Nachruf:Wie Joe Sutter die Fliegerei neu erfand

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Boeing-747-Erfinder Joe Sutter vor seiner Kreation. (Foto: oh)

Der legendäre Ingenieur der "747" ist im Alter von 95 Jahren gestorben. Das Ende seines Modells mitzuerleben, ist ihm erspart geblieben

Von Jens Flottau

Es war nur eine Bemerkung in kleiner Runde während einer Kaffeepause. "Die 747 ist eine der ganz Großen", sagte der berühmte Luftfahrtpionier Charles Lindbergh. Es war das Jahr 1969, und eine Runde von Boeing-Ingenieuren war wieder einmal zu einer Besprechung beim Erstkunden Pan Am in New York. Joe Sutter schilderte die Szene auch nach Jahrzehnten als für ihn unvergesslichen Moment.

Zu dieser Zeit war noch lange nicht klar, dass Lindbergh, der damals als Berater für Pan Am arbeitete, mit seiner Prognose recht behalten sollte. Schließlich hatte die 747 ihren ersten Linienflug noch vor sich. Doch längst hat der Erfolg des Jumbo-Jets auch ihren Chefingenieur zu einer der wichtigsten Figuren in der Luftfahrt gemacht. Ohne Sutter wäre die 747 wohl nicht für nahezu 30 Jahre das Langstreckenflugzeug geworden, das Fliegen für breite Schichten erschwinglich gemacht hat. Jetzt starb Sutter in der Nacht auf Dienstag im Alter von 95 Jahren.

Die Kosten brachten Boeing an den Rand des Ruins; Sutter stand kurz vor dem Rauswurf

Mitte der Sechzigerjahre wollte Pan Am ein Langstreckenflugzeug, das zweieinhalb mal so groß war wie die Boeing 707, mit der die Airline damals über den Atlantik flog. Pan-Am-Chef Juan Trippe stellte sich einen Doppeldecker à la Airbus A380 vor mit einer Glaskuppel am Bug, sodass die Passagiere vorne hinausschauen könnten wie an der Reling eines Kreuzfahrtschiffes. Es brauchte einen wie Joe Sutter, der sich von nichts einschüchtern ließ, um Trippe von einem realistischen Entwurf zu überzeugen. Ein paar Jahre später zog dieser ihn zur Seite und sagte: "Sie haben sich richtig entschieden." Noch so ein Moment.

Sutter war in der Nähe von Boeing Field, dem Werksflughafen in Seattle, groß geworden. Nach dem Zweiten Weltkrieg bekam er als junger Ingenieur seinen ersten Job bei Boeing. Obwohl er vor allem wegen der 747 berühmt geworden ist, war Sutter auch wegen anderer Leistungen wichtig. Die Art und Weise, wie Triebwerke beim Kurzstreckenflugzeug 737 am Flügel montiert sind, geht auf Sutter zurück.

Als 747-Chefingenieur setzte er sich nicht nur mit seinen Vorstellungen durch, wie das Flugzeug auszusehen hatte, er war auch ein manchmal äußerst harter Programm-Manager. In nur vier Jahren Entwicklungszeit holten er und seine Leute die 747 in die Luft. Die hohen Entwicklungskosten brachten Boeing allerdings an den Rund des Ruins und Sutter kurz vor den Rauswurf.

Die 747 ist unangefochten Sutters Lebenswerk geblieben. Bis zuletzt behielt Sutter sein Büro bei Boeing und mischte sich ein, ob seine Nachfolger es wollten oder nicht. Solange Sutter lebte, schien es unvorstellbar, dass Boeing den Bau des legendären Flugzeuges einstellen könnte. Doch wenige Wochen vor seinem Tod hatte der Konzern dies erstmals angedeutet. 1543 Maschinen haben die Airlines in den vergangenen 50 Jahren bestellt, nur noch 20 davon müssen ausgeliefert werden, und viele neue Aufträge sind kaum zu erwarten - die Kunden ziehen kleinere und günstigere Modelle wie die 787 oder die 777 vor. Das Aus seiner geliebten 747 noch selbst mitzuerleben, ist Sutter am Ende dann doch noch erspart geblieben.

© SZ vom 01.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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