Neue Größe:Strom von Shell

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Seit diesem Monat bedient der Mineralölkonzern auch Privathaushalte. Der Markt ist umkämpft. Viele Verbraucher zögern.

Von Jan Schmidbauer, München

Wer in Deutschland seinen Strom- oder Gasanbieter wechseln will, hat ziemlich viel Auswahl. Mehr als 1000 Unternehmen bieten Stromtarife für Privatverbraucher an. Und auch um die Erdgas-Kunden streiten sich Hunderte Firmen, darunter ausgewiesene Billiganbieter und regionale Stadtwerke. Nun kommt noch ein weiterer Name hinzu. Seit Beginn des Monats bietet der britisch-niederländische Mineralölkonzern Shell in Deutschland Strom und Gas für Privatkunden an. Bislang war Shell nur im Großhandel tätig.

Shell ist nur einer von vielen neuen Anbietern, die in diesem Jahr dazu gekommen sind. Die deutsche Energiewirtschaft dürfte dennoch mit Interesse auf den neuen Konkurrenten blicken. Denn Shell ist eines der größten Unternehmen der Welt. Im vergangenen Jahr erwirtschaftete der Konzern einen Gewinn von fast 15 Milliarden Dollar. Fraglich ist, wie sich der Einstieg von Shell ins deutsche Energiegeschäft auf die Verbraucher auswirken wird. Kann der neue Anbieter durch seine Marktmacht womöglich die Preise drücken?

In der Branche glaubt man eher nicht daran, dass sich die Preise durch den neuen Anbieter verändern werden. "Wir sind etwas irritiert." So äußert sich ein großes Energiehandelsunternehmen, das mit seinen Aussagen lieber anonym bleiben will. Die Branche rätselt noch, warum Shell gerade jetzt den deutschen Markt für sich entdeckt hat. Denn im Geschäft mit den Privatkunden lässt sich nach Aussagen vieler Energieversorger kaum noch Geld verdienen. Nur wer dem Kunden einen hohen Bonus zahle, könne ihn zum Wechseln bewegen. Und das ist oft ein Verlustgeschäft. Denn die Bonuszahlung rechnet sich für die Versorger in der Regel nur, wenn sie den Kunden lange halten können.

Nur wer dem Kunden einen hohen Bonus zahlt, kann ihn zum Wechseln bewegen

Die Vermarktung der neuen Shell-Produkte übernimmt die Firma "First Utility". Die beiden Unternehmen kooperieren bereits in Großbritannien. Dort unter dem Namen des Partnerunternehmens. First Utility ist in Großbritannien innerhalb weniger Jahre zu einem der größten Anbieter geworden. In Deutschland werden die Produkte unter dem Namen Shell verkauft. Aus nachvollziehbaren Gründen, denn die Marke Shell ist in Deutschland sehr bekannt, allein durch die gut 2200 Tankstellen im Land.

Zum Start bietet Shell den Kunden drei verschiedene Tarife an. Das Basis-Produkt hat besonders flexible Kündigungszeiten, ist dafür teurer. Bei den anderen Produkten bekommt der Kunde einen Bonus. Er muss dann jedoch für mindestens ein Jahr bei Shell unterschreiben. Die drei Produkte gibt es optional auch mit Ökostrom.

Der neue Anbieter ist überzeugt, dass sich das Geschäft mit den Privatkunden lohnen wird. "Der Markt ist zwar sehr umkämpft", sagt First Utility-Geschäftsführer Maik Neubauer. Aber wenn man als großer, nationaler Anbieter auftrete, sei da "schon noch Potenzial". Neubauer sagt: "Das Angebot wird keine Eintagsfliege sein." Die Aussagen klingen wie eine Kampfansage an große deutsche Energieversorger wie Eon und RWE. Diese sind momentan ohnehin in der Krise. Zuletzt stürzten auch die Aktienkurse ab, weil befürchtet wird, dass die Rückstellungen der Konzerne für die Endlagerung des Atommülls nicht ausreichen könnten.

Shell könnte nun seine starke Position auf dem Strom- und vor allem auf dem Gasmarkt nutzen. Die kann ein entscheidender Vorteil sein. Denn ein großer Teil der Energiekosten besteht aus Steuern und Abgaben, die kein Anbieter beeinflussen kann. Wer gute Einkaufskonditionen erzielt, kann diese dagegen an die Kunden weitergeben. Und damit auch günstigere Preise anbieten.

Als Billig-Anbieter will Shell jedoch nicht auftreten. Der Schwerpunkt liege eher auf gutem Service und einfachen Produkten, sagt eine Sprecherin. Besonders habe Shell die Verbraucher im Blick, die ihren Anbieter bislang noch nicht gewechselt haben. In der Tat sind diese Kunden eine attraktive Zielgruppe für die Energieversorger. Bis heute haben mehr als die Hälfte der Verbraucher noch nie bei einem neuen Anbieter unterschrieben. Dabei ist der Wechsel in den vergangenen Jahren einfacher geworden. Auf Vergleichsportalen ist ein neuer und günstigerer Tarif schnell gefunden. Wer wechselt, braucht seinem bisherigen Versorger auch nicht mehr zu kündigen. Das übernimmt der neue Lieferant.

"Aber es gibt immer noch Leute, die Angst haben, dass das Licht ausgeht, wenn sie ihrem bisherigen Versorger kündigen", sagt Florian Krüger vom Vergleichsportal Verivox. Diese Sorge sei natürlich unbegründet, spiele jedoch immer noch eine Rolle. Entscheidend sei aber immer noch eines: der Preis. Bei Verivox liegt Shell mit seinem Produkt "Strom Bonus" derzeit immerhin an vierter Stelle (berechnet für einen Haushalt in München mit einem Verbrauch von 3500 Kilowattstunden). Ein ähnlicher Tarif von Eon ist allerdings günstiger, wenn auch nur um ein paar Cent pro Jahr. Besonders günstig ist die Energie von Shell also nicht. Einfache Produkte und guten Service bieten andere Versorger auch.

Was könnte also die Strategie von Shell sein? Am wahrscheinlichsten ist, dass der Konzern mit den neuen Produkten seine vielen Tankstellen-Kunden ansprechen will. Noch verkauft Shell dort keine Strom- und Gasverträge, sondern verteilt nur Broschüren. Doch dies könnte sich noch ändern. Potenzielle Kunden sind für Shell auch die sieben Millionen Mitglieder des Bonusprogramms Clubsmart. Diesen wolle man Vorteile bieten, wenn sie sich für Strom oder Gas von Shell entscheiden, heißt es. Wer derzeit einen Vertrag bei Shell abschließt, erhält 100 Bonuspunkte pro Monat. Ob das reicht, um der Konkurrenz die Kunden abzuluchsen, bleibt abzuwarten. Für 100 Bonuspunkte gibt es nur einen Schokoriegel.

© SZ vom 05.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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