Nahost:Riskante Geschäfte mit Iran

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Illustration: Stefan Dimitrov (Foto: Dimitrov)

Die Middle East Bank will nun mit einer Filiale in München deutschen Firmen den Zugang zum Land erleichtern.

Von Norbert Hofmann

Eine veraltete Industrie, oft mit Maschinen und Fahrzeugen aus dem vergangenen Jahrhundert. Viele Unternehmen unter dem Einfluss politischer Organisationen und politische Bremsklötze, die das Geschäft mit dem Ausland blockieren: Die iranische Wirtschaft bot ein eher bedrückendes Erscheinungsbild, als die USA und Europa vor zwei Jahren ihre Sanktionen gegen das Land in großen Teilen aufhoben. Nun aber schien es plötzlich, als hätte jemand in einem dunkel verhangenen Zimmer die Fenster aufgerissen. Bald schon, so jubelten damals die Marktbeobachter von McKinsey, könne Irans Wirtschaft das Niveau des spanischen Bruttosozialprodukts erreichen. Und die Regierung des Landes selbst setzte sich jährliche Wachstumsraten von acht Prozent bis 2021 zum Ziel.

Auch viele deutsche Unternehmen waren begeistert und sahen neue Exportchancen. Mittlerweile ist an die Stelle der Euphorie eher Enttäuschung getreten. "Die tatsächliche Entwicklung der iranischen Wirtschaft liegt hinter den Erwartungen zurück", konstatierte Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der vbw-Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, kürzlich bei einem Iran-Kongress in München.

Das Bruttosozialprodukt ist in 2017 nach 12,5 Prozent im Vorjahr nur noch um 3,5 Prozent gewachsen. In diesem Jahr könnte die Wirtschaft des Iran sogar schrumpfen. Gleichzeitig hat die Inflation wieder prozentual zweistellige Raten erreicht, Kredite kosten mehr als zwölf Prozent Zinsen und die Landeswährung Riad hat kräftig an Wert verloren. Hinzu kommt nun die Drohung des US-Präsidenten Donald Trump, sich aus dem Atomabkommen zurückzuziehen und Sanktionen wieder in Kraft zu setzen. Kein Wunder, dass all das Geschäftspartner in Deutschland verunsichert. Sie fragen sich, ob sich in diesem unsicheren Umfeld der Aufwand für Markteintritt, Partnersuche und Investitionen lohnt. Vor allem aber fehlt es an Banken, die ihr Iran-Geschäft begleiten. "Die große Herausforderung ist die Abwicklung des Zahlungsverkehrs zwischen den Unternehmen", bestätigt Brossardt.

Wenn hin und wieder Sparkassen und Volksbanken helfen, sind das nur Einzelfälle. Finden sich solche Institute nicht, führt der nächste Weg über österreichische Banken. Im Nachbarland hilft allen voran die Oberbank einheimischen Firmen beim Zahlungsverkehr und im Dokumentengeschäft. Auch größere Projekte werden, abgesichert durch staatliche Deckungen der Österreichischen Kontrollbank, finanziert. In Deutschland dagegen fürchten Großbanken Ärger mit den USA, wenn sie Geschäfte mit dem Iran begleiten.

Weil es an Bankbegleitungen fehlt, kommen auch die vom Staat wieder angebotenen Hermes-Exportbürgschaften nur bedingt zum Tragen. Und Mittelständler suchen zur Abwicklung des Zahlungsverkehrs zuweilen auch Unterstützung bei der in Hamburg ansässigen Europäisch-Iranischen Handelsbank. Sie ist in iranischem Staatsbesitz und unterlag bis zum Atomabkommen selbst den damals geltenden Sanktionen.

