Neuregelungen:Die Steuerlotterie

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Steuersenkungen und höheres Kindergeld entlasten, steigende Sozialbeiträge belasten. Unter dem Strich zahlen die meisten weniger.

Von Guido Bohsem

Auf fünf Milliarden Euro will Wolfgang Schäuble 2016 verzichten. Diese Summe will der Finanzminister den Steuerzahlern erlassen: Die sogenannte kalte Progression wird abgeschwächt. Der Grundfreibetrag steigt, ebenso erhöhen sich die Kinderfreibeträge und das Kindergeld. Für die meisten Arbeitnehmer bedeutet das eine echte Entlastung. Doch bleibt am Ende weniger davon übrig als vermutet, für manche Arbeitnehmer steht am Ende sogar eine leichte Belastung. Das ergibt sich aus Berechnungen des Professors für Steuerwirkungslehre an der Freien Universität (FU), Frank Hechtner, für die Süddeutsche Zeitung.

Die Entlastungen werden gemindert durch den Anstieg der Beiträge zur Krankenversicherung. Bei den höheren Einkommen kommt noch ein weiterer negativer Effekt hinzu, da nicht nur die Krankenversicherung, sondern auch die Renten- Pflege-und Arbeitslosenversicherung teurer wird. Dies geschieht durch die steigende Beitragsbemessungsgrenze - also die Obergrenze bis zu der Beiträge zu zahlen sind.

Hechtner hat in seinen Kalkulationen alle diese Veränderungen einbezogen und dabei auch berücksichtigt, dass höhere Abgaben für die sozialen Sicherungssysteme in der Steuererklärung auf die Steuer angerechnet werden können. Soziale Zusatzleistungen im unteren Einkommensbereich oder auch Minijobs berücksichtigte der FU-Professor bei der Berechnung nicht.

Womöglich hält mancher Bürger die Gesetzesänderungen für willkürlich. Denn einzelnen Maßnahmen wirken gegenläufig: Erst hat man mehr Geld im Portemonnaie, dann ist es schon wieder weg. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Spitzenverdiener mit Kindern profitieren am stärksten von der Steuersenkung

Weil Belastungen der Steuerzahler mit steigendem Einkommen anwachsen, profitieren in der Regel auch die hohen Einkommensklassen am deutlichsten von den Steuersenkungen des kommenden Jahres. Bei absoluten Spitzenverdienern wirkt die Minderung der kalten Progression am stärksten, also das Zusammenspiel von steigendem Einkommenstarif und höherer Inflation. Eine Entlastung von 500 Euro im Jahr ist so möglich. Diese ergibt sich beispielsweise, wenn ein Ehepartner im Monat 42 000 Euro verdient und der andere 4000 Euro und die beiden zwei Kinder haben. In dieser Kombination werden die höheren Beitragsbemessungsgrenzen ausgeglichen, und die Entlastung durch die höheren Freibeträge schlägt voll durch.

Aber auch Familien mit zwei Kindern, deren Einkommen deutlich unter diesem Wert liegt, können mit einer Entlastung rechnen. Diese ist allerdings bei Weitem nicht so hoch. Verdient etwa ein Ehepartner brutto 3000 Euro im Monat und der andere 2000 Euro, so beträgt die jährliche Steuerersparnis immerhin noch 155 Euro. Ein Einzelverdiener mit einem Monats-Einkommen von 4000 Euro muss nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge 128 Euro weniger Steuern im Jahr zahlen. Verdienen die Ehepartner beide gut - jeweils 3500 Euro brutto im Monat - liegt die jährliche Entlastung bei 194 Euro.

Wer ein niedriges Einkommen bezieht, muss weniger Steuern zahlen. Die Entlastung fällt durch die Minderung der kalten Progression also entsprechend geringer aus. Bei einer Familie, in der nur einer monatlich 2000 Euro verdient (verheiratet, zwei Kinder), liegt sie im Jahr bei etwa 80 Euro. Erzielt der Mann ein Einkommen von 2500 Euro und die Frau eines von 1500 Euro sparen sie 124 Euro.

Schlecht sieht es für Familien mit zwei Kindern aus, die zwischen 6000 und 7000 Euro verdienen. Hier kommt es unterm Strich zu einer höheren Belastung. Handelt es sich um einen Einzelverdiener mit einem Bruttoeinkommen von 6250 Euro, so hat er am Ende des Jahres 34 Euro weniger in der Tasche als noch in diesem Jahr. Verdient der andere Ehepartner noch etwas hinzu, verbessert sich die Situation, weil die Freibeträge besser angerechnet werden können. Bei einer Einkommenskombination von 6250 Euro und 1000 Euro ergibt sich aber immer noch ein Minus von 19 Euro im Jahr.

Weil ein guter Teil der Entlastung durch das höhere Kindergeld und die steigenden Kinderfreibeträge herrührt, profitieren Singles und Ehepaare ohne Kinder nicht so stark von den steuerlichen Änderungen. Generell gilt auch hier, dass höhere Einkommen steuerlich tendenziell stärker entlastet werden als niedrigere Einkommen, dieser Effekt wird jedoch zum Teil durch die steigenden Sozialabgaben wettgemacht.

Die höchste Entlastung für Singles ohne Kinder beträgt 127 Euro im Jahr, bei einem monatlichen Einkommen von 6000 Euro. Wer allerdings 500 Euro mehr verdient, muss wegen der steigenden Beitragsbemessungsgrenze für die Rente draufzahlen. Er hat im kommenden Jahr 20 Euro weniger in der Tasche als noch 2015.

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Für kinderlose Ehepaare sieht es ähnlich aus. Auch hier ergeben sich für Spitzenverdiener Entlastungen von bis zu 400 Euro im Jahr. Verdient das Paar zwischen 6000 und 7500 Euro im Monat müssen sie draufzahlen - um bis zu 66 Euro im Jahr.

Überprüfen Sie hier die steuerliche Be- oder Entlastung für Ehepaare mit zwei Kindern, Ehepaare ohne Kinder, Alleinerziehende oder Singles.

© SZ vom 29.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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