Neuerscheinungen:Vom Feminismus bis zur Ökologie

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Die Fülle der Marx-Bücher lässt Autoren fantasieren - bis hin zu einer Erzählung mit erfundenen Dialogen.

Von Franziska Augstein, München

Vielleicht ist es verlegerisch nicht immer klug, einen Jahrestag abzuwarten. Die Bücherfülle anlässlich von Marx' 200. Geburtstag nimmt sich aus wie eine Menge Gänseblümchen im Vorgarten der Geschichte.

Dem slowenischen Allround-Theoretiker Slavoj Žižek gelingt es in seiner Abhandlung, wie üblich, raunend auf den Putz zu hauen: "Immer mehr Produkte, nicht nur Information, können ohne zusätzliche Kosten reproduziert werden." Was er sich unter "zusätzlichen" Kosten vorstellt, bleibt ebenso unverständlich wie seine These, dass immer mehr Profit aus Renten komme ("Slavoj Žižek über das Kommunistische Manifest", aus dem Englischen von Karen Genschow, Fischer Verlag, Frankfurt). Der französische Philosoph Alain Badiou - auch er kein Opfer allzu großer Bescheidenheit - nennt sein Buch "Was verstehe ich unter Marxismus?" (aus dem Französischen übersetzt von Richard Steurer-Boulard, Passagen Verlag). Marxismus und Psychoanalyse betrachtet er als "alternative Denkweisen". Aber auch Mao hat Badious Sympathie. Im Übrigen ist der Marxismus für den französischen Philosophen "die ständig erneuerte Erfindung einer Praxis der Politik". Der italienische Philosoph Diego Fusaro meint, Marx werde heute "in entkoffeinierter Form" präsentiert, "als harmloser Theoretiker der Globalisierung und heimlicher Beförderer des ewigen Traums der Liberalen, nämlich der Auslöschung des Staates". Wer dem zustimmt und sich von der Marx-Lektüre nicht mehr erwartet, ist bei Fusaro vermutlich gut aufgehoben ("Schon wieder Marx. Die Wiederkehr der Revolution", aus dem Italienischen von Jenny Perelli, Westend).

Klaus Gietinger hat die Erinnerung an Karl Marx wie für ein Drehbuch zurechterzählt

Sachlicher behandeln deutsche Autoren den Jubilar. Wilfried Nippels elegante Kurz-Biografie ist für Einsteiger leider nicht so recht geeignet, weil der Historiker Marx' Theorien zu knapp erklärt ("Karl Marx", C.H. Beck Wissen). Christoph Henning untersucht Verbindungen zwischen Marx und dem modernen Feminismus, dem Postkolonialismus und der Ökologie. Die "radikale Kapitalismuskritik von Marx und Engels" sei "immer noch inspirierend". Sein Buch ist klug und anspruchsvoll ("Marx und die Folgen", J. B. Metzler). Jürgen Herres, der an der Marx-Engels-Gesamtausgabe mitarbeitet, schildert die lebenslange Arbeits-Symbiose von Marx und Engels ("Marx und Engels. Porträt einer intellektuellen Freundschaft", Reclam). Er kennt sich bestens aus. Schön wäre gewesen, hätte er sich den Humor erlaubt, mit dem seine Helden ihre Briefe würzten. Das Büchlein des Publizisten Dietmar Dath ("Karl Marx", Reclam) wird als "äußerst persönlich" angepriesen. Dath beruft sich nicht auf berühmte Geister, sondern lieber auf private Unterhaltungen. Er lässt ein Karussell kreisen: Da hüpfen die theoretischen Äquivalente von Elefanten, Pferden und Kutschen auf und nieder. Auf vielen dieser Figuren sitzt bei Dath schon jemand: Hegel, der für Marx fast so viel war wie der Motor für ein Karussell.

Der Filmschaffende Klaus Gietinger schließlich hat die Erinnerung an Karl Marx wie für ein Drehbuch zurechterzählt ("Karl Marx, die Liebe und das Kapital", Westend). Lauter erfundene Dialoge, das muss man mögen. Gietingers Geschichte wäre sicher als Hörspiel formidabel: Im Auto oder auf der Blümchenwiese kommt es auf historische Akkuratesse nicht so sehr an.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels wurde der Titel von Klaus Gietingers Buch "Karl Marx, die Liebe und das Kapital" falsch zitiert. Der Titel wurde korrigiert.

© SZ vom 29.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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