Neue Erkenntnisse im Schmiergeldskandal:Pierer droht Millionenklage von Siemens

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Ex-Konzernchef Heinrich von Pierer soll frühzeitig von schwarzen Kassen gewusst haben. Jetzt reicht's dem Aufsichtsrat: Pierer und seinen ehemaligen Kollegen drohen Klagen in Millionenhöhe.

Im Korruptionsskandal bei Siemens gerät die frühere Konzernspitze in Bedrängnis. Ex-Unternehmenschef Heinrich von Pierer und weitere Top-Manager sollen frühzeitig von schwarzen Kassen erfahren haben. Der Aufsichtsrat will Ende April über Schadensersatzforderungen gegen ehemalige Vorstände beraten. Wer von schwarzen Kassen gewusst und nichts unternommen habe, müsse haften. Pierer und seinen ehemaligen Kollegen drohen Klagen in Millionenhöhe.

Ex-Konzernchef Heinrich von Pierer (Foto: Foto: AP)

Zwei Wochen vor der nächsten Aufsichtsratssitzung bei Siemens, die Klarheit über das Ausmaß der Affäre bringen soll, belasten neue Erkenntnisse den alten Vorstand schwer. Der ehemalige Justitiar und Anti-Korruptionsbeauftragte des Konzerns, Albrecht Schäfer, soll Pierer und mehrere seiner Kollegen frühzeitig auf schwarze Kassen hingewiesen haben. Am 3. Mai 2004 notierte Schäfer intern, ein Mailänder Gericht habe wegen eines Schmiergeldfalles in der Kraftwerkssparte angeordnet, Siemens von öffentlichen Aufträgen auszuschließen.

Interne Aufsichtspflicht verletzt

In dem Vermerk steht, die Siemens-AG habe ihre interne Aufsichtspflicht verletzt und dadurch Straftaten ermöglicht. Aus Sicht des Gerichts zeige "insbesondere die Existenz schwarzer Kassen, dass die von Siemens praktizierte Aufsicht völlig ineffizient war und das Unternehmen Schmiergeldzahlungen zumindest als mögliche Unternehmensstrategie ansah." Nach Angaben aus Konzernkreisen soll dieser Vermerk an Pierer, Finanzvorstand Heinz-Joachim Neubürger sowie weitere Vorstände, darunter Kraftwerkschef Uriel Sharef, gegangen sein.

Bei der Münchner Staatsanwaltschaft hat Schäfer als Zeuge ausgesagt, er habe die Konzernspitze bereits Ende 2003 über Erkenntnisse der Mailänder Justiz informiert. Er habe dem Vorstand mitgeteilt, dass das Mailänder Gericht ein in der Kraftwerksbranche vorgefundenes und für Straftaten verwendetes System von Schwarzgeldkonten als "Siemenstypisch" bezeichnet habe. Schäfer wirkt bei Siemens an der Aufklärung des Skandals mit. Er ist von Anwälten der US-Kanzlei Debevoise&Plimpton befragt worden, die im Auftrag des Aufsichtsrats intern im Konzern ermittelt.

Debevoise soll dem Aufsichtsrat Ende April berichten, welche Erkenntnisse vorliegen. Nach Angaben von Aufsichtsrat Heinz Hawreliuk von der IG Metall soll dann weiter über Schadensersatzklagen gegen die frühere Konzernspitze beraten werden. "Wir haben im Prüfungsausschuss wiederholt die Frage des Schadensersatzes thematisiert, auch im Hinblick auf Vorstandsmitglieder", sagte Hawreliuk der SZ. Der Prüfungsausschuss geht Unregelmäßigkeiten nach.

Hawreliuk sagte, bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz müsse der Aufsichtsrat "zwingend tätig werden und Schadensersatz verlangen". Wenn jemand wisse, dass es schwarze Kassen gebe und diese genutzt würden, und dann nicht dagegen vorgehe, "handelt er grob fahrlässig und muss haften". Siemens hat gegen Ex-Führungskräfte aus der mittleren Ebene bereits Schadensersatzforderungen über jeweils eine Million Euro erhoben.

Pierer und seine Ex-Kollegen beteuern, sie hätten nichts vom System schwarzer Kassen und Schmiergeldzahlungen gewusst. Die SZ hat Pierer mit Schäfers Zeugenaussage konfrontiert und gefragt, was er getan habe, um Mängel im Kontrollsystem abzustellen. Pierers Anwalt antwortete, es sei Schäfers Aufgabe gewesen, für die Einhaltung der Regeln zu sorgen. Schäfer habe seine Aufgaben erfüllt. Es habe davon ausgegangen werden können, es handele "sich um einen einzelnen Vorgang." Die Staatsanwaltschaft hält Pierer für schuldlos.

© SZ vom 14.04.2008/aho - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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