe zur Absicherung nicht aus. Wichtigen Schutz bieten Bargeldversicherungen. Angebote wie in der Schweiz sind auf dem deutschen Markt noch Mangelware. "Es gibt sie, aber solche Policen sind absolut nicht gängig", sagt Südvers-Mann Kälberer. "Unternehmen können ihre Bargeldbestände über Mittelstands-, Gewerbe- oder Industriepolicen absichern."

Geld zu versichern ist nichts Neues. Beträge, die Unternehmen im Tagesgeschäft vorhalten, sind über Geschäftsinhaltsversicherungen geschützt. Versicherer wie die Axa, Arag, HDI, Gothaer und Ergo haben Angebote. "Bargeld in Wertschutzschränken ist meist pauschal zwischen 20 000 Euro und 30 000 Euro mitversichert", sagt Udo Pesch, Leiter Gewerbe- und Sachversicherung beim Düsseldorfer Versicherer Ergo. Größere Beträge lassen sich gegen Aufpreis mitversichern. Die Policen sichern auch die Einrichtung, Geräte und Maschinen und Verkaufswaren ab.

Die Prämie variiert je nach Branche. Ein Textilhandel in Düsseldorf zahlt bei der Ergo für 150 000 Euro Versicherungssumme bei 500 Euro Selbstbehalt rund 1800 Euro Prämie. Dann sind die Werte inklusive dem Bargeld unter anderem gegen Einbruchdiebstahl und Feuer abgesichert. Allerdings muss der Unternehmer dafür sorgen, dass die Räume über "gute mechanische Sicherungen" verfügen und eine Einbruchmeldeanlage installiert ist.

Dass Kunden nicht immer sorgsam mit ihren Werten umgehen, hat Makler Kälberer erlebt. Ein Kunde, Chef eines Automobilzulieferers, hatte Schmuck im Wert von 250 000 Euro in den Geschäftsräumen aufbewahrt - angeblich in einem Tresor. Bei einem Einbruch stahlen Kriminelle die Juwelen. Die Wahrheit kam ans Licht: Der Kunde hatte den Schmuck nur in einem verschließbaren Holzschrank verstaut. Die Kriminellen hatten leichtes Spiel, der Versicherer zahlte keinen Cent.

© SZ vom 06.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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