Schon bald aber könnte eine neue Adresse hinzu kommen. Die Middle East Bank mit Hauptsitz in Teheran will noch in diesem Jahr eine Niederlassung in München gründen, sobald die Aufsichtsbehörde Bafin wie in Kürze erwartet die Lizenz erteilt. "Wir werden die Infrastruktur für Akkreditive zur Abwicklung von Import-und Exportgeschäft bieten und deutsche Unternehmen beim Zahlungsverkehr mit iranischen Geschäftspartnern unterstützen", sagt Werner Lang, Leiter der in Gründung befindlichen Niederlassung.

Akkreditive stehen für das Versprechen einer Bank, dem Exporteur den Preis der gelieferten Waren zu zahlen, sobald er die dafür erforderlichen Dokumente einreicht. Zu einem späteren Zeitpunkt wird das Institut möglicherweise auch Finanzierungen bereitstellen. Die Middle East Bank ist weder direkt noch indirekt in Staatsbesitz. "Sobald wir die Genehmigung haben, werden wir die einzige private iranische Bank in Deutschland sein. Weder das Verteidigungsministerium noch die Revolutionsgarden sind an unserer Bank beteiligt oder üben Druck auf sie aus", sagt Vorstandschef Parviz Aghili.

Eine andere Frage ist, ob das Störfeuer aus den USA bald schon wieder das Geschäft des deutschen Mittelstands in der Region eindämmen könnte. Streitpunkt ist das Atomabkommen. Der Iran hatte sich darin verpflichtet, seine Aktivitäten zur Urananreicherung drastisch zurückzufahren und damit quasi den Verzicht auf Atomwaffen erklärt. Bislang, so bestätigt die Internationale Atomenergiebehörde in Wien, sind die Vereinbarungen eingehalten worden. Trump aber will den Vertrag dennoch neu aushandeln oder ihn aufkündigen. Allerdings: Selbst wenn er es tun sollte, könnte Europa an seinen Vereinbarungen mit dem Golf-Staat weiter festhalten. Denn die in den USA vorgesehenen Bestätigungen durch den Präsidenten, wie sie am 12. Mai jetzt wieder anstehen, setzen das Abkommen nicht grundsätzlich außer Kraft.

Exporteure müssen sich auch mit ethisch fragwürdigen Bedingungen auseinandersetzen

Im Interesse des deutschen Mittelstands wäre eine Fortsetzung der Handelsbeziehungen allemal, auch wenn nicht alle Erwartungen erfüllt wurden. In 2017 lieferten deutsche Exporteure Waren im Wert von knapp drei Milliarden Euro in den Iran und damit 15 Prozent mehr als im Vorjahr. Noch stärker waren die Zuwächse bei einem Plus von 25 Prozent in 2017. Der Wettbewerbwird intensiver. So haben sich die französischen Exporte in den Iran im vergangenen Jahr mit 1,5 Milliarden Euro glatt verdoppelt. Weit über dem deutschen Durchschnitt lagen die bayerischen Exportzuwächse, wobei der Maschinenbau für rund ein Drittel der Gesamtausfuhr stand. "Starke Handelsbeziehungen gibt es zudem im Elektrosektor und in der Logistik, der Textilwirtschaft sowie der Heizungs-, Klima- und Solartechnik", sagt vbw-Chef Brossardt.

Wenn es noch besser werden soll, müsste sich aber auch das politische und wirtschaftliche Szenario im Iran selbst wandeln. Von der Repression nach innen bis zur Unterstützung der Hisbollah im Libanon und der Verwicklung in den Bürgerkrieg in Jemen reichen die Risiken und ethisch fragwürdigen Gegebenheiten, mit denen sich deutsche Exporteure auch auseinandersetzen müssen. Hinzu kommen die Fragezeichen rund um die weitere wirtschaftliche Entwicklung. "Das starke Wachstum in 2016 war vor allen den Ölexporten zu verdanken, die Wirtschaftspolitik der Regierung von Präsident Hassan Ruhani dagegen hat eher zu noch mehr Armut und Einkommensungleichheit geführt", sagt Ali Fathollah-Nejad, Iran-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik.

© SZ vom 27.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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