Nachwuchsförderung:Auf die Schulen kommt es an

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Neue Konzepte zur Berufsvorbereitung sollen den Schülern das Handwerk näher bringen, auch Gymnasiasten.

Von Janis Beenen, München

Die Aussichten für Berufseinsteiger sind bestens: Handwerksbetriebe haben etliche Aufträge. Die Arbeitslosenquote von Meistern liegt unter zwei Prozent. 200 000 Firmen brauchen bald einen neuen Chef. Allerdings nehmen zu wenige junge Menschen das Potenzial wahr. Nachwuchs fehlt. Die Ursachen sind vielfältig und teils hausgemacht. Der öffentliche Dienst, der Handel und die Industrie zahlen Lernenden mehr. Doch auch die Schulen sind schuld. Besonders an den Gymnasien wird das Studium gehypt. Abiturienten fühlen sich laut Umfragen über Alternativen schlecht informiert. Einige Schulen stemmen sich gegen den Trend. Drei Beispiele, die Handwerker gefallen:

Gymnasium für Handwerker

Lehrerin Annett Krüger hatte gerade erlebt, wie kompliziert es ist, einen Handwerker für kleinere Arbeiten zu gewinnen. Da meldete sich die örtliche Handwerkskammer bei ihrem Gymnasium in Erfurt. Eine Kooperation sollte mehr Absolventen für die Branche begeistern. Krüger setzte das Vorhaben in die Praxis um: Warum nicht Abitur und Ausbildung verbinden? Nach Debatten mit Kollegen und später dem Kultusministerium konnte das Pilotprojekt im Jahr 2016 endlich starten. "Die Wirtschaftsstunden sind nun so gestaltet, dass sie später auf eine Meisterprüfung angerechnet werden können", sagt Krüger. "Das spart Zeit und Kosten." Die 42-Jährige nimmt mit ihrem Unterricht also Theorie vorweg. Praktika in Betrieben kommen hinzu. "Natürlich werden nicht alle Schüler Handwerker", sagt Krüger. Zumindest würden aber Wahrnehmung und Wertschätzung für die Berufe gesteigert. "Und wenn es mit dem Studium nicht klappt, bleibt eine gute Alternative", sagt Krüger. Die Resonanz von Eltern und Schülern ist positiv. Ein weiteres Gymnasium in Erfurt hat das Modell übernommen, Schulen in Cottbus ebenso.

Gut informiert

Ein Fach zum Thema "Wirtschaft" wird in fast allen Bundesländern angeboten. Oft ist der Stoff weit weg von der Realität. Das hilft den Schülern nicht. Die Landesregierung in Baden-Württemberg aus Grünen und CDU will das verbessern. Im kommenden Schuljahr startet an den Gymnasien von der achten Klasse an das Fach "Wirtschaft/ Berufs- und Studienorientierung". Anhand praktischer Beispiele sollen die Schüler lernen, welche Rolle sie in der Wirtschaftswelt spielen. Die Gymnasien arbeiten mit den Arbeitsagenturen, Universitäten und Handwerkskammern zusammen. So viel Zeit im Lehrplan für die Zukunftsplanungen ist in anderen Bundesländern unüblich. Die Hoffnung: Kommen die Jugendlichen mit Praktikern aus verschiedenen Bereichen zusammen, verstehen sie, dass es Alternativen zur akademischen Karriere gibt. Etwa 30 Prozent der Studenten brechen bislang ab, mehr als 40 Prozent absolvieren danach eine Ausbildung. Mithilfe der gezielten Vorbereitung in der Schule könnten viele bald auf Anhieb die passende Entscheidung treffen, heißt es aus dem Kultusministerium in Stuttgart.

Ganz viel Praxis

Nicht nur Gymnasiasten, sondern auch gute Realschüler braucht das Handwerk. Von dort kommen ebenfalls zu wenige Lernende. Um das zu ändern, sei eine bessere Berufsorientierung nötig, meinen Handwerker. Die bayrischen Realschulen könnten zum Vorbild werden. Praktika, Ausflüge zu Ausbildungsmessen sowie der wöchentliche Besuch von Beratern der Arbeitsagentur seien Standard, sagt Renate Stieber. Sie ist Lehrerin an einer Realschule in Bayreuth und betreut das Fach "Werken". Dieses kann in Bayern sogar Bestandteil der Abschlussprüfung sein. Die Schüler arbeiten mit Materialien wie Holz, Metall oder Kunststoff. Daraus bauen sie ein eigens Werkstück. Dieser Stellenwert für ein lebensnahes Fach ist einzigartig. Bei den Schülern kommt das an. "Im Werkunterricht gibt es selten Motivationsprobleme", berichtet Lehrerin Stieber. Das Fach Informationstechnologie soll den Schülern zusätzlich praktische Anwendungen in der Informatik beibringen. Diese braucht es, um das Handwerk für das digitale Zeitalter aufzustellen. Viele Betriebe erkennen dabei Nachholbedarf.

© SZ vom 13.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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