Nahaufnahme:Im Abseits

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"Wir müssen nicht auf jeden Trend aufspringen, aber wir steigen ein, wenn es relevant wird." Rainer Neske (Foto: imago)

Rainer Neske ist ein Außenseiter im Vorstand der Deutschen Bank. Und er gehört zu den Verlierern des großen Bank-Umbaus.

Von Meike Schreiber

Wenn Rainer Neske, der Privatkundenvorstand der Deutschen Bank, ins Erzählen kommt, kann es passieren, dass er irgendwann seine Mutter ins Spiel bringt. Wie an jenem Abend in der Villa Sander, dem Gästehaus des Instituts direkt neben den Doppeltürmen der Bank in Frankfurt, das der Vorstand oft für Veranstaltungen nutzt. Neske referierte vor Kaminfeuer über die Möglichkeiten, die die Digitalisierung dem Bankgeschäft verleiht, und welche Rolle die Filiale in der Internet-dominierten Zukunft noch spielt. Eine große, sagte er, denn viele Menschen bräuchten weiterhin den direkten Kontakt zu ihrem Kundenbetreuer in der Niederlassung, den auch die cleverste App nicht ersetzen könne. Das sehe er doch oft an seiner Mutter, die ihre Bankgeschäfte vor Ort abwickle.

"Wir müssen nicht auf jeden Trend aufspringen, aber wir steigen ein, wenn es relevant wird", sagte der Privatkundenvorstand.

Neske ist ein Außenseiter im Bankvorstand. Das liegt nicht nur an einem gelegentlichen Schwenk ins Private, den andere Topmanager des Konzerns so kaum über die Lippen bringen würden. Der 1964 in Münster geborene Westfale ist einer der wenigen Deutschen im Führungszirkel, dem er seit sechs Jahren angehört. Und er kümmert sich um die Privatkunden, die heute allenfalls hoch im Kurs stehen, wenn es darum geht, mit ihren Einlagen das Großkundengeschäft zu refinanzieren.

Nun haben Aufsichtsrat und Management auch noch beschlossen, die Postbank loszuwerden, die allein 14 der 28 Millionen Kunden betreut. Was sich jetzt schon sagen lässt: Neske ist einer der großen Verlierer dieser Maßnahme. Dem Vernehmen nach hat er die vergangenen Wochen dafür gekämpft, dass die Deutsche Bank nicht nur die Postbank, sondern das gesamte Privatkundengeschäft verkauft. Als Komplettpaket wäre das Geschäft wohl nicht nur leichter verkäuflich gewesen, weil im Privatkundengeschäft Masse wichtig ist - für Neske wäre es auch die Chance gewesen, eine große, vom Investmentbanking unabhängige Privatkundenbank zu führen.

Bis zuletzt war er deshalb im Vorstand der Einzige, der gegen den Postbank-Verkauf und damit gegen den Wunsch der Co-Chefs Anshu Jain und Jürgen Fitschen stimmte. Sein Verhältnis zu seinen Vorstandskollegen sei zuletzt ohnehin deutlich abgekühlt gewesen, berichten Insider.

Diese warfen ihm die mangelhafte Integration der Postbank vor, und auch, dass die milliardenteure gemeinsame IT-Plattform Magellan weniger weit gediehen war als geplant. Dadurch wurde im Privatkundengeschäft weniger eingespart. Neske hielt dagegen, dass seine Sparte einen unverhältnismäßig hohen Anteil der immensen Rechtskosten tragen müsse, die eigentlich auf das Konto der zahlreichen Skandale im Investmentbanking gingen. Während der studierte Informatiker im Dezember in der Villa Sander also noch referierte, wie gut Postbank und Deutsche Bank zusammenwüchsen, bereitete Jain im Hintergrund schon den Verkauf der ungeliebten Konzerntochter vor.

Als ein wichtiger Verbündeter von Neske galt bis zuletzt Verdi-Chef Frank Bsirske, der dem Vernehmen nach ebenfalls einen Verkauf des gesamten Privatkundengeschäfts bevorzugt hat, weil es auch die Machtbasis der Gewerkschaft weiter verbessert hätte. Als sich jedoch abzeichnete, dass daraus nichts wird, soll sich der Gewerkschaftschef von Neske abgewandt haben. "Bsirske hat Neske letzte Woche fallen gelassen, er braucht ihn jetzt nicht mehr", sagte ein Aufsichtsrat. Gut möglich also, dass Neske in nicht allzu ferner Zukunft Konsequenzen zieht.

© SZ vom 27.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